Aktionen der DDR-Sicherheitsorgane vor der Berliner Sophienkirche
15. März 1988
Information über die Ergebnisse von Überprüfungen zu von Pfarrer Passauer/Berlin aufgestellten Behauptungen im Zusammenhang mit Maßnahmen der Schutz- und Sicherheitsorgane am 6. März 1988 im Umfeld der Sophienkirche im Stadtbezirk Berlin-Mitte [Bericht K 3/92]
Während eines Gesprächs des Stellvertreters des Oberbürgermeisters der Hauptstadt der DDR, Berlin, für Inneres1 mit kirchlichen Amtsträgern der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg verlas der Pfarrer der Sophienkirchengemeinde, Passauer, einen von ihm unterzeichneten Bericht. Darin wird unterstellt, dass es im Zusammenhang mit Maßnahmen zur vorbeugenden Unterbindung einer geplanten Besetzung der Sophienkirche durch Übersiedlungsersuchende seitens der eingesetzten Sicherungskräfte zu Übergriffen gegenüber Besuchern des am 6. März 1988 stattgefundenen Gottesdienstes gekommen sei.
Inhalte dieses Berichtes wurden über den Evangelischen Pressedienst (epd)/Westberlin westlichen Massenmedien zugänglich gemacht und von diesen zu einer erneuten Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die DDR benutzt. Die unwahre und tendenziöse Darstellung der genannten Ereignisse in diesem Bericht fand auch in der Predigt Pfarrer Hildebrandts anlässlich des Gottesdienstes am 13. März 1988 in der Sophienkirche vor ca. 400 Personen, darunter ca. 100 Übersiedlungsersuchende, Verwendung. (Dazu berichtete das MfS in der Information Nr. 134/88.)
Westliche Massenmedien nahmen das zum Anlass, ihre Kampagne gegen die DDR fortzusetzen.
Von den zuständigen Organen wurden zu den im Bericht Passauers enthaltenen und von den westlichen Medien hochgespielten »Fällen« Überprüfungen durchgeführt, die Folgendes ergaben:
Im Zusammenhang mit bekanntgewordenen Absichten von Übersiedlungsersuchenden, Kirchenbesetzungen durchzuführen und Kirchen als Treffpunkte für ihr feindlich-negatives Vorgehen missbrauchen zu wollen, wurde am 6. März 1988 im weiteren Umfeld der Sophienkirche vorbeugend ein Sicherungseinsatz durchgeführt. Aufgaben der eingesetzten Sicherungskräfte war es, die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten und erforderlichen Handlungen, u. a. Personalienfeststellung, auf der Grundlage des VP-Gesetzes durchzuführen.
In Realisierung der angewiesenen Kontrollhandlungen sollten nach Beendigung des Gottesdienstes und außerhalb des Kirchengeländes u. a. die Personen [Betroffener 1] [Betroffener 2], und [Betroffene 3] einer Personalienfeststellung unterzogen werden. Die diese Kontrollhandlung durchführenden Sicherungskräfte legitimierten sich durch das Vorzeigen des Dienstbuches der DVP.
Im Zusammenhang mit den Behauptungen Passauers in seinem Bericht zu den vorgenannten Personen ist festzustellen:
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[Betroffener 1], der zum Zeitpunkt der unmittelbar vor seiner Wohnungstür stattfindenden Kontrollhandlungen keinen Personalausweis der DDR bei sich führte, versuchte zu fliehen und durch Hilferufe in provokatorischer Absicht andere Personen auf sich aufmerksam zu machen. Durch angemessene körperliche Einwirkung wurde dies verhindert; er wurde nachweislich nicht geschlagen. Bei seinen Widerstandshandlungen hat er sich selbst geringfügige Verletzungen zugezogen. Er wurde unverzüglich medizinisch versorgt; laut Gutachten des Krankenhauses der DVP wurde eine ca. 3 cm lange Risswunde am Ringfinger der linken Hand diagnostiziert.
([Betroffener 1] ist als [Beruf] im St.-Hedwigs-Krankenhaus Berlin tätig; er ist [Funktion in] der Sophienkirchgemeinde. Er ist seit Juni 1987 Übersiedlungsersuchender.)
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Die Personalien des [Betroffenen 2] sollten festgestellt werden, da er sich Namen von kontrollierten Personen und polizeiliche Kennzeichen von Einsatzfahrzeugen notierte. Da er sich weigerte, seinen Personalausweis vorzuweisen, wurde er zugeführt. Bei der am 14. März 1988 durchgeführten Befragung erklärte [Betroffener 2] im Gegensatz zu der von Passauer in seinem Schreiben verbreiteten Behauptung [des Betroffenen 1] unmissverständlich, von den Sicherungskräften nicht geschlagen worden zu sein. Dies wird durch die unmittelbar am Handlungsort eingesetzten Sicherungskräfte bestätigt. ([Betroffener 2] ist als Produktionsarbeiter im VEB Walzengießerei Quedlinburg tätig; er ist wegen Diebstahls vorbestraft. [Betroffener 2] ist seit 1978 Mitglied der »Jungen Gemeinde« und trat wiederholt mit öffentlichkeitswirksamen pseudopazifistischen Aktionen in Erscheinung.)
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Bei der von Passauer genannten jungen Mutter mit Kind handelt es sich um die [Betroffene 3] und ihren Sohn [Vorname] (7 Jahre). Gegenüber den Sicherungskräften konnte sie sich nicht ausweisen. Im Prozess der Kontrollhandlung lief der Sohn der [Betroffenen 3] mit Einverständnis der Mutter zu seinem Freund, der sich mit seinen Eltern in unmittelbarer Nähe des Geschehens aufhielt. Bei diesen Personen handelte es sich um Bekannte der [Betroffenen 3], die deren Sohn ca. zehn Minuten später in ihrer Wohnung an sie übergaben. Die [Betroffene 3] war zur Vorlage ihres Personalausweises in ihre unweit des Handlungsortes gelegene Wohnung gefahren worden.
(Die [Betroffene 3] ist tätig als Schreibkraft [in einer Einrichtung] der evangelischen Kirche in Berlin.)
Im Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen wurden die Behauptungen Pfarrer Passauers über angebliche Übergriffe der Sicherungskräfte am 6. März 1988 im Umfeld der Sophienkirche eindeutig widerlegt.
Es wird vorgeschlagen, dass seitens des Stellvertreters des Oberbürgermeisters der Hauptstadt der DDR, Berlin, für Inneres sowie des Sektorenleiters für Kirchenfragen des Magistrats von Berlin erneut ein Gespräch mit Konsistorialpräsident Stolpe und den Pfarrern Passauer und Hildebrandt geführt wird.
Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes ist die unwahre und tendenziöse Darstellung Pfarrer Passauers zurückzuweisen. Es sollte Verwahrung eingelegt werden gegen die Verbreitung subjektivistischer, nicht überprüfter Darstellungen über die Tätigkeit staatlicher Organe, die von westlichen Massenmedien erneut zu einer Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die DDR genutzt wurden. Das unverantwortliche Verhalten Pfarrer Passauers ist geeignet, das Verhältnis Staat – Kirche erheblich zu belasten. Unmissverständlich sollte von den kirchlichen Amtsträgern gefordert werden, die weitere Verbreitung dieser Verleumdungen und Entstellungen zu unterlassen und darauf hinzuwirken, dass die Hetzkampagne in bestimmten westlichen Massenmedien eingestellt wird.