Reaktion der Bevölkerung auf wissenschaftliche Konferenz, (1. Bericht)
12. April 1983
Hinweise über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Internationale wissenschaftliche Konferenz des Zentralkomitees der SED »Karl Marx und unsere Zeit – der Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt« (1. Bericht) [O/115a]
Nach vorliegenden Hinweisen aus allen Bezirken und der Hauptstadt der DDR, Berlin, wird die Internationale Wissenschaftliche Konferenz des ZK der SED1 von der Mehrheit der Bevölkerung der DDR begrüßt, nimmt jedoch im Stimmungsbild der Bevölkerung noch keine dominierende Stellung ein.
Zunehmendes Interesse an der Konferenz und allen damit im Zusammenhang stehenden Fragen zeigen vor allem progressive, politisch interessierte und gesellschaftlich aktive Bürger aller Schichten. Von ihnen werden die Konferenz und die hohe Präsenz ausländischer Gastdelegationen als wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Ausstrahlungskraft der marxistisch-leninistischen Weltanschauung, der Stärkung der kommunistischen und internationalen Arbeiterbewegung, der nationalen Befreiungsbewegung und insbesondere zur Sicherung des Friedens eingeschätzt. Besonders gewürdigt wird die Leistung der SED in Vorbereitung auf die Konferenz.
Aus diesem Kreis kommen gleichfalls erste Meinungsäußerungen zur Eröffnungsrede des Generalsekretärs des ZK der SED, Genossen Erich Honecker,2 die als sehr verständlich, real und gegenwartsbezogen eingeschätzt wird und überzeugend die Lebenskraft und Aktualität der Ideen von Marx3 am Beispiel der Entwicklung der DDR demonstriere.4 Weiter wird hervorgehoben, es sei überzeugend dargelegt worden, dass die Erhaltung des Friedens und die Abwendung eines Kernwaffenkrieges derzeit die wichtigste Aufgabe wäre, an der international alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte unabhängig von ihrem politischen Standpunkt mitwirken müssten. Es bleibe zu hoffen, dass die Vertreter insbesondere sozialdemokratischer Parteien bzw. der nationalen Befreiungsbewegung an der Konferenz in diesen wichtigen Fragen mit der kommunistischen Bewegung zu gemeinsamen Aktionen fänden und antikommunistische Vorurteile fallen ließen.
Aus diesen Gründen käme der Konferenz in der gegenwärtigen angespannten internationalen Klassenkampfsituation eine hohe Bedeutung zu. Es wird allgemein erwartet, dass von der Konferenz wichtige und konkrete neue Impulse und Initiativen für die Stärkung des Kampfes um Frieden und Abrüstung ausgehen, die gleichzeitig die Friedensbewegung in der Welt weiter zusammenschließen lassen. Unabhängig von dieser überwiegend zuversichtlichen Haltung der Mehrheit der Bevölkerung der DDR hinsichtlich der weltweiten politischen Bedeutung der Konferenz herrschen im Stimmungsbild Unklarheiten und Fragen zu den Zielen, zur Bedeutung und zu möglichen konkreten Ergebnissen der Konferenz vor. In diesem Zusammenhang wird vielfach auf die nicht genügende, undifferenzierte und zu späte Popularisierung, Informierung und Öffentlichkeitsarbeit in der Vorbereitungsphase der Konferenz – vor allem auf unterer Ebene – hingewiesen. Daraus resultieren teilweise Reaktionen, die Enttäuschung über die Entsendung »weniger profilierter Delegierter« zur Konferenz erkennen lassen. Allgemein wurden repräsentativere Delegationen, vor allem aus den sozialistischen Nachbarstaaten, erwartet, die der Konferenz den Charakter eines »Gipfeltreffens« geben sollten. Erstaunen löste die Zusammensetzung der Delegation der KPdSU aus, deren Mitglieder der Bevölkerung der DDR überwiegend bisher unbekannt waren.5
Anknüpfend an derartige Fakten und Feststellungen kam es vereinzelt zu Meinungsäußerungen, wie
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die Nichtteilnahme führender Repräsentanten der sozialistischen Staaten schmälere die internationale Rolle der Konferenz und
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die Konferenz habe nicht die Bedeutung, wie dies von den Massenmedien der DDR dargestellt werde.
Aus fast allen Bezirken der DDR liegen Informationen darüber vor, dass in Meinungsäußerungen auf den hohen materiellen und personellen Aufwand zur Sicherstellung der Konferenz verwiesen wird, der angeblich in keinem Verhältnis zum erkennbaren Nutzen stehe und eine unnötige und teilweise nicht zu verantwortende Belastung der ökonomischen Situation der DDR darstelle.
Sehr vereinzelt wurden bisher abwertende Meinungen zur Konferenz bekannt. Sie beziehen sich vorwiegend auf die mit dem Empfang der ausländischen Delegationen zur Konferenz begonnene intensive Berichterstattung in den Massenmedien der DDR. So wird wiederholt die Meinung geäußert, dass man gegenwärtig in den Medien der DDR mit Marx übersättigt werde und sich deshalb auf den Empfang von Sendungen westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen umstellen müsse. Als feindlich-negativ bekannte Kräfte zeigen bisher überwiegend eine abwartende Haltung und sind in ihrer Meinungsäußerung zurückhaltend.
Intellektuelle, jugendliche und studentische Kreise bekunden zunehmend Interesse am weiteren Verlauf der Konferenz sowie an Veröffentlichungen aller von den Tagungsteilnehmern gehaltenen Beiträge,6 vor allem der Beiträge von Vertretern sozialistischer und sozialdemokratischer Parteien, der IKP, der FKP, der Rumänischen Kommunistischen Partei und des BdKJ.