Auflauf von Jugendlichen vor dem Brandenburger Tor (1)
17. Juni 1988
Information Nr. 310/88 über Vorkommnisse mit Jugendlichen und Jungerwachsenen in Berlin-Mitte im Zusammenhang mit einem Rockkonzert vor dem ehemaligen Reichstagsgebäude in Westberlin
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen informierten westliche Funkmedien seit längerer Zeit in teilweise speziell für jugendliche Hörer in der DDR gestalteten Sendungen über das am 16. Juni 1988 stattgefundene Rockkonzert der Gruppe »Pink Floyd« vor dem ehemaligen Reichstagsgebäude in Westberlin. Sie zogen dabei in Betracht, durch die fortgesetzte Propagierung dieses Konzertes und in den Folgetagen weiter stattfindender Rockkonzerte an gleicher Stelle eine größere Anzahl jugendlicher DDR-Bürger in unmittelbarer Nähe der Staatsgrenze der DDR zu konzentrieren.
Zur Gewährleistung der staatlichen Sicherheit sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wurden im abgestimmten Zusammenwirken der zuständigen Organe unter Einbeziehung weiterer gesellschaftlicher Kräfte umfangreiche Sicherungsmaßnahmen durchgeführt.
Beginnend ab 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr war eine zunehmende Bewegung von einzelnen Jugendlichen und Jungerwachsenen sowie von kleineren Gruppen feststellbar. Bis gegen 20.30 Uhr hatten sich auf dem Mittelstreifen der Kreuzung Unter den Linden/Otto-Grotewohl-Straße und rechts und links der Straße Unter den Linden im Bereich Behrenstraße bis zum Gebäude der Charité ca. 1 000 Personen als sogenannte Zuhörer versammelt.
Unter ihnen befanden sich ca. 500 Personen, bei denen durch negativ-dekadentes Aussehen und Verhalten erkennbar war, dass sie in provokatorischer Absicht erschienen waren. Eine größere Anzahl von ihnen nahm alkoholische Getränke zu sich.
Entsprechend sich aus der Lage ergebenden Sicherheitserfordernissen wurden zu unterschiedlichen Zeiten differenziert 2 500 bis 3 000 Sicherungskräfte des MfS, der DVP sowie gesellschaftliche Kräfte zum Einsatz gebracht.
Gegen 18.30 Uhr wurden 10 Personen im Alter 17 bis unter 20 Jahren gehindert, in das Gebäude der Charité einzudringen, um – wie sie angaben – von höher gelegenen Stockwerken das Rockkonzert zu beobachten. Im Zeitraum von 19.30 Uhr bis 20.00 Uhr wurden 9 Personen zugeführt, die versuchten, auf Dächer in Häusern in der Marienstraße und Hermann-Matern-Straße zu gelangen.
In der Zeit von 21.15 Uhr bis 0.30 Uhr erfolgte die Zuführung von 81 Personen, meistens unter starkem Einfluss von Alkohol stehend, wegen Rufens von antisozialistischen Losungen, wie: »Die Mauer muss weg«, und anderen provokatorischen Handlungen. Gegen die Zugeführten wurden bisher 45 Ordnungsstrafverfahren eingeleitet, 34 Personen wurden belehrt und bei 2 Personen erfolgen noch weitere Prüfungshandlungen.
Ab 16.00 Uhr bis 0.30 Uhr traten Unter den Linden sowie in der Otto-Grotewohl-Straße und Clara-Zetkin-Straße der ARD-Korrespondent Börner mit Team, der ZDF-Mitarbeiter Brüssau mit Team sowie der »Stern«-Reporter Pragal, der DPA-Korrespondent Jennerjahn, der ARD-Hörfunkjournalist Heber und weitere Journalisten mit Aufklärungshandlungen, insbesondere gegen Sicherungskräfte und deren Maßnahmen gerichtet, in Erscheinung. Das Verhalten der westlichen Korrespondenten und Journalisten war insgesamt auf die Ermunterung negativ-dekadenter Personen zu provokatorischem Verhalten gerichtet.
Von Westberlin aus wurde in diesem Zeitraum das Territorium der DDR mit drei Brandflaschen beworfen; Schäden traten dabei nicht ein.
Die Durchführung aller Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes und des Zusammenwirkens mit gesellschaftlichen Kräften, erfolgte auf der Grundlage des bestätigten »Planes der Maßnahmen«.
Die öffentliche Ordnung und Sicherheit war dadurch jederzeit gewährleistet; es kam zu keinen besonderen Vorkommnissen.