Aktivitäten zum Jahrestag der Menschenrechte
12. Dezember 1988
Information Nr. 535/88 über Aktivitäten feindlich-negativer Kräfte in der DDR anlässlich des 40. Jahrestages der Annahme der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« durch die UNO am 10. Dezember 1988
Im Ergebnis des engen, abgestimmten Zusammenwirkens des MfS mit den anderen Schutz- und Sicherheitsorganen, den zuständigen staatlichen Organen sowie gesellschaftlichen Einrichtungen und Kräften wurden von feindlich-negativen Kräften in der DDR anlassbezogene geplante öffentlichkeitswirksame Zusammenrottungen und andere provokatorisch-demonstrative Aktionen wirksam vorbeugend verhindert.1
Voraussetzungen hierfür waren
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die Durchführung zahlreicher Gespräche mit kirchenleitenden Personen und kirchlichen Mitarbeitern, in denen die staatliche Erwartungshaltung bezüglich ihrer Einflussnahme auf die Unterbindung geplanter öffentlichkeitswirksamer Aktionen ausgesprochen wurde, die seitens der Vertreter der Kirchen zugesichert und von ihnen im Wesentlichen eingehalten wurde,
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die Realisierung umfangreicher Maßnahmen zur Disziplinierung, Kontrolle und Überwachung von Inspiratoren und Organisatoren geplanter öffentlichkeitswirksamer Provokationen einschließlich diesbezüglich bekannt gewordener Teilnehmer,
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die Konzentration und Präsenz von Angehörigen der Schutz- und Sicherheitsorgane in geplanten Handlungsräumen feindlich-negativer Kräfte sowie
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die kurzfristige Übersiedlung von Personen, die im Interesse der Durchsetzung ihres Übersiedlungsersuchens beabsichtigt hatten, den sogenannten Tag der Menschenrechte für provokatorisch-demonstrative Aktionen auszunutzen.
Dennoch nahmen einige reaktionäre kirchliche und andere feindlich-negative Kräfte, darunter Übersiedlungsersuchende, den »Tag der Menschenrechte« zum Anlass, erneut mit gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR gerichteten Aktivitäten in Erscheinung zu treten.
Schwerpunkt bildete dabei das Verfassen, Herstellen und Verbreiten von Aufrufen, Erklärungen und Stellungnahmen mit Bezugnahme auf die sogenannte Menschenrechtsproblematik, in denen in Übereinstimmung mit gegnerischen Argumentationslinien die DDR der Verletzung der Menschenrechte beschuldigt wird und Forderungen im Sinne des westlichen Menschenrechtskonzepts erhoben werden.
Streng internen Hinweisen zufolge versandte eine sogenannte Arbeitsgruppe zur Situation der Menschenrechte in der DDR (an der Identifizierung der Verfasser wird intensiv gearbeitet) an mehrere DDR-Bürger, hauptsächlich kirchliche Amtsträger, einen Aufruf zur Sammlung und Veröffentlichung »konkreter Verletzungen der Menschenrechte in der DDR«, die der darin erklärten Absicht dienen sollen, »Ansatzpunkte für eine breite Diskussion über die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR und zu notwendigen Veränderungen zu markieren«. (siehe Anlage 1)
Weiter wurde intern bekannt, dass eine von 14 hinlänglich bekannten Personen, darunter von den Pfarrern Eppelmann (Samaritergemeinde Berlin), Schneider (Andreas-Markus-Gemeinde Berlin), Pahnke (Stephanus-Stiftung Berlin) und Mangliers (Paul-Gerhardt-Gemeinde Berlin) sowie von Bärbel Bohley unterzeichnete »Erklärung zum 40. Jahrestag der Verkündung der UNO-Menschenrechte« an zentrale Partei- und Staatsorgane, gesellschaftliche Organisationen, an ADN sowie an kirchenleitende Gremien und Amtsträger der evangelischen Kirchen in der DDR übersandt wurde.
Diese »Erklärung« enthält zahlreiche, bereits wiederholt von Kräften des politischen Untergrundes erhobene Forderungen, u. a. nach Gewährleistung der sogenannten individuellen Menschenrechte (allgemeine Meinungs-, Glaubens-, Gewissens-, Informations-, Versammlungs- und Reisefreiheit), Rechtssicherheit (durch Verfassungsänderung) sowie nach »partnerschaftlichem Dialog mit den Regierenden und Reform des Wahlrechts«. (siehe Anlage 2)
Analoge und weitergehende Aussagen wurden auch im Rahmen von kirchlichen Veranstaltungen getroffen:
Während des Gottesdienstes in der Bekenntniskirche in Berlin-Treptow am 10. Dezember 1988, in der Zeit von 19.30 bis 21.35 Uhr (Teilnehmerzahl ca. 800 Personen, darunter 200 gesellschaftliche Kräfte) unter dem Thema: »Gerechtigkeit erhöht das Volk« wurden u. a. in mehreren Fürbitten solche Probleme angesprochen wie die »Bewältigung angeblicher Menschenrechtsdefizite in der DDR«, der Kampf »um Menschenrechte, auch gegen die Allmacht des Staates«, die Notwendigkeit, »sich mehr mit Menschenrechten in Bezug auf Umweltfragen« zu beschäftigen und festgestellt: »Widerstand gegen Umweltverschmutzungen sei auch Widerstand gegen Unterdrückung von Meinungsfreiheit.«
In weiteren Fürbitten sprach man sich u. a. »gegen Verbote kirchlicher Zeitungen, ökumenischer Treffen sowie die Behinderung kirchlicher Arbeit und Veranstaltungen«, »gegen die Ausgrenzung von sogenannten Randgruppen« und »für Inhaftierte aus politischen Gründen« aus.
Während der Veranstaltung wurde das bekannte »Votum der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) zum 40. Jahrestag der Verabschiedung der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« verlesen.
An dem Gottesdienst nahmen die westlichen Korrespondenten Kubisch (DPA), Heber (ARD-Hörfunk), Kern (Saarbrücker Zeitung) und Hinze (Süddeutsche Zeitung) teil, ohne sichtbare journalistische Aktivitäten zu entwickeln.
Zu Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Zusammenhang mit dieser Veranstaltung kam es nicht.
(Dem Gottesdienst war die Eröffnung einer Ausstellung sowie eine Veranstaltung der »Projektgruppe Luft« des sogenannten grün-ökologischen Netzwerkes Arche2 in der Bekenntniskirche vorausgegangen, woran zeitweilig bis zu 350 Personen – ständig wechselnd – teilgenommen hatten. Bei der Eröffnung der Ausstellung waren kurzzeitig die westlichen Korrespondenten Heber, Hinze und Kern sowie Hauptmann (ARD-Hörfunk) und Pragal (Stern) anwesend, ohne journalistisch aktiv geworden zu sein.
Die Ausstellung, die keine Bezugspunkte zum sogenannten Tag der Menschenrechte hatte, enthielt Bilder, Grafiken und Statistiken zu Umwelt- und Gesundheitsschäden über Kraftwerke sowie Auswirkungen von Abgasen im Straßenverkehr der DDR. Während der genannten Veranstaltung war mit häufig negativen Aussagen zur Umweltpolitik der DDR über Anliegen und Arbeitsweise des »Netzwerkes« informiert worden.)
Im Rahmen des Gottesdienstes in der Samariterkirche Berlin am 11. Dezember 1988, in der Zeit von 10.00 bis11.10 Uhr, an dem ca. 120 Personen teilnahmen, wurden in Form von Sketchen Bezüge zum Artikel 19 der Verfassung der DDR und Artikel 19 der »Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte« hergestellt.
Pfarrer Eppelmann verwies in seiner Predigt u. a. darauf, dass es in der DDR »Enttäuschungen« gebe, »mit denen man aber leben« müsse. Sie seien »oftmals Ursache für Antragstellungen auf Übersiedlungen«. Er plädiere aber dafür, dass »alle Personen hier bleiben« sollten.
Während des Gottesdienstes in der Gethsemanekirche am 11. Dezember 1988, in der Zeit von 10.00 bis 11.15 Uhr wurde in Anwesenheit von ca. 50 Personen das genannte »Votum« der KKL verlesen, was große Zustimmung der Teilnehmer fand. Im Folgenden wurde festgestellt, dass es in der DDR keine Institution gebe, die sich mit »Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Landes beschäftigt, und diese Aufgabe die Kirche realisieren« müsse.
Unter Bezugnahme auf einen Artikel über Probleme der Freizügigkeit von Horizont-Redakteur Crausnitzer wurde unter starkem Beifall der Anwesenden »Freizügigkeit in der DDR« verneint. Pastorin Eschner rief in der anschließenden Predigt zu Fürbitten »für die bedrängten, die in diesem Staat leben und gezwungen werden, ihre Menschenrechte zu verraten«, auf.
Außerdem wurde streng intern bekannt, dass am 10. Dezember 1988, in der Zeit von 17.00 bis 23.00 Uhr ein Zusammentreffen von Pfarrer Eppelmann und Mitgliedern der Samaritergemeinde Berlin mit Mitgliedern der FDP des Landesverbandes Niedersachsen stattfand. Seitens der FDP nahmen teil: Fischer, Rudi (stellvertretender Landesvorsitzender), Brandt, Matthias (Pressesprecher), Schartau, Heinz-Gunter, Roth, Klaus sowie Herbst, Dietmar (internen Hinweisen zufolge war Letztgenannter auch Teilnehmer einer Zusammenkunft zwischen Mitgliedern der FDP des Landesverbandes Niedersachsen und Pfarrer Eppelmann sowie feindlich-negativen DDR-Bürgern, darunter Kräften des politischen Untergrundes.
An dem Zusammentreffen nahmen nach bisherigen Erkenntnissen die Pfarrer Schneider und Engel sowie bekannte Kräfte des politischen Untergrundes, darunter Bohley, Bärbel, teil. Im Mittelpunkt des Treffens stand die seminaristische Beratung eines gemeinsamen Papiers, das anlässlich des 50. Jahrestages des Beginns des Zweiten Weltkrieges veröffentlicht werden soll. Inhaltlich geht es dabei um eine gemeinsame Stellungnahme einer regierenden Partei des kapitalistischen Gesellschaftssystems und von Bürgern des sozialistischen Gesellschaftssystems zur Vergangenheit Deutschlands und zur Zukunft der beiden deutschen Staaten. Zur weiteren Konkretisierung dieses Vorhabens ist für 1989 ein weiteres Treffen vorgesehen. (An der weiteren Aufklärung des Inhalts und Verlaufs des Zusammentreffens wird noch gearbeitet.)3
Einzelne Übersiedlungsersuchende nahmen den »Tag der Menschenrechte« zum Anlass, um mittels provokatorisch-demonstrativer Aktivitäten öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten:
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Hauptstadt der DDR, Berlin – vor der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR – Abweisen von fünf Personen aus Görlitz/Dresden – Am Brandenburger Tor und Straße unter den Linden – Zuführung von fünf Personen, die Reisetaschen mit dem Symbol »A« und ein Transparent mit der Losung: »Wo bleiben bei uns die Menschenrechte« trugen,
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Halle – Gemeindehaus der Marktkirche – Zuführung von zehn Personen, die symbolisch Kerzen anzündeten,
Bezirk Erfurt – Zuführung von drei Personen wegen des Versuchs der Anreise nach Berlin mit selbst gefertigten Plakaten.
Gegenüber den genannten Personen wurden ordnungsrechtliche, strafrechtliche u. a. Maßnahmen durchgeführt.
Darüber hinaus kam es im Zusammenhang mit dem sogenannten Tag der Menschenrechte zu zwei Vorkommnissen des Anbringens von selbst gefertigten Transparenten (Berlin-Prenzlauer Berg, 10. Dezember 1988, an einer Balkontür, Täter: 32-jähriger Hausmeister in einer kirchlichen Einrichtung, Übersiedlungsersuchender; Ribnitz-Damgarten/Rostock, 10. Dezember 1988, an Zäunen und Bänken, mit Texten, die inhaltlich über dieser Ortschaft Flugverbot und Verwirklichung der »Menschenrechte« forderten, Täter noch unbekannt) sowie einem Vorkommnis des Verbreitens von Hetzblättern (Leipzig, 8. Dezember 1988, Einwurf von 15 Exemplaren in Hausbriefkästen, noch unbekannter Täter).
In Einzelfällen versuchten gegnerische Kräfte sowie ehemalige DDR-Bürger den sogenannten Tag der Menschenrechte zum Anlass zu nehmen, um die DDR zu verleumden und sie der Verletzung der Menschenrechte zu bezichtigen.
Im Wesentlichen handelt es sich um
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eine Provokation der Westberliner Arbeitsgruppe der Feindorganisation »Internationale Gesellschaft für Menschenrechte e. V.«4 im westlichen Vorfeld der Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße, wobei ca. 20 Personen mit schwarzen Holzkreuzen, einem Transparent und Plakaten (beschriftet mit anlassbezogenen Hetzlosungen) auftraten,
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das Auftreten von drei bekannten ehemaligen DDR-Bürgern an derselben Örtlichkeit mit Forderungen auf Übersiedlung von Familienangehörigen,
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eine sogenannte Standdemonstration von sechs bekannten ehemaligen DDR-Bürgern, darunter der Provokateur Emmerich, gegenüber der Ständigen Vertretung der DDR in der BRD, die auf mitgeführten Hetzplakaten die Übersiedlung ihrer Familienangehörigen in der DDR forderten.
Die staatliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie die Sicherung der Staatsgrenze der DDR zu Westberlin waren jederzeit gewährleistet.
Die gegnerischen Massenmedien informierten über den Gottesdienst in der Bekenntniskirche in Berlin-Treptow am 10. Dezember 1988 sowie die Festnahme der Übersiedlungsersuchenden, die am 10. Dezember 1988 am Brandenburger Tor und in der Straße Unter den Linden mit Reisetaschen mit dem Symbol »A« öffentlichkeitswirksam aufgetreten waren.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Mielke [Unterschrift]
Anlage 1 zur Information 535/88
Abschrift
[Aufruf der] Arbeitsgruppe zur Situation der Menschenrechte in der DDR
Am 10. Dezember 1948 verabschiedete die Vollversammlung der Vereinten Nationen die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Aus Anlass des 40. Jahrestages dieses Ereignisses wird die »Arbeitsgruppe zur Situation der Menschenrechte« mit der Sammlung und Veröffentlichung konkreter Verletzungen der Menschenrechte in der DDR beginnen. Wir stützen uns hierbei auf die von der DDR anerkannte Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 und auf die von der DDR ratifizierten UNO-Konventionen über zivile und politische Rechte sowie über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte von 1966.
Der Stand bei der Verwirklichung der Menschenrechte ist ein entscheidender Indikator für den Zustand einer Gesellschaft. Aus diesem Grunde ist die Information der Öffentlichkeit über Menschenrechtsverletzungen unerlässlich, auch um Ansatzpunkte für eine breite Diskussion über die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR und zu notwendigen Veränderungen zu markieren.
Wir rufen dazu auf, unser Anliegen in vielfältiger Weise zu unterstützen.
10. Dezember 1988
Kontaktadressen
Berlin: Aufgrund der angespannten Situation kann keine Kontaktadresse angegeben werden. Informationen können aber in der Umwelt-Bibliothek (1058 Berlin, Griebenowstraße 16) abgegeben werden.
Güstrow: Heiko Lietz [Adresse und Telefonnummer in Güstrow],
Halle: Katrin Eigenfeld [Adresse in Halle],
Jena: Peter Oberthür [Adresse in Dorndorf],
Leipzig: Wolfgang Sarstadt [Adresse in Leipzig], Doreen Penno [Adresse in Leipzig],
Naumburg: Michael Kleim [Adresse in Naumburg].
Die folgenden Arbeitsschwerpunkte sind lückenhaft, da zurzeit bestimmte Problemfelder wegen ihres Umfanges wahrscheinlich von uns noch nicht erschöpfend bearbeitet werden können. Dies bedeutet jedoch keine Einschränkung unserer Forderung nach der vollkommenen Garantie und Durchsetzung aller Menschenrechte. Ebenfalls fordern wir hiermit von der Regierung der DDR die Unterzeichnung und Ratifizierung des Fakultativprotokolles zu der Konvention über zivile und politische Rechte, in dem das Appellationsrecht eines einzelnen Bürgers bei internationalen Instanzen im Falle von Menschenrechtsverletzungen festgeschrieben ist.
Wir weisen darauf hin, dass wir keine Appellationsinstanz ersetzen können und wollen.
Wir hoffen, dass sich die Arbeitsschwerpunkte bald erweitern lassen, um die Menschenrechtssituation in der DDR möglichst umfassend zu dokumentieren.
Im Moment bezieht sich unsere Arbeit auf folgende Schwerpunkte:
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Verletzungen des Rechtes auf Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit, vor allem in Form von Sanktionen und Repressionen wegen der Inanspruchnahme dieses Rechtes,5
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Verletzungen des Rechtes auf Freizügigkeit, vor allem in Form von Reiseverboten in das sozialistische Ausland, Einreiseverboten in die DDR und Aufenthaltsbeschränkungen, aufgrund von Verwaltungsentscheidungen oder als Sanktion wegen der Inanspruchnahme von Menschenrechten,
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Verletzungen des gleichen Rechtes auf Bildung, vor allem in Form von Bildungsverweigerung als Folge der Inanspruchnahme von Menschenrechten,
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Verletzungen der Rechte auf Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie des Rechtes auf Gründung von Organisationen, Vereinigungen und Gewerkschaften, ebenso des Rechtes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, vor allem in Form von Sanktionen und Repressionen wegen Inanspruchnahme dieser Rechte,
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Verletzungen des Rechtes auf Arbeit, vor allem in Form von faktischem Berufsverbot einschließlich vorsätzlicher Behinderungen,
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Nachweisbare, ungerechtfertigte oder unverhältnismäßige Angriffe auf die Würde der Persönlichkeit einschließlich des Eingriffes in die persönliche Sphäre vonseiten staatlicher Dienststellen.
Mitglieder der Initiative Frieden und Menschenrechte
Umwelt-Bibliothek der Zionskirchgemeinde (Berlin)
Mitglieder des Arbeitskreises solidarische Kirche – Regionalgruppe Thüringen
Arbeitsgruppe Menschenrechte (Leipzig)
Arbeitskreis Gerechtigkeit (Leipzig)
Mitglieder des Arbeitskreises solidarische Kirche – Regionalgruppe Leipzig
Mitglieder des Friedenskreises Naumburg
DDR, den 10. Dezember 1988
Anlage 2 zur Information 535/88
Abschrift
Erklärung zum 40. Jahrestag der Verkündung der UNO-Menschenrechte
40 Jahre nach Verkündung der Menschenrechte äußern wir unsere Betroffenheit wegen des Mangels an Frieden und Gerechtigkeit auf der Erde. Wir setzen uns ein für das Recht auf volle Gleichberechtigung aller Menschen, für das Recht auf ausreichende Ernährung, für würdige Wohnverhältnisse eines jeden Menschen, für allgemeine Meinungs-, Glaubens-, Gewissens-, Informations-, Versammlungs- und Reisefreiheit.
Frieden und Gerechtigkeit sind unteilbar. Deshalb klagen wir auch über Rechtsunsicherheit und Verstöße gegen Menschenwürde in unserem Land. Die von uns erhobenen Forderungen verstehen wir auch als Selbstverpflichtung zur Mitarbeit an einem Prozess, der zu einer glaubwürdigeren sozialistischen Gestalt unserer Gesellschaft führt.
Erfahrungen der Rechtsunsicherheit, des staatspolitischen Missbrauchs von Paragrafen, Anordnungen und Verfügungen führt seit Langem zu einem Prozess des Rückzuges großer Teile der Bevölkerung aus dem gesellschaftlichen Engagement und zu steigenden Antragszahlen auf Entlassung aus der Staatsbürgerschaft.
Rechtssicherheit der Bürger ist nur durch eine Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR sowie durch die Installierung einer Verwaltungs- und Verfassungsgerichtsbarkeit zu erreichen.
Anstehende Ergänzungen und Veränderungen des in der DDR geltenden Rechtes beträfen die Bereiche:
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Errichtung einer Verwaltungs- und unabhängigen Verfassungsgerichtsbarkeit,
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Rechtsabsicherung nichtstaatlicher Interessenvereinigungen,
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Rechtliche Verwirklichung des Anspruches und der rechtlichen Absicherung des Reise- und Freizügigkeitsverkehrs und des Rechtes, in das eigene Land zurückzukehren,
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straffreie Glaubens- und Gewissensentscheidungen gegenüber militärischen und paramilitärischen Ausbildungen sowie zur Wehrpflicht,
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Abschaffung jeglicher Zensur, mit Ausnahme rassistischer, militaristischer oder faschistischer Inhalte,
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gleiches Recht für Bildung nach Maßgabe von Fähigkeit und Leistung,
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Abschaffung von Gewissensnötigung in Schulen und Bildungseinrichtungen,
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Schaffung der prinzipiellen Mitsprache- und Mitbestimmungsrechte für Schüler, Lehrlinge und Studenten, besonders auch für Lehrer und Ausbildende,
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Überprüfbare und einklagbare Verantwortlichkeit der politischen Mandatsträger,
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Reform des Wahlrechtes, die wirkliche Wählbarkeit und Abwählbarkeit der Inhaber politischer Mandate in allen gesellschaftlichen Bereichen,
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einklagbare Möglichkeiten von Einzelpersonen und Gruppen, in Erweiterung vorhandener staatlicher Strukturen, ihre Meinung und Konzeption zu gesellschaftlichen Fragen ungehindert und effektiv in den politischen Entscheidungsprozess einbringen zu können.
Wir reden als Betroffene, die es nicht länger ertragen können, dass ein großer Teil der Bevölkerung entmündigt wird, vor der deprimierenden Alternative steht, entweder kritiklos zuzustimmen oder das Land zu verlassen.
Wir reden als Hoffende, die sich an alle Menschen guten Willens in unserem Land wenden – Regiert wie Regierende – darauf vertrauend, dass es bei uns endlich zu einem öffentlichen, alle Themen und alle Meinungen umfassenden partnerschaftlichen Dialog kommt.
Berlin, den 8. Dezember 1988
gez. Hans-Peter Schneider, Pfr. – Rainer Eppelmann, Pfr. – Reiner Dietrich – Mario Schatta – Edeltraut Pohl – Bärbel Bohley (insgesamt 14 Unterzeichner)