Superintendent Magirius, Christoph
29. Juli 1983
Information Nr. 261/83 über Superintendent Magirius, Christoph (46), [Bezirk] Karl-Marx-Stadt
Vorliegenden Hinweisen zufolge trat Superintendent Magirius1 (Karl-Marx-Stadt), dessen feindlich-negative Grundeinstellung zur Politik der DDR dem MfS hinlänglich bekannt ist, während des Kirchentages der Evangelischen Landeskirche Greifswalds und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs in Rostock (10.6.–12.6.1983) in massiver Form mit gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung gerichteten Auffassungen in Erscheinung.
So führte Magirius in öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen des Kirchentages u. a. aus, die Kirche könne zur Gewinnung der Christen wenig Mittel einsetzen, aber ihre Versammlungen seien anziehend und ständen vor allem den Jugendlichen offen.
In einem Referat zum Thema »Macht und Machtlosigkeit« sowie in weiteren Ansprachen wandte sich Magirius gegen den Wehrunterricht und die Wehrerziehung,2 die Freundschaft DDR – UdSSR, die Sicherheitspolitik und die Informationspolitik der DDR. Er hob hervor, zwischen »Mächtigen und den Einwohnern des Landes« bestünde kein Vertrauen und stellte die Friedenspolitik der DDR infrage. In diesem Zusammenhang identifizierte er sich mit den vom Regierenden Bürgermeister Westberlins, von Weizsäcker,3 unterbreiteten »Abrüstungsvorschlägen«.4 Wiederholt verwendete Magirius Formulierungen aus dem westlichen Sprachgebrauch.
Der Oberbürgermeister von Karl-Marx-Stadt, Genosse Müller,5 führte am 29.6.1983 eine Aussprache mit Magirius, in der er dessen Verhalten und Auftreten während des Kirchentages in Rostock energisch zurückwies. Magirius versuchte in diesem Gespräch sein Auftreten zu rechtfertigen und zeigte sich gegenüber den Vorhaltungen uneinsichtig.
Der Stellvertreter für Inneres des Rates des Bezirkes Karl-Marx-Stadt, Genosse Hoyer,6 missbilligte in einem Gespräch, das er am 5.7.1983 mit dem Präsidenten des Landeskirchenamtes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Domsch,7 führte, eindeutig und unmissverständlich die Haltung des Magirius und forderte die Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens auf, stärkeren Einfluss auf Magirius auszuüben und ihn zu disziplinieren. Domsch äußerte in diesem Gespräch, dass er das Auftreten des Magirius nicht billige und sicherte zu, mit diesem im Ergebnis der Unterredung ein innerkirchliches Gespräch zum Zwecke der Disziplinierung zu führen.8
Zur Person des Magirius ist dem MfS u. a. bekannt:
Superintendent Magirius wurde als 3. Sohn einer Pfarrersfamilie geboren. Er ist verheiratet mit [Name 1, Vorname 1], geb. [Name 2]. Aus der Ehe gingen drei Kinder (21, 18, 12) hervor.
Der älteste Bruder des Magirius, (53),9 ist Leiter der Geschäftsstelle der »Aktion Sühnezeichen« beim Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR.10
Die zwei weiteren Brüder des Magirius, [Vorname 2 Name 1] (48) und [Vorname 3 Name 1] (44), sind in der BRD wohnhaft und in technischen Berufen tätig.
Persönliche Entwicklung
Magirius studierte bis 1961 Theologie und war bis 1962 am Predigerseminar in Lückendorf sowie bis 1972 als Pfarrer in Rückmarsdorf tätig. Von 1972 bis 1979 war er Studentenpfarrer in Leipzig und seit 1979 fungiert er als Superintendent des Kirchenbezirkes Karl-Marx-Stadt I.
Politische Einstellung
Superintendent Magirius wird als einer der reaktionärsten Vertreter der Landeskirche Sachsens eingeschätzt. Bereits während seiner Tätigkeit als Studentenpfarrer unterhielt er Verbindung zu politisch-feindlichen und oppositionellen Kräften, mit denen er sich solidarisierte und denen er jegliche Unterstützung zuteilwerden ließ. M. beschäftigte sich intensiv mit staatsfeindlicher Literatur wie »Charta 77«11 u. a., mit deren Inhalt er sich voll identifizierte. Die konterrevolutionären Ereignisse in der VR Polen verfolgte M. mit Sympathie.12
Magirius hatte Kenntnis, wer der Täter des Terroranschlages 1979 in Karl-Marx-Stadt war (Panzerdenkmal).13 M. deckte den Terroristen Kneifel14 und verzögerte die Aufklärung dieses Verbrechens. Nach der Verurteilung des Kneifel war M. nicht bereit, sich von diesem eindeutig zu distanzieren. Er ließ der Ehefrau des Kneifel jegliche Unterstützung zukommen.
Magirius greift offen und verdeckt die Grundlagen des sozialistischen Staates und der Gesellschaftsordnung in der DDR sowie die Friedens- und Verteidigungspolitik der sozialistischen Länder an. Folgende Äußerungen und Haltungen sind charakteristisch:
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Forderung nach »Entwaffnung und Entmachtung« der Arbeiter-und-Bauern-Macht der DDR, der Sowjetunion und der Staaten des Warschauer Vertrages während des Kirchentages am 13.6.1983 in Rostock;
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Propagierung der Nichtanerkennung der staatlichen Macht des Arbeiter-und-Bauern-Staates und der Hoffnung auf »andere Machtverhältnisse« in der DDR;
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Verfälschung der Gespräche von Vertretern staatlicher Organe und kirchlicher Amtspersonen im Zusammenhang mit der Durchführung des Pfingstreffens der FDJ und des Komsomol 1980 in Karl-Marx-Stadt;15
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Nichteinhaltung seiner Zusagen gegenüber dem Staatsapparat zur Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit bei kirchlichen Veranstaltungen (»Sommerfest 83«).
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