Reaktionen katholischer Würdenträger
2. Februar 1983
Information Nr. 53/83 über erste Reaktionen leitender katholischer Würdenträger auf ein Gespräch des Staatssekretärs für Kirchenfragen der DDR mit Bischof Meisner und zu Aktivitäten der katholischen Kirche im Zusammenhang mit einem Festgottesdienst am 12. Februar 1983 anlässlich der Ernennung Meisners zum Kardinal
Im Zusammenhang mit der Reise des Berliner Bischofs Meisner1 nach Rom anlässlich seiner Ernennung zum Kardinal sowie weiterer interessierender Probleme, bezogen auf das Verhältnis Staat – katholische Kirche, fand auf Initiative des Staatssekretärs für Kirchenfragen der DDR, Genossen Gysi,2 am 20. Januar 1983 ein Gespräch mit Bischof Meisner statt.
Wie dem MfS streng intern bekannt wurde, erfolgte unmittelbar nach diesem Gespräch eine Beratung zwischen Bischof Meisner und leitenden Würdenträgern der katholischen Kirche des Bistums Berlin.
Bischof Meisner – sichtlich erregt und beeindruckt vom Gespräch mit dem Genossen Gysi – äußerte mehrfach, dass diese Unterredung »starker Tobak« war und bewertete sie als einen »Schuss vor den Bug«, der vor allem ihm gelte und seine Grenzen als Kardinal abstecken würde. Die staatlichen Vertreter hätten – bezogen auf das Verhältnis Staat – katholische Kirche – eine andere Meinung als er. Dies sei der Grund, weshalb der Staatssekretär für Kirchenfragen so mit ihm hätte reden müssen.
An der Beratung teilnehmende katholische Würdenträger warfen Bischof Meisner vor, dass er zu oft ihren gut gemeinten Rat in den Wind schlage und Maßnahmen treffe – z. B. die Einladung der Bischöfe aus der BRD zum 12. Februar 1983 –, die eine Zusammenarbeit mit den entsprechenden staatlichen Stellen erschweren und die Praxis unberechenbar gestalten. Die katholische Kirche müsste wieder zu den bisherigen, bewährten Positionen im Verhältnis Staat und katholische Kirche kommen.
Zu diesen Vorhalten nahm Meisner nicht Stellung.
Wie dem MfS weiter streng intern bekannt wurde, informierten Anwesende an dieser Beratung mit Bischof Meisner im internen Kreis des katholischen Klerus – Bistum Berlin – über das Gespräch des Staatssekretärs mit Bischof Meisner und drückten auch hier ihre Sorge über mögliche Reaktionen von Bischof Meisner aus.
Meisner würde ihren Auffassungen nach aufgrund der strikten und eindrucksvollen Darlegungen die aufgeworfenen Probleme als ernst beurteilen, gehe jedoch an die Beurteilung der Gesamtsituation nicht genügend verantwortungsbewusst heran. Die vom Staat gewährten Erleichterungen bei Reisen, die Genehmigung zur Einfuhr der Vatikanischen Wochenzeitung usw. werden von Meisner als Selbstverständlichkeiten, aber nicht als Gesten seitens des Staates gegenüber der katholischen Kirche gewertet.
Hinzu käme ein bestimmtes Geltungsbedürfnis von Meisner, das u. a. in einer solchen Äußerung von ihm zum Ausdruck komme, wie »Wenn ich erst einmal Kardinal bin, dann sollen die mal sehen, dann haben die mir mehr Respekt entgegenzubringen«.
Es wurde die Befürchtung ausgedrückt, dass Bischof Meisners Tätigkeit das mühsam aufgebaute Wirken der katholischen Kirche in der DDR gefährde und zu ernsten Belastungen des Verhältnisses Staat – katholische Kirche führen könne. Es sei nur zu hoffen, dass die prinzipiellen Gespräche des Staatssekretärs mit Meisner baldmöglichst kontinuierlich fortgesetzt werden, da Meisner sich derzeit noch uneinsichtig zeige und es eines längeren Prozesses der Beeinflussung bedürfe.
Es wurde die Absicht erklärt, nach der Rückkehr Meisners aus Rom auf der Grundlage des Protokolls über das Gespräch des Staatssekretärs mit ihm eine prinzipielle Auswertung anzustreben.
Weiter wurde im internen Kreis des katholischen Klerus – Bistum Berlin – über die Vorbereitungen zum Festgottesdienst am 12. Februar 1983, in der Zeit von 10.00 bis 12.00 Uhr in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale, dem ersten Gottesdienst mit Meisner als Kardinal, informiert.
Am Gottesdienst werden vor allem die Geistlichen und katholischen Laien aus dem Berliner Bistum sowie katholische Bischöfe, Pfarrer und Laien aus den anderen Amtsbereichen der katholischen Kirche in der DDR teilnehmen. Eingeladen wurden bzw. werden weiterhin Vertreter des Staatsapparates der DDR, ökumenische Gäste, Geistliche und andere Personen aus Westberlin, der BRD sowie aus weiteren nichtsozialistischen Staaten (Aufstellung der eingeladenen Gäste als Anlage).
Interesse an der Teilnahme haben auch der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR und die Botschafter Frankreichs und Italiens in der DDR bekundet.
Im Anschluss an den Gottesdienst wird im Bernhard-Lichtenberg-Haus,3 Französische Straße 34, für die staatlichen und ökumenischen Gäste aus der DDR ein kurzer Empfang durchgeführt.
Für die beim Gottesdienst anwesenden persönlichen und kirchlichen Gäste wird Bischof Meisner gegen 13.00 Uhr ein Essen im Palasthotel geben.
Die Leitung der katholischen Kirche hat sich an die zuständigen staatlichen Organe gewandt und um Unterstützung bei der Durchführung des Festgottesdienstes gebeten. Das betrifft die Möglichkeit der Beschallung außerhalb der St.-Hedwigs-Kathedrale, die Schaffung von Parkplätzen auf dem Bebelplatz und die Tätigkeit von Regulierungsposten sowie die bevorzugte Abfertigung der einreisenden Gäste an den Grenzübergangsstellen.
An den Staatssekretär für Kirchenfragen soll die Bitte vorgetragen werden, den kirchlichen Gästen aus den nichtsozialistischen Staaten und Westberlin den Mindestumtausch zu erlassen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 53/83
Aufstellung von Gästen zum Festgottesdienst am 12. Februar 1983 in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale
DDR
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Staatssekretär für Kirchenfragen der DDR
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Vertreter des Magistrats von Berlin, Hauptstadt der DDR
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Exarch für Berlin und Mitteleuropa der Russisch-Orthodoxen Kirche, Erzbischof Melchisedek4
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Bischof Dr. Dr. Hempel,5 als Vorsitzender des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR
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Bischof Dr. Forck,6 als Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg
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Kirchenpräsident Natho,7 Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der DDR
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Kirchenpräsident Dr. Rogge,8 Evangelische Kirche der Union
Dr. Kirchner,9 Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde von Berlin
Westberlin
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von Weizsäcker,10 Regierender Bürgermeister
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Rebsch, Peter,11 Präsident des Abgeordnetenhauses
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Stadtkommandanten der USA, Englands und Frankreichs
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Bischof Dr. Kruse12
Im Auftrag von Bischof Meisner wurden am 17. Januar 1983 durch Generalvikar Tobei,13 Westberlin, darüber hinaus eingeladen:
Aus der BRD
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Kardinal Joseph Höffner,14 Köln
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Erzbischof Dr. Friedrich Wetter,15 München
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Erzbischof Dr. Oskar Saier,16 Freiburg
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Bischof Dr. Reinhard Lettmann,17 Münster
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Bischof Heinrich Maria Janssen,18 Hildesheim
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Bischof Dr. Eduard Schick,19 Fulda
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Weihbischof Dr. Klaus Dick,20 Köln
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Weihbischof Dr. Hubert Luthe,21 Köln
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Weihbischof Dr. Klaus Hemmerle,22 Aachen
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Weihbischof Dr. Friedrich Maria Rintelen,23 Paderborn
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Prälat Kötter,24 Paderborn
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Prälat Hohmeyer,25 Bonn
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Prälat Hüssler,26 Freiburg
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Monsignore Böttcher27
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Prof. Dr. Winfried Schulz,28 Paderborn
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Prof. Dr. Wilhelm Nyssen,29 Köln
Aus Österreich
Aus Finnland
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Bischof Verschuren,33 Helsinki