Reaktion der Bevölkerung auf wissenschaftliche Konferenz, (3. Bericht)
14. April 1983
Hinweise über die Reaktion der Bevölkerung der DDR auf die Internationale Wissenschaftliche Konferenz des Zentralkomitees der SED »Karl Marx und unsere Zeit – der Kampf um Frieden und sozialen Fortschritt« (3. Bericht) [O/115a]
Vorliegenden Hinweisen zufolge nehmen die Diskussionen und Meinungsäußerungen über die Internationale Wissenschaftliche Konferenz des ZK der SED1 zu, wobei besonders politisch engagierte Werktätige, Leitungskader und insbesondere Mitglieder unserer Partei die vielfältigen Möglichkeiten (Massenmedien) nutzen, um sich umfassend mit dem Verlauf und Inhalt der Konferenz vertraut zu machen.
Demgegenüber überwiegt unter anderen Schichten der Bevölkerung (Arbeiter, Genossenschaftsbauern, Jugendliche) nach wie vor noch ein bestimmtes Desinteresse, das unterschiedlich – überwiegend jedoch nicht politisch-negativ motiviert ist. Kennzeichnend dafür sind u. a. solche Meinungen, dass man mit den Alltagsproblemen völlig ausgelastet sei und es vordergründig darauf ankomme, die Lehren von Karl Marx2 in der täglichen Arbeit – der Erfüllung der Planaufgaben – umzusetzen.
Mehrfach wurden Beispiele dafür bekannt, dass den Erscheinungen von Desinteresse durch mangelnde Initiativen von Leitungskadern und Funktionären gesellschaftlicher Organisationen in Betrieben und Einrichtungen zur Auswertung dieser Konferenz Vorschub geleistet wurde.
Unverändert überwiegen in den Meinungsäußerungen zur Konferenz positive Bewertungen. Als wesentlichste Aussagen kristallisierten sich heraus: Darstellung der Konferenz als Höhepunkt der Karl-Marx-Ehrung, wichtiger Beitrag zur Erhaltung des Friedens, Demonstration einer einheitlichen Kampffront aller Friedenskräfte, Bekundung des Vertrauens und der politischen Achtung gegenüber der SED, Ausdruck für das hohe Ansehen und die Wertschätzung unserer Partei und der DDR in der Welt. Vielfach kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass die Konferenz ein Meilenstein in der weiteren Entwicklung der kommunistischen und Arbeiterparteien, der Stärkung und Festigung der Front der Kräfte sein wird, die imstande sind, einer nuklearen Katastrophe Einhalt zu gebieten.
Wie in den Vortagen nimmt insbesondere die Eröffnungsrede des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR,3 Genosse Erich Honecker,4 im Stimmungsbild einen hohen Stellenwert ein. In dieser Rede sei es überzeugend gelungen, die marxistische Lehre mit den praktischen Aufgaben unserer Gegenwart und der voraussehbaren Zukunft zu verbinden. Marx sei so ausgewertet worden, wie er stets sein wollte: praxisverbunden.
Unter Bezugnahme auf die bisherigen Beiträge der ausländischen Gäste wird hervorgehoben, dass die Konferenz zwar Möglichkeiten und Grenzen des Dialoges zeige, es aber ein bedeutender Fortschritt und Erfolg sei, dass zum ersten Male seit langer Zeit linke Parteien und Sozialdemokraten sowie andere fortschrittliche Organisationen – Vertreter aller drei revolutionären Hauptströme der Gegenwart5 – zusammengekommen seien, um Marx nicht nur zu ehren und zu würdigen, sondern im Sinne seiner Lehren die aktuellen Aufgaben, insbesondere im Kampf um die Erhaltung des Friedens und den sozialen Fortschritt, erfolgreich zu lösen.
Mit besonderem Interesse und hoher Wertschätzung wurden u. a. die Beiträge des Genossen Gus Hall6 von der KP der USA,7 des Vertreters der KP Israels8 sowie von Vertretern aus Entwicklungsländern aufgenommen, die einerseits ein überwiegend klares Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus ablegten, aber auch auf ihre Probleme und Schwierigkeiten aufmerksam machten.
Im Zusammenhang mit den im geringen Umfang aufgetretenen negativen und abwertenden Meinungsäußerungen gibt es gegenüber den vorangegangenen Tagen keine wesentlichen Veränderungen. Derartige Reaktionen traten insbesondere dort auf, wo über das Anliegen und das Ziel dieser Konferenz keine Klarheit geschaffen wurde, wobei sich in den Meinungsäußerungen zunehmend Argumente widerspiegeln, die von gegnerischen Massenmedien verbreitet wurden (vordergründig Abwertungen im Zusammenhang mit der Zusammensetzung der Delegationen, z. B. »3. Garnitur«, nicht einmal aus sozialistischen Staaten seien die »Chefideologen« anwesend u. a.).9 In Einzelfällen wurden u. a. auch solche Meinungen vertreten wie
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es ist eine Konferenz der Empfehlungen, es werden nur theoretische Fragen behandelt;
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jede Partei vertrete ihre Auffassung, wird aber die bisherige Politik fortsetzen;
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die Konferenz könne unterschiedliche Auffassungen über die Lehren von Marx nicht abbauen.
Anhaltend sind Äußerungen von Unverständnis über die Nichtteilnahme der KP Chinas, wobei stets darauf verwiesen wird, dass sich die Beziehungen zwischen der VR China und der Sowjetunion sowie den anderen sozialistischen Staaten doch in jüngster Zeit verbessert hätten.
Zugenommen haben – vordergründig unter Teilen der Berliner Bevölkerung – Äußerungen im Zusammenhang mit dem Projekt des »Karl-Marx-Forums«.10 Trotz Betonung der Wertschätzung für dessen Errichtung häufen sich kritische Äußerungen über die inhaltliche Aussage und künstlerische Gestaltung des Forums, vor allem des Marx-Engels-Monumentes, wobei insbesondere höhere Ansprüche an eine würdige Darstellung des Wirkens von Marx und Engels11 gestellt werden.
Die in OV12 bearbeiteten bzw. unter OPK13 stehenden feindlich-negativen Kräfte zeigen nach wie vor eine überwiegend passive bzw. abwartende Haltung zur Konferenz.