Synode Ev. Landeskirche BB
14. April 1983
Information Nr. 145/83 über die 5. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg vom 8. bis 12. April 1983 in Berlin
In der Zeit vom 8. bis 12. April 1983 fand in der Stephanus-Stiftung, Berlin-Weißensee, die 5. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg statt, an der 116 von insgesamt 125 Synodalen teilnahmen.
Zu den ausländischen ökumenischen Gästen gehörten:
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Erzbischof Melchisedek1, Exarch der Russisch-Orthodoxen Kirche
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Präses Reihlen, Helmut2 – Berlin (West), Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg – Berlin (West)
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Oberkirchenrat Stephan3 – Wuppertal (BRD), Evangelische Kirche im Rheinland
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Gemeindediakonin Übelacker4 – Baden-Baden (BRD), Evangelische Landeskirche in Baden
Als Vertreter westlicher Massenmedien nahmen zeitweilig die BRD-Journalisten Röder5 (epd) und Jennerjahn6 (dpa) an der Synodaltagung teil. Röder fertigte während der Tagung Tonbandaufzeichnungen an.
Im Mittelpunkt der Frühjahrstagung der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg standen
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der Bericht der Kirchenleitung,
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der Bericht des Diakonischen Werkes (– Innere Mission und Hilfswerk –),
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ein Vortrag von Bischof Dr. Forck,7
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Antworten der Kirchenleitung auf Anfragen.
Präses Becker8/Berlin eröffnete die Synode und hielt eine Ansprache zum Gedenken an die Synodaltagung der Deutschen Christen im Jahre 1933.9 Unter Bezugnahme auf dort gehaltene Reden stellte Präses Becker besonders heraus, dass sich die Kirche im Jahre 1933 völlig dem Staat untergeordnet habe. Er forderte in diesem Zusammenhang die Synodalen auf, aus der Geschichte jenes »fatalen Ausschnittes brandenburgischer Kirchengeschichte« zu lernen und die heute zu fassenden Entscheidungen allein aus der Botschaft Christi zu prüfen. Abschließend verwies er darauf, dass das Jahr 1984 als Jahr der 50. Wiederkehr der Gründung der »Bekennenden Kirche«10 begangen werden sollte.
Den Synodalen lag Teil I des Kirchenleitungsberichtes schriftlich vor. Er beschäftigte sich mit der Tätigkeit der Kirchenleitung und Personalfragen.
Der durch den Generalsuperintendenten Schuppan11/Eberswalde verlesene Teil II des Kirchenleitungsberichtes beinhaltete die »Friedensverantwortung der Kirche«.
Darin unterstützt die Kirchenleitung »manche friedensfördernde Aussagen der Politischen Deklaration der Warschauer Vertragsstaaten«12 sowie Aussagen der Weltkonferenz religiöser Friedenskräfte im Mai 1982 in Moskau13 und bekräftigt, dass »unser Zeugnis über den Frieden in konstruktiver Zusammenarbeit mit allen Friedenswilligen und in eigener Verantwortung besteht«.
Weiter heißt es im Bericht:
»Wenn sie (die Kirche) sich also in der Friedensfrage zu Wort meldet, muss sie darauf achten, dass ihr Zeugnis politisch verantwortbar und einsichtig, also ›politikfähig‹ ist. Das braucht aber nicht in jedem Falle die bloße Zustimmung zu bereits vorliegenden Vorschlägen oder Aktivitäten zu bedeuten … Kein Krieg kann künftig der Sache des Friedens noch dienen, kein Kriegsziel noch den Einsatz von Gewalt rechtfertigen. Auch die Verteidigung des Sozialismus kann nur im Frieden gelingen.
Die Bergpredigt erweist gerade in dieser kritischen Situation ihre ›Politikfähigkeit‹. Dem Gebot der Feindesliebe, der Absage an das Vergeltungsprinzip, wohnt mehr politische Rationalität inne, als wir es früher wahrhaben wollten. Auch das Segenswort über die Friedensmacher (Matth. 5,9)14 wird von uns als Absage an einen bewaffneten Frieden verstanden.«
Im Bericht der Kirchenleitung wurden erneut die bekannten negativen Standpunkte im Zusammenhang mit den Fragen der sozialistischen Wehrerziehung, des Wehrdienstes mit der Waffe und des Reservistenwehrdienstes zum Ausdruck gebracht.15
So wurde u. a. darauf verwiesen, dass »für nicht wenige christliche Eltern und ihre Kinder die vormilitärische Ausbildung eine Herausforderung darstellt. Das Gespräch in den Familien über die Friedensverantwortung der Christen führt immer wieder zur Ablehnung des Wehrkundeunterrichtes. Die Kirche hat die Pflicht, auch in diesen Fällen Benachteiligungen von Schülern entgegenzutreten, um sicherzustellen, dass eine solche Entscheidung so anerkannt wird, wie die für einen Dienst ohne Waffe beim Grundwehrdienst.«
Ausführlich wurde im Bericht auf Probleme im Zusammenhang mit dem Wehrdienstgesetz eingegangen.16 Unter Bezugnahme auf das Gespräch des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Gen. Gysi,17 am 10. Januar 1983 mit dem Vorstand der Konferenz der Kirchenleitungen wird eingeschätzt, dass dabei zwar »verschiedene Besorgnisse ausgeräumt werden konnten«, indem festgestellt wurde, dass der Dienst in den Baueinheiten18 der Ableistung des Wehrdienstes entspreche. Dennoch kam es »entgegen dieser Erklärung dann doch zu Fällen von Verurteilung solcher Wehrpflichtiger, die darauf bestanden, zu den Baueinheiten einberufen zu werden. Inzwischen wurde die Mehrzahl dieser Verurteilungen aufgehoben; die Betroffenen wurden zu Baueinheiten überführt.«
Erneut wurde die Problematik »der Entlassung von Wehrdienstpflichtigen aus dem Fahneneid« aufgeworfen. Dazu heißt es im Bericht der Kirchenleitung:
»Für viele Wehrpflichtige kommt es aufgrund ihrer christlichen Überzeugung zu Gewissenskonflikten, wenn sie nach der Ableistung des Grundwehrdienstes zu der Überzeugung gelangen, keinen Waffendienst mehr leisten zu können. Da sie bereits vereidigt sind, wird ihnen der Dienst in den Baueinheiten nicht ermöglicht. So bleibt für sie im Falle der Einberufung zum Reservistendienst nur die Verurteilung wegen Wehrdienstverweigerung oder wegen Nichtbefolgung des Einberufungsbefehles.
Einige Wehrpflichtige sind aus Gewissens- oder Glaubensgründen auch nicht bereit, Dienst bei den Baueinheiten zu leisten. Die Kirche weiß sich für diese Wehrdienstverweigerer in besonderer Weise verantwortlich; denn sie erkennt in ihrem Verhalten einen deutlichen Dienst für den Frieden. Durch seelsorgerliche Beratung und juristische Begleitung steht sie ihnen zur Seite.
Die Kirche weiß sich aber auch für diejenigen Christen verantwortlich, die sich von ihrem Gewissen her in der Lage sehen, Waffendienst zu leisten. Vor allem muss vermieden werden, dass die pazifistische Option, wiewohl das ›deutlichere Zeichen‹ für den Frieden, in gesetzlicher oder selbstgerechter Weise zur Forderung für alle erhoben wird.«
Auf die Problematik des Tragens der Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen«19 eingehend, heißt es im Bericht:
»Die Regierung der DDR hat das Symbol ›Schwerter zu Pflugscharen‹ durch die Erteilung von Druckgenehmigungen für Plakate und Lesezeichen gleichsam legalisiert und es damit als Zeichen eigenständiger kirchlicher Friedensverantwortung anerkannt. Dass es danach zu einem Abklingen der Spannungen kam, ist sowohl der Kompromissbereitschaft der staatlichen Stellen wie der praktizierten Friedensgesinnung nicht weniger junger Gemeindemitglieder zu danken. Wir sehen in diesem Kompromiss ein ermutigendes Beispiel für Konfliktbewältigung, das auf andere Konfliktfelder übertragen zu werden verdient.«
Abschließend orientierte die Kirchenleitung darauf, dass kirchliche Mitarbeiter ihre »politischen Meinungsverschiedenheiten« nicht in den »Kommunikationsmedien oder in der Öffentlichkeit austragen« sollten.
Internen Hinweisen zufolge wurde der Bericht der Kirchenleitung mehrmals überarbeitet. Dabei gelang es insbesondere durch das Auftreten von Konsistorialpräsident Stolpe20/Potsdam, Generalsuperintendent Krusche21/Berlin, Pfarrer Günther22/Potsdam und Moderator Grüber23/Hohenbruch einige positive Aussagen zur Friedenspolitik der sozialistischen Staatengemeinschaft in den Bericht aufzunehmen. Politisch-negativ traten bei der Beratung des Berichtes besonders die Kirchenleitungsmitglieder Generalsuperintendent Schuppan/Eberswalde und die Synodale Frau Graewe24/Zernsdorf in Erscheinung, während sich Bischof Forck/Berlin und Propst Winter25 kompromissbereit verhielten.
Die Diskussionen zum Bericht der Kirchenleitung sowie die Anfragen an die Kirchenleitung wurden im Wesentlichen durch die aufgeworfenen Probleme im Teil II (»Friedensfragen«) bestimmt.
Der Synodale Prof. Dr. Fink26/Berlin schätzte ein, dass im Mittelpunkt der zurückliegenden kirchlichen Friedensaktionen und -veranstaltungen die Verhinderung der Stationierung der neuen amerikanischen Mittelstreckenraketen in Westeuropa stand.27 Er forderte die Kirchenleitung auf, Gesprächsmöglichkeiten mit leitenden kirchlichen Gremien der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (BRD) zu nutzen, um diese zu veranlassen, ihren Einfluss geltend zu machen, damit keine neuen Atomraketen in Westeuropa aufgestellt werden.
Prof. Fink begrüßte die schwedische Initiative zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa28 sowie die in diesem Zusammenhang von der Regierung der DDR bezogene positive Haltung.
Moderator Grüber unterstützte den von Prof. Dr. Fink unterbreiteten Vorschlag. Er sprach sich dafür aus, auch über die »Evangelische Kirche der Union« (EKU) an die »EKD« heranzutreten. Ausgehend von der großen Verantwortung beider deutscher Staaten für die Erhaltung des Friedens müssten nach Auffassung Grübers Wege gefunden werden, die für beide Seiten gangbar sind.
Präses Becker reagierte auf den Vorschlag des Prof. Dr. Fink mit dem Hinweis, dass gegenüber den kirchenleitenden Gremien in der BRD keine derartigen Forderungen erhoben werden könnten.
Die Synodalen Superintendent Barthel29/Perleberg, Dozent Dr. Henkys,30 Pfarrer von Essen/Berlin und Stadtjugendpfarrer Passauer31/Berlin waren in ihren Diskussionsbeiträgen und Anfragen zum Teil II des Kirchenleitungsberichtes bemüht, politisch-negative Akzente zu setzen.
Superintendent Barthel forderte, die Friedensdiskussion verstärkt mit ökologischen Problemen zu verknüpfen. Das Landeskulturgesetz32 sei Ausgangspunkt und Auftrag zum Handeln.
Im Gegensatz zur Darstellung im Kirchenleitungsbericht Teil II vertrat Stadtjugendpfarrer Passauer die Meinung, dass der Staat im Zusammenhang mit dem Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« keinen dauerhaften Kompromiss eingegangen sei, vielmehr bestätige die Praxis, dass staatlicherseits die vereinbarte Regelung ausschließlich auf den Zeitraum der Friedensdekade 1982 beschränkt wurde. Als »Beweis« für seine Behauptung führte er die Einziehung von Lesezeichen mit dem Aufdruck »Schwerter zu Pflugscharen« im Bereich der Volksbildung an. Aufgrund dieser Vorkommnisse seien Jugendliche auch jetzt noch beunruhigt.
Passauer bewertete die Wehrdienstverweigerung als deutlicheres Friedenszeichen und wünschte eine Verstärkung in dieser Hinsicht. Ausgehend von angeblichen Benachteiligungen im Rahmen der Berufsausbildung und aufgrund der Verweigerung der Teilnahme an der vormilitärischen Ausbildung forderte er die Kirchenleitung auf, im Gespräch mit staatlichen Stellen »diese Praxis zu unterbinden«.
Konsistorialpräsident Stolpe widersprach im Verlauf der Diskussion der Auffassung des Stadtjugendpfarrers hinsichtlich der Aufnäherproblematik. Er erklärte, dass der eingegangene Kompromiss einen Ausgleich darstelle und Vor- und Nachteile für beide Seiten mit sich bringe.
Stolpe charakterisierte das Symbol »Schwerter zu Pflugscharen« als »gutes Zeichen«, das auch im Rahmen der Friedensdekade 198333 wieder verwandt werden solle. Er betonte, dass dieses Symbol von beiden Seiten falsch verstanden worden sei und Verzerrungen in westlichen Massenmedien im Zusammenhang mit dem Tragen des Aufnähers »Schwerter zu Pflugscharen« auftraten. Stolpe hob hervor, westliche Massenmedien haben den Aufnäher zum Symbol der »unabhängigen Friedensbewegung« in der DDR hochstilisiert. Deshalb habe der Staat dieses Zeichen als ein Symbol für eine konterrevolutionäre Bewegung in der DDR angesehen. Er hob hervor, dass im Interesse der Menschen und im Sinne des Grundsatzgespräches vom 6.3.197834 zur Lösung offenstehender Fragen weitere Kompromisse eingegangen werden müssten. In diesem Zusammenhang verwies er darauf, dass es gegenwärtig in der DDR noch keine Möglichkeit der seelsorgerlichen Betreuung im Militärstrafvollzug gebe, jedoch sei es Bischof Forck ermöglicht worden, drei wegen Wehrdienstverweigerung Inhaftierte aus dem Bereich der Landeskirche zu besuchen.
Dr. Henkys (Sprachenkonvikt) begrüßte die im Bericht der Kirchenleitung übernommene »Friedensverantwortung« der Kirche. Er leitete daraus die Notwendigkeit ab, unterschiedliche Positionen bezüglich der Friedensproblematik sachlich miteinander zu diskutieren. Im Gegensatz zur Orientierung im Bericht der Kirchenleitung vertrat er die Meinung, diesbezügliche kontroverse Diskussionen auch in der Öffentlichkeit auszutragen.
Propst Winter/Berlin griff diese Meinung Henkys auf und unterstrich, dass kirchlichen Mitarbeitern durch die Kirchenleitung Meinungsäußerungen in Massenmedien nicht untersagt werden dürften, da man ihnen keinen »Maulkorb« umhängen wolle und auch nicht könne. Für den Fall, dass kirchliche Mitarbeiter sich in Massenmedien äußern, forderte er, derartige Beiträge ausdrücklich als persönliche Auffassung zu kennzeichnen.
Generalsuperintendent Krusche/Berlin charakterisierte das »eigenständige Friedenszeugnis« der Kirche als Selbstständigkeit ohne Bevormundung. Es bedeute aber auch Zusammenarbeit mit allen Personengruppen. »Politikfähigkeit« müsse bedeuten, dass das eigenständige Friedenszeugnis der Kirchen in politische Strategien überführbar sein muss. In diesem Sinne müsse man sich vor schwärmerischen Übertreibungen hüten.
Unter Hinweis auf die innerkirchliche Handreichung für Wehrpflichtige aus dem Jahre 196535 unterstrich Krusche, dass schon damals die Wehrdienstverweigerung als das deutlichere Friedenszeichen bewertet wurde. Die Kirchenleitung begrüße pazifistische Aktionen. Diese dürfen anderen aber nicht aufgezwungen werden.
Im Rahmen der Diskussion zum Bericht der Kirchenleitung wurde außerdem eine Reihe theologischer bzw. innerkirchlicher Probleme (Abendmahl, Tauffragen, Gebühren zur Bodennutzung und Pfarrerdienstgesetz36) zur Sprache gebracht.
Während der Synodaltagung konstituierten sich acht Arbeitsausschüsse. Im Arbeitsausschuss »Friedensfragen« bildeten Teil II des Berichtes der Kirchenleitung, die Diskussionsbeiträge im Plenum, Eingaben und Anträge sowie eine vom ständigen Ausschuss »Friedensfragen« erarbeitete Vorlage zur kirchlichen Friedensarbeit Schwerpunkte der Diskussion. Diese Vorlage beinhaltete vorgegebene Fragestellungen an den einzelnen Christen, wie er seine »Friedensverantwortung« wahrnimmt.
Da über den Inhalt dieser Vorlage keine Übereinstimmung erzielt werden konnte, wurde sie vom Arbeitsausschuss »Friedensfragen« nicht bestätigt. Stattdessen wurden ein »Brief an die Konferenz Europäischer Kirchen« (Anlage 1) und ein »Vorschlag zur Entspannung in Europa« (Anlage 2) erarbeitet und an das Plenum der Synode zur Beschlussfassung weitergeleitet. Im Zusammenhang mit der Diskussion zu diesen Materialien ist das Auftreten des Pfarrers Domrös37/Potsdam beachtenswert.
Er forderte nachdrücklich, die Hauptaufgabe des Friedensengagements auf die Verhinderung der Stationierung neuer amerikanischer Raketen in Westeuropa zu lenken und argumentierte, dass im Sozialismus niemand einen Vorteil aus der Rüstung ziehen könne, andererseits die Ursachen der Hochrüstung in den Profitbestrebungen des Westens zu suchen sind.38
Im Bericht des Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerk der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – wurde besonders auf die Arbeit mit Suchtgefährdeten und die steigende Zahl der besonders jugendlichen Ratsuchenden für »Lebensberatung und Sinnfindung« hingewiesen. Der Referent, Pfarrer Ziegler39/Berlin, sprach sich entschieden gegen die Einstellung solcher Personen in den Diakoniebereichen aus, die mit der Gesellschaft in Konflikt geraten sind.
Die Synodaltagung verabschiedete neben einer Vielzahl theologischer Beschlüsse (Abendmahlpraxis, Pfarrerdienstgesetz, Kollektenplan u. a.) folgende Dokumente:40
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Bericht der Kirchenleitung41
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Vortrag Bischof Forck42
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Jahresbericht des Diakonischen Werkes43
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»Brief an die Konferenz Europäischer Kirchen«44
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»Vorschlag zur Entspannung in Europa«.45
Die 6. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg soll vom 6. bis 10. April 1984 in Potsdam stattfinden.
Im Zusammenhang mit der Tagung der Synode hielt Bischof Forck am 9. April 1983 im Gemeindesaal der Pfingstkirche Berlin-Friedrichshain einen Vortrag vor ca. 300 Synodalen und Gemeindemitgliedern zum Thema »Die Gebote Gottes als Hilfen zum Leben«. Dieser Vortrag enthielt einige scharfe Angriffe gegen die Friedens-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der DDR.
So schlussfolgerte er unter Bezugnahme auf das 5. Gebot »Du sollst nicht töten«, dass »wir als Angehörige einer wohlhabenden Nation mitschuldig sind an dem Dahinvegetieren und dem Verhungern vieler Menschen in den Entwicklungsländern … Der Wahnsinn der immer stärkeren Rüstung in Ost und West hat sogar dazu geführt, dass die Armut in den Entwicklungsländern noch größer geworden ist«. Ferner erklärte er: »Experten sagen uns, dass die einseitige Abrüstung die Kriegsgefahr erhöhen könne. Aber ich weiß nicht, ob sie Recht haben.« Angesichts der wahnwitzigen Rüstung müsse heute sehr ernsthaft überlegt werden, ob ein Christ – auf welcher Seite auch immer – überhaupt noch Wehrdienst leisten könne. »Ich kann den Beschluss der Konferenz der Kirchenleitungen über die drei Möglichkeiten des Friedenseinsatzes – Wehrdienst mit Waffe, Bausoldat, totale Verweigerung des Wehrdienstes – nur mit einer gewissen Sorge anerkennen; mit der Sorge nämlich, dass für die Entscheidung nicht die Frage für den menschlich vielleicht leichtesten Weg maßgeblich sein möge, sondern die Verantwortung für die Erhaltung des Friedens.« So seien persönliche Vorteile – er nannte u. a. bessere Aussichten in der Berufsausbildung oder auf einen Studienplatz – nicht zu akzeptierende Motive zur Ableistung des Wehrdienstes.
Diese Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage 1 zur Information Nr. 145/83
[Brief der Berlin-Brandenburgischen Synode an die Konferenz Europäischer Kirchen]
Mit wachsender Sorge verfolgen Christen und Nichtchristen in der ganzen Welt den Rüstungswettlauf, die dadurch mit hervorgerufene Verschlechterung des internationalen Klimas und das bedrohliche Anwachsen der Kriegsgefahr. Auch in unserem Lande wächst die Betroffenheit der Menschen, sodass die Friedensfrage in vielen Gemeinden und Gruppen unserer Kirche mit Leidenschaft und Eifer aufgegriffen wurde. Wir können die Friedensfrage nicht nur als eine Ermessungsfrage ansehen. Sie ist eine Herausforderung zum aktuellen Bekennen geworden. Deshalb bestimmte die Friedensverantwortung der Kirche in den letzten Jahren ständig die Tagesordnung unserer Kirchenleitung. Dementsprechend haben wir uns als Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg seit Jahren bei unseren ordentlichen Tagungen mit der Friedensthematik als einem der wesentlichsten Arbeitsthemen befasst.
Zwischen den Tagungen arbeitet sehr intensiv ein ständiger Friedensaustausch.
Wir wenden uns an Sie, liebe Schwestern und Brüder in dem Bewusstsein, dass der Friede Gottes, den Jesus verkündet, Grund, Herausforderung und Ermutigung christlicher Friedensverantwortung ist. So stellte es die Konferenz der Kirchenleitungen 1982 vor der Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR fest. Wir stehen im zentralen Europa gemeinsam im Dienst unseres Herrn Jesus Christus, sodass es uns möglich und nötig erscheint, sie und damit die Kirchen in den europäischen Staaten mit unserer Position in knappen Zügen bekanntzugeben:
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Wir sagen unser entschiedenes Nein zu Geist und Logik der Abschreckung. Wie die Entwicklung in den vergangenen Jahren zeigt, führt das System der gleichgewichtigen und gegenseitigen Abschreckung mit innerer Logik zu einer ständigen Verfeinerung der Waffensysteme, die heute einen Krieg auch zwischen den Großmächten und hochindustrialisierten Staaten wieder denkbar und kalkulierbar zu machen scheinen.
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Kein Ziel oder Wert kann heute die Auslösung eines Krieges rechtfertigen.
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Gerade im Jahre 1983 sagen wir unser entschiedenes Nein zu allen Arten von Massenvernichtungsmitteln, insbesondere zu allen Nuklear-Waffen.
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Wir unterstützen alle Versuche, die Waffenarsenale zu verringern, ein System der wechselseitigen Sicherheit zu entwickeln, die Frage der Sicherheit aus dem Bereich militärischer Planspiele in den Bereich politischer Lösungen zu überführen, durch vertrauensbildende Maßnahmen das politische Klima zwischen Großmächten zu verbessern, durch Schaffung atomwaffenfreier Zonen die akute Kriegsgefahr zu vermindern.
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Wir unterstützen unsere Gemeinden und Gemeindemitglieder im Gebet um den Frieden, in der Erziehung zum Frieden.
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Wir treten ein für junge Menschen, die als Zeichen des Friedens Waffen- oder Wehrdienst verweigern und begleiten sie auf ihrem Weg.
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Wir werden unsere Vertreter in der KEK beauftragen, unsere Positionen einzubringen.
Wir wünschen uns Gemeinschaft im Gebet zu Gott um den Frieden und um die rechte Erkenntnis, was jetzt zu tun ist, im Gebet um Bewahrung vor Misstrauen, um gerechtfertigtes Vertrauen sowie um Befreiung von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung.
gez. Becker | Präses der Synode | gez. Hafa46 | Vorsitzender
Anlage 2 zur Information Nr. 145/83
[Vorschlag des Tagungsausschusses Friedensfragen zur Entspannung in Europa]
8. Synode Berlin-Brandenburg | fünfte ordentliche Tagung | vom 8. bis 12. April 1983 | Tagungsausschuss Friedensfragen | Drucksache 134 | zu Ds. 4, 26 und Eingaben
Die Synode möge beschließen:
Die Synode hat teil an einer Beunruhigung von Christen und Nichtchristen in unserem Land und in unseren Nachbarstaaten über die zunehmende Gefährdung des Friedens in Europa.
Die Briefe und Eingaben aus unseren Gemeinden, die Erarbeitung des Ständigen Ausschusses Friedensfragen und die Gespräche mit den Gästen unserer Nachbarkirchen verstärken unsere Betroffenheit von der gemeinsam empfundenen Bedrohung durch die vorhandene und geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa.
Alle Betroffenheit findet ihren Ausdruck in der Angst vor den vorhandenen Pershing I und SS-20-Raketen, vor der 1983 zu erwartenden Stationierung von neuartigen Mittelstreckenraketen Pershing II und Cruise Missiles und vor der als Antwort darauf drohenden Weiterentwicklung neuer Waffensysteme auf beiden Seiten. In diesem Wettlauf gegenseitiger Bedrohung wird das Klima von Abschreckung und Bedrohung verschärft. Deshalb sprechen wir uns gegen die für 1983 angekündigte Aufstellung neuartiger Mittelstreckenraketen in Westeuropa aus.
Demgegenüber steht die Synode in dem Vorschlag der Regierung Schwedens zur Schaffung einer nuklearen Gefechtsfeldwaffen freien Zone in Mitteleuropa eine erstrangige vertrauens-bildende Maßnahme. Die Zustimmung der Regierung der DDR zu diesem Vorschlag begrüßten wir in der Hoffnung, dass es zur Verwirklichung dieses Schrittes kommt.
Trotz aller spürbaren Beunruhigung bittet die Synode alle, daran festzuhalten, Schritte zu gehen, die in persönlichen und gesellschaftlichen Bereichen Vertrauen bilden können und zurückzukehren zu einem Entspannungsprozess, wie er 1975 in Helsinki47 seinen besonderen Ausdruck gefunden hat.
gez. Hafa | Vorsitzender