Reaktion der Bevölkerung auf wissenschaftliche Konferenz, (2. Bericht)
13. April 1983
Hinweise über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Internationale Wissenschaftliche Konferenz des Zentralkomitees der SED »Karl Marx und unsere Zeit – der Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt« (2. Bericht) [O/115a]
Vorliegenden Hinweisen zufolge nimmt die Internationale Wissenschaftliche Konferenz des ZK der SED1 im Stimmungsbild noch keine vorherrschende Stellung ein; es ist jedoch seit den ersten Veröffentlichungen ein verstärktes Interesse von Personen aus den unterschiedlichsten Schichten der Bevölkerung über Inhalt und Verlauf der Konferenz festzustellen.
Überwiegend wird in den Meinungsäußerungen die große Bedeutung der Konferenz im Rahmen des Karl-Marx-Jahres2 hervorgehoben. In den verschiedensten Diskussionen wird das Zustandekommen der Konferenz und die hohe Beteiligung der Delegationen von kommunistischen und Arbeiterparteien, nationalrevolutionären und nationaldemokratischen Parteien, Befreiungsbewegungen, sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien als Erfolg der SED und Zeichen für die hohe internationale Wertschätzung der DDR angesehen.3
Im Interesse der Sicherung des Friedens wird eine nachhaltige internationale Wirkung der Konferenz erwartet, wobei verschiedentlich mit einer gemeinsamen Abschlusserklärung bzw. einem »Aufruf an die Welt zur Sicherung des Friedens« gerechnet wird.
Die Eröffnungsrede des Generalsekretärs des ZK der SED,4 Genossen Erich Honecker,5 habe die Lebenskraft des Marxismus und die tiefe Sorge der sozialistischen Staatengemeinschaft für die Erhaltung des Friedens deutlich gemacht, wobei an die Formulierung »ob in Moskau oder Peking«6 anknüpfend wiederholt die Frage nach den Gründen der Nichtteilnahme einer Delegation der KP Chinas gestellt wurde.
Unter Bezugnahme auf Reden von Konferenzteilnehmern am ersten Beratungstag wurde überwiegend hervorgehoben, dass die Beiträge der Vertreter sozialistischer Staaten7 ihre abgestimmte Politik verdeutlicht hätten. Auf Zustimmung und Genugtuung stieß die einmütige Verurteilung der Hochrüstungs- und Konfrontationspolitik der USA.8
Des Weiteren wurde es begrüßt, dass die einzelnen Delegationen offen ihre Meinung darlegen können. Ansprachen von Konferenzteilnehmern aus kapitalistischen Staaten werden häufig unter dem Aspekt der Herausfindung von Angriffen gegen die Position der sozialistischen Länder gelesen bzw. verfolgt. In diesem Zusammenhang wurde wiederholt die Frage gestellt, was unter dem von den Vertretern der KP Österreichs und Frankreichs genannten Sozialismus zu verstehen ist.
Weiter vorliegenden Hinweisen zufolge wurden im geringen Umfang negative und abwertende Meinungen aus unterschiedlichen Schichten der Bevölkerung bekannt, wie
- –
in der DDR würde die Marx-Ehrung aufgebauscht und übertrieben;
- –
die für die Ausrichtung der Konferenz erforderlichen Mittel sollten besser für die Lösung ökonomischer Probleme bzw. für die Versorgung der Bevölkerung ausgegeben werden;
- –
die Maßnahmen zur Gewährleistung einer hohen Ordnung und Sicherheit während der Zeit der Konferenz wären übersteigert;
- –
wenn die KPdSU zu einer Lenin-Konferenz eingeladen hätte, müssten die »Spitzen« anreisen, aber Berlin habe keinen politischen Stellenwert.
Darüber hinaus wurde intern die Auffassung von Stephan Hermlin9 bekannt, dass für ihn die Konferenz nur in der Frage vordergründig von Bedeutung sei, dass hier trotz der Vielfalt unterschiedlicher Auffassungen zur Frage der Erhaltung des Friedens gesprochen und ein gemeinsamer Standpunkt gefunden werde. Das könne eventuell auch für die 2. Berliner Begegnung10 von Bedeutung sein, mit deren Vorbereitung er sich gegenwärtig intensiv befasse.