Provokatorische Handlungen, Neuheim
22. Juli 1983
Information Nr. 257/83 über provokatorische Handlungen von zwei Bürgern der DDR gegenüber Angehörigen der GSSD im Zusammenhang mit Truppenbewegungen durch die Ortschaft Neuheim, Kreis Jüterbog, Bezirk Potsdam, am 20. Juli 1983
Am 20. Juli 1983, zwischen 20.30 und 21.30 Uhr, durchfuhr eine Kolonne der GSSD (eine Einheit der Panzerdivision Gotha, die sich auf dem Weg zur Verladerampe Jüterbog befand), bestehend aus 29 Kettenfahrzeugen, vom Truppenübungsplatz Jüterbog kommend, den für Kettenfahrzeuge gesperrten Ort Neuheim, Kreis Jüterbog.
Durch die sich zu diesem Zeitpunkt ca. 50 Meter vor dem Ortsausgang Neuheim, in Richtung Jüterbog aufhaltenden Bürger der DDR [Name 1, Vorname], geb. am [Tag, Monat, Jahr], tätig als Arbeiter in der Meliorationsgenossenschaft Obere Nuthe Jüterbog, wohnhaft Neuheim, [Straße, Nr.], vorbestraft wegen Körperverletzung, und [Name 2, Vornamen], geb. am [Tag, Monat, Jahr], tätig als Arbeiter in der Meliorationsgenossenschaft Obere Nuthe Jüterbog, wohnhaft Neuheim, [Straße, Nr.], dreimal wegen Diebstahls vorbestraft, wurde, nachdem sich [Name 1] mit ausgebreiteten Armen mitten auf die Fahrbahn gestellt und kurzzeitig auch hingelegt hatte, das Führungsfahrzeug dieser Kolonne Kettenfahrzeuge gestoppt und anschließend mittels einer Metallgliederkette beschädigt.
Durch die unter1 erheblichem Alkoholeinfluss handelnden Täter,2 die mit ihren Handlungen eine Weiterfahrt der Kolonne verhindern wollten, wurden u. a. fünf Lampen und Zusatzleuchten der ersten zwei Kettenfahrzeuge zerstört3 sowie insgesamt sechs an den Kettenfahrzeugen angebrachte Antennen abgebrochen4.
Trotz dieser Handlungen passierten zwei Kettenfahrzeuge den Ort. Das dritte Kettenfahrzeug wurde während des kurzen Halts von inzwischen durch [Name 2]5 mittels Kanister beschafften Benzins durch [Name 1] begossen und angezündet. Das Feuer konnte durch die Angehörigen der GSSD sofort gelöscht werden. Es entstand kein Personen- und Sachschaden.
Nach diesem Vorkommnis passierte die gesamte Kolonne der Kettenfahrzeuge den Ereignisort, ohne dass es zu weiteren Vorkommnissen kam. Die mit einem zeitlichen Abstand von ca. 30 Minuten folgende Lkw-Kolonne (ca. 30 Kfz) wurde ebenfalls durch [Name 1] gestoppt und an der Weiterfahrt gehindert, nachdem er aus dem in seinem Besitz befindlichen Kanister Benzin auf die Fahrbahn gegossen, anschließend entzündet und damit eine Art Feuersperre gelegt hatte.
Nach Ausbrennen des Benzins wurde die kurzzeitig unterbrochene Fahrt der Lkw-Kolonne fortgesetzt. Das letzte Kfz dieser Kolonne wurde durch [Name 1] gestoppt, die Antenne des Kfz abgebrochen und mit dieser auf den Kraftfahrer eingeschlagen. Auf Befehl des Kommandeurs der Lkw-Kolonne wurde gegen [Name 1] einfache körperliche Gewalt angewandt und er damit von weiteren Handlungen abgehalten. Beim Abspringen des [Name 1] vom Fahrzeug der GSSD zog er sich eine Bänderverletzung am Fuß zu. Er wurde zur stationären Behandlung in das evangelische Krankenhaus Jüterbog eingeliefert.
Während der Handlungen des [Name 1] beschaffte sich [Name 2] aus dem Grundstück des [Name 1], vor dem genannte Handlungen stattfanden, eine Sense und ging damit gegen Angehörige der GSSD vor. Es kam zu keinem Personenschaden.
Durch das Passieren der Kettenfahrzeug- und Lkw-Kolonnen entstand im Ort kein Schaden an der Straßendecke bzw. an Objekten. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass in zurückliegender Zeit wiederholt Beschwerden der Bevölkerung der Ortschaft Neuheim, die unmittelbar an den Truppenübungsplatz der GSSD Jüterbog angrenzt, eingereicht wurden, die sich beziehen auf
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die Nichteinhaltung der ausgeschilderten Panzermarschstrecke,
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Diebstähle bzw. Einbrüche in den VEB Gablona6 und in Wohnlauben von Grundstücken,
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tätliche Auseinandersetzungen nach erfolgtem Alkoholgenuss.
Aus vorliegenden ersten Reaktionen der Bevölkerung, besonders Werktätiger des VEB Gablona, geht hervor, dass sie übereinstimmend die Handlungsweisen der Täter verurteilen.
Als Motiv für seine Handlung gibt [Name 1] an, verärgert gewesen zu sein, dass eine Panzerkolonne durch den Ort fährt, obwohl durch Sperrschilder für Kettenfahrzeuge eine andere Fahrstrecke vorgeschrieben ist. Nach seiner Meinung beschädigten die Kettenfahrzeuge die Ortsstraße, und er müsste dann mit seinem Trabant durch Löcher fahren. Unter dem Einfluss des genossenen Alkohols glaubte er erzwingen zu können, dass die Kolonne wendet.7
[Name 1] hat den Ruf eines »Dorfrowdys«, gilt als gewalttätig und dem Alkohol ergeben, während er arbeitsmäßig nicht negativ in Erscheinung trat. Er war als Jugendlicher im Jugendwerkhof8 untergebracht und ist 1976 wegen Diebstahls und 1979 wegen Körperverletzung bestraft worden. Politisch ist [Name 1] desinteressiert.
Gegen [Name 1] wurde gemäß § 215 StGB9 ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Haftbefehl erlassen.
Die weiteren Untersuchungen konzentrieren sich auf die umfassende Erarbeitung der Motivation sowie die exakte Aufklärung des Handlungsablaufes und Rolle aller Beteiligten durch die Vernehmung weiterer Zeugen sowie die Feststellung begünstigender Umstände und deren Beseitigung.
Über die Vorfälle wurden seitens des MfS der 2. Sekretär der Bezirksleitung der SED Potsdam und der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED Jüterbog informiert.
Es wurde festgelegt, dass am 21. Juli 1983 auf einer Gesamtmitgliederversammlung der Wohnparteiorganisation der SED Neuheim über diese Vorfälle informiert wird und durch offensive politisch-ideologische Maßnahmen negative Auswirkungen unterbunden werden.
Die Maßnahmen wurden mit den zuständigen Kommandeuren und Politorganen der GSSD des Truppenübungsplatzes Jüterbog abgestimmt.