Alternative Frauengruppen in der DDR
2. Mai 1988
Information Nr. 220/88 über sogenannte alternative Frauengruppen in der DDR
Im Gefolge des sich im Rahmen der Friedensbewegung in den westeuropäischen Staaten herausgebildeten relativ eigenständigen politischen Wirkens von Frauengruppen, des Wirkens von Spalterkräften in dieser Bewegung und im Ergebnis weiterer gezielter Einflussnahme äußerer feindlicher Kräfte, denen es daran gelegen war, oppositionelle und auf feindlich-negativen Positionen stehende Personen unter der weiblichen DDR-Bevölkerung für sogenannte blockübergreifende Aktivitäten zu gewinnen, diese zur Bildung einer oppositionellen alternativen Frauenbewegung – auch als Gegengewicht zum Demokratischen Frauenbund Deutschlands – zu inspirieren, kam es Anfang der 80er Jahre zur Bildung der ersten sogenannten unabhängigen Frauenfriedensgruppen.
Die erste derartige Gruppierung etablierte sich Ende 1982 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, unter der Bezeichnung »Initiative Frauen für den Frieden Berlin« und stellte das Pendant zu einer gleichnamigen Gruppierung in Westberlin dar. Hauptorganisatoren waren die wegen ihres politisch-negativen Verhaltens und Auftretens hinlänglich bekannten Bärbel Bohley, Ulrike Poppe und Annedore Havemann.
Wesentlich inspiriert durch die öffentlichkeitswirksamen und in den Westmedien breit propagierten provokatorisch-demonstrativen Aktivitäten dieser Gruppierung in der Hauptstadt der DDR, Berlin, so u. a. das sogenannte Fasten für das Leben, die »Briefaktion« gegen die Wehrgesetzgebung der DDR und das symbolisch gestaltete sogenannte Massensterben auf dem Alexanderplatz, bildeten sich in weiteren Bezirken der DDR derartige Gruppierungen, vorwiegend im kirchlichen Bereich. Sie gingen mehrfach aus bereits bestehenden sogenannten Haus- und Frauenkreisen evangelischer Kirchengemeinden hervor.
Der Charakter derartiger Gruppierungen ist sehr differenziert. In Abhängigkeit von der politischen Haltung der Gruppenmitglieder und den jeweiligen Umständen und Bedingungen ihres Wirksamwerdens – u. a. im kirchlichen Bereich – kam es zur Herausbildung einer Reihe Gruppierungen ausgesprochen politisch negativen Charakters, die in Kontakt mit antisozialistischen Kräften im nichtsozialistischen Ausland, insbesondere mit auf antikommunistischen Positionen stehenden Mitgliedern der »Grünen« in der BRD und der »Alternativen Liste«/Westberlin sowie mit Spalterkräften in der westeuropäischen Friedensbewegung und mit in der DDR akkreditierten Korrespondenten westlicher Massenmedien, als »unabhängige Frauenfriedensbewegung der DDR« wirksam zu werden versuchten.
In diesem Sinne und mit dem Ziel, in der DDR gleich gesinnte Frauengruppen zusammenzuschließen, auf einheitliche politische und organisatorische Grundpositionen festzulegen und auf weitergehende Aktivitäten zu orientieren, wurden bisher insgesamt fünf überregionale Treffen sogenannter Frauenfriedensgruppen durchgeführt:
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1984 in Halle (ca. 50 Personen aus 6 Bezirken),
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1985 in der Hauptstadt der DDR, Berlin (über 100 Personen aus 10 Bezirken),
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1986 in Leipzig (ca. 70 Personen aus 10 Bezirken),
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1987 in Magdeburg (ca. 70 Personen aus 6 Bezirken) und
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1988 in Karl-Marx-Stadt (ca. 90 Personen aus 9 Bezirken).1
Ungeachtet der bisher erzielten Wirksamkeit staatlicher und gesellschaftlicher Maßnahmen zur Zurückdrängung der negativen Aktivitäten genannter Frauengruppen gehen von einer Reihe dieser Gruppierungen – insgesamt existieren gegenwärtig 14 beachtenswerte Gruppen mit ungefähr 150 Mitgliedern – nach wie vor gegen die Politik von Partei und Regierung der DDR gerichtete Aktivitäten aus. Der Prozess der Profilierung wurde auch auf dem Treffen in Karl-Marx-Stadt fortgesetzt.
Von Bedeutsamkeit sind gegenwärtig die in der Anlage aufgeführten Gruppierungen, wobei die Gruppe »Frauen für den Frieden« Berlin, insbesondere durch aktuelle Aktivitäten der Ulrike Poppe, bestrebt ist, einen gewissen Führungsanspruch zu sichern.
Anlage zur Information 220/88
[MfS-Zusammenstellung der Frauengruppen]
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»Frauen für den Frieden« Berlin2
Organisatorinnen: Poppe, Ulrike; Kukutz, Irena
Stärke: 8–10 Frauen
Die Zusammenkünfte finden in den Wohnungen der Mitglieder der Gruppierung statt. Die Gruppierung tritt seit mehreren Jahren mit feindlich-negativen Handlungen in Erscheinung, insbesondere seit 1988 im Zusammenhang mit der im Sinne politischer Untergrundtätigkeit wirkenden sogenannten Initiative Frieden und Menschenrechte.
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»Lesben in der Kirche«, Berlin innerhalb der Gethsemane-Gemeinde
Organisatorin: Körzendörfer, Marinka
Stärke: 15–20 Frauen
Die Gruppe besteht seit 1982 und ihre Aktivitäten sind vordergründig auf die Anerkennung der Lesben durch die Gesellschaft gerichtet.
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Frauengruppe im Friedenskreis der Samaritergemeinde Berlin
Organisatorin: Weber, Annegred
Stärke: 3 Frauen
Die Frauengruppe tritt zzt. nicht aktiv in Erscheinung. Durch den hinlänglich bekannten Pfarrer Eppelmann ist vorgesehen, die Arbeit der Gruppe zu aktivieren.
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Frauengruppe der Kirchengemeinde St Marien Greifswald
Organisatorin: Jeske, Christine
Stärke: 6–8 Frauen
Die Gruppe befindet sich im Aufbau und umfasst Christen und Nichtchristen. Die Jeske wurde durch das überregionale Seminar kirchlicher »Basisgruppen«, »Konkret für den Frieden VI« (Februar 1988) zur Gründung der Gruppe angeregt.
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»Frauen für den Frieden« Magdeburg
Organisatorinnen: Beier, Editha; Demke, Christine
Stärke: 15 Frauen
Der Frauenkreis beschäftigt sich im Rahmen kirchlicher Arbeit mit Fragen der Erhaltung des Friedens aus pazifistischer Sicht.
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Arbeitskreis »Christliche Frauen für den Frieden« Halle
Organisatorin: Eigenfeld, Katrin
Stärke: 8–10 Frauen
Zusammenkünfte finden in Privatwohnungen statt. Die Gruppe trat nach den Ereignissen im Januar 1988 verstärkt mit feindlich-negativen Aktivitäten in Erscheinung, u. a. mit der Organisation sogenannter Nachtgebete.
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»Frauen für den Frieden« Leipzig
Organisatorinnen: Kämpf, Ute; Heide, Gabriele
Stärke: 10–15 Frauen
Die Mehrzahl der Mitglieder der Gruppe sind in Kirchengemeinden eingebunden und vertreten pazifistische Standpunkte.
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»Frauenkreis« Weißenfels
Organisatorin: Krause, Bettina
Stärke: 6 Frauen
Die Gruppe beschäftigt sich bei ihren Zusammenkünften gegenwärtig mit Partnerschaftsproblemen und feministischer Theologie. Erfahrungsaustausch mit Magdeburger und Hallenser Frauengruppen ist geplant.
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»Frauenfriedensgruppe« Erfurt
Organisatorin: Kaufhold, Elisabeth
Stärke: 6–8 Frauen
Nach Auflösung der Gruppe 1987 beschloss diese, sich im Rahmen einer kirchlichen Hauskreistätigkeit in den Wohnungen der Mitglieder weiterhin zu treffen. Hauptthemen sind Frauenprobleme und Literatur.
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Weimarer »Frauengruppe«
Organisatorin: Streit, Petra
Stärke: 6–8 Frauen
Trat mit Vorschlag zur Änderung der §§ 121, 122 StGB (Vergewaltigung)3 1987 im Sinne der strafrechtlichen Verfolgung der Vergewaltigung in der Ehe gemeinsam mit Berliner Frauengruppen in Erscheinung.
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»Frauen im Gespräch« Jena
Organisatorin: Mlymski, Christine
Stärke: 5 Frauen
Die Gruppe beschäftigt sich mit Problemen der Frau in der Gesellschaft und ist kirchlich angebunden.
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»Frauenfriedensgruppe« der drei Dresdner Kirchenbezirke
Organisatorinnen: Kanske, Elisabeth; Meinel, Christina
Stärke: 8 Frauen
Hauptthemen sind kirchliche und weltliche Erziehungsfragen, Friedensgebete und Volksbildung.
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»Frauengruppe« Karl-Marx-Stadt
Organisatorinnen: Hartzsch, Cornelia; Franke, Andrea
Stärke: 10 Frauen
Diese Frauengruppe war Organisator des 5. überregionalen Treffens sogenannter Frauengruppen in Karl-Marx-Stadt vom 15. bis 17. April 1988.
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»Frauen für den Frieden« Gera
Organisatorinnen: Schulze, Christine; Weißkern, Gudrun
Stärke: 6–8 Frauen
Die Gruppe ist bestrebt, Verbindungen zur niederländischen Partnergemeinde Geras Arnheim zu intensivieren. Sie trat bisher nicht feindlich-negativ in Erscheinung.