Bericht Oppositionelle Tendenzen in Ostberliner Jugendklubs
18. März 1988
Information Nr. 145/88 über einige beachtenswerte Erscheinungen in Jugendklubs der Hauptstadt der DDR, Berlin
Dem MfS vorliegenden Hinweisen zufolge nutzten in den vergangenen Monaten feindlich-negative und kriminell gefährdete Kräfte, wie z. B. negativ-dekadente Jugendliche – darunter insbesondere Skinheads, Punks und Heavy Metals –, Übersiedlungsersuchende sowie im Sinne politischer Untergrundtätigkeit wirkende Personen, Jugendklubs in der Hauptstadt der DDR, um sich dort zu treffen, Absprachen zu führen und in feindlich-negativem Sinne aufzutreten. Teilweise waren Jugendklubs Ausgangspunkte für ordnungs- und gesetzwidrige Handlungen mit zum Teil öffentlichkeitswirksamen Charakter.
Unter Führung der zuständigen Parteiorganisationen konnten im engen Zusammenwirken der Schutz- und Sicherheitsorgane mit den FDJ-Leitungen sowie weiteren gesellschaftlichen und staatlichen Erziehungsträgern durch abgestimmte Maßnahmen derartige, dem gesellschaftlichen Anliegen von Jugendklubs widersprechende Erscheinungen wirkungsvoll unterbunden werden.
Nach vorliegenden aktuellen Hinweisen stehen Jugendklubs der Hauptstadt der DDR, Berlin, nach wie vor im Blickpunkt bestimmter gegnerischer und feindlich-negativer Kräfte.
Unter diesem Gesichtspunkt ist z. B. beachtenswert, dass in der vom Feindsender »Radio 100« am 29. Februar 1988 ausgestrahlten Sendung »Radio Glasnost außer Kontrolle« erstmalig und mit konkreten Zeitangaben auf im März 1988 im Stadtbezirk Berlin-Prenzlauer Berg stattfindende Jazz- und Diskoveranstaltungen in den Jugendklubs »Ernst-Thälmann-Park« (»Die Wabe«) und »Ernst Knaack« sowie eine Veranstaltung zum Thema »Szenenwechsel mit Jazzpass« im Kreiskulturhaus »Prater« hingewiesen wurde (entsprechende vorbeugende Maßnahmen zur Kontrolle und Absicherung dieser Veranstaltungen erfolgten bzw. werden eingeleitet).
Internen Erkenntnissen zufolge waren die Jugendklubs »Ernst-Thälmann-Park« und »Ernst Knaack« bis Ende 1987 Konzentrationspunkte von sogenannten Skinhead-Anhängern. Deren Einfluss in diesen Einrichtungen wurde durch gezielte Maßnahmen aller zuständigen Organe in der Folgezeit wirksam unterbunden.
Durch einen namentlich bekannten Mitarbeiter des Jugendklubs »Ernst Knaack« gab es im Februar 1988 Bestrebungen, eine sogenannte Lesereihe für junge Nachwuchsautoren zu organisieren, bei der Stephan Heym, Rainer Schedlinski u. a. auftreten sollten. (Diese Vorhaben wurden unterbunden.)
In dem zum Kreiskulturhaus »Prater« gehörenden Jugendklub »Erich Franz« hatten sich bis zur Durchführung entsprechender abgestimmter Maßnahmen der zuständigen Organe im Oktober 1987 regelmäßig ca. 25 feindlich-negative Kräfte, darunter 14 Übersiedlungsersuchende, zusammengefunden. In diesem Jugendklub fanden u. a. am 13. Januar 1988 eine Veranstaltung zum Thema: »Die Stellung der Kirche in der DDR« mit dem Mitarbeiter im Staatssekretariat für Kirchenfragen der DDR, Dr. Dohle,1 und am 27. Januar 1988 eine Gesprächsrunde mit Prof. Kuczynski statt, wobei in beiden Fällen einzelne feindlich-negative Kräfte versuchten, den Inhalt dieser Veranstaltungen durch provokatorische Fragestellungen negativ zu beeinflussen, was durch politisch überzeugendes und argumentationssicheres Auftreten der Referenten nicht gelang.
Da ein Wirksamwerden kriminell gefährdeter und feindlich-negativer Kräfte in Jugendklubs der Hauptstadt der DDR auch künftig nicht auszuschließen ist, wird im Folgenden auf bestimmte Jugendklubs bzw. ausgewählte Veranstaltungen in solchen Einrichtungen (Monate März/April 1988) aufmerksam gemacht, die internen Hinweisen zufolge unter diesem Gesichtspunkt beachtenswert sind:
Stadtbezirk Berlin-Prenzlauer Berg:
Der Jugendklub »Erich Franz« hat sein Programm speziell auf ein Publikum ab 25 Jahre zugeschnitten.
Beachtenswerte Veranstaltungen sind:
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»Franz Live« mit Jazz- und Bluesbands, jeweils sonnabends,
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»Blues im Franz«, jeweils montags im 14-tägigen Wechsel,
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Lesungen und Podiumsgespräche zu aktuellen politischen Fragen, in unregelmäßigen Zeitabständen,
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geplante Lesung mit Stephan Heym, Juni 1988.
Weitere hervorzuhebende Veranstaltungen in diesem Stadtbezirk sind:
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Kreiskulturhaus »Prater« – Veranstaltungsreihe »Szenenwechsel« (Rockmusik- und Blueskonzerte im »Großen Saal«), jeweils einmal monatlich freitags,
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Jugendklub »Ernst Knaack« – Diskothek und Jazzveranstaltungen an den Wochenenden,
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Jugendklub »Ernst-Thälmann-Park« – Diskothek »Frei-Tag-Nacht«, jeweils freitags, Diskothek P 16, jeweils montags; »Computerklub«, jeweils donnerstags.
Stadtbezirk Berlin-Weißensee:
Im Jugendklub »An der Weißenseer Spitze« versuchten in der Vergangenheit einzelne im Sinne politischer Untergrundtätigkeit wirkende Personen sich dort zu konzentrieren. Gegenwärtig verkehrt dort ein künstlerisch-intelektuelles Publikum. Vorbeugend verhindert wurden in zwei Fällen Versuche von Übersiedlungsersuchenden, während Veranstaltungen politisch negativ aufzutreten.
Im Jugendklub »Maxim Gorki« kam es wiederholt zu rowdyhaften Ausschreitungen negativ-dekadenter Jugendlicher. In der Vergangenheit versuchten Skinheads, sich dort zu integrieren. Im Jugendklub »Arbeiterheim« verkehren regelmäßig 100 bis 150 Anhänger der Heavy-Metal-Musik.
Stadtbezirk Berlin-Lichtenberg:
Im Jugendklub »Bernhard Bästlein« leitet die Schriftstellerin Maja Wiens (hat Kontakte zu im Sinne politischer Untergrundtätigkeit wirkenden Kräften) seit 1986 einen aus ca. 10 bis 15 Personen bestehenden Literaturzirkel, an dem überwiegend Jugendliche im Alter von 14 bis 16 Jahren teilnehmen.
Beachtenswerte Veranstaltungen im Jugendklub »Am Tierpark« sind:
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Vortrag der Urania zum Thema: »Skinheads und Punks«, 23. März 1988,
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Vortrag zum Thema: »Rechter und linker Terrorismus«, 28. März 1988.
Stadtbezirk Berlin-Hohenschönhausen:
Beachtenswerte Veranstaltungen sind:
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Jugendklub »Hauptstraße« – Vortrag der Urania zum Thema: »Schwierigkeiten in der Schule«, 21. März 1988,
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Jugendklub »Falkenberg« – Vortrag der Urania zum Thema: »Die Droge – eine Erscheinung der westlichen Welt«, 29. März 1988,
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Jugendklub »Welsestraße« – Tag der Liedermacher, jeweils donnerstags,
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Jugendklub »Genslerstraße« – Vortrag der AdW zum Thema: »Avantgarde – Rockmusik und Politik«, 28. April 1988.
Stadtbezirk Berlin-Treptow:
Von negativ-dekadenten Jugendlichen, insbesondere Punks, Heavy Metals und Skinheads (ihre Zahl schwankt zwischen 5 bis 30 Personen), werden Tanzveranstaltungen in den Jugendklubs »Pablo Neruda«, »Fritz Schmenkel« und »Julian Grimau« besucht. Vorkommnisse gingen bisher von diesen Personen nicht aus.
Stadtbezirk Berlin-Hellersdorf:
Beachtenswerte Veranstaltungen im Jugendclub »Stube« sind:
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»Buddhistisches Neujahrsfest«, Khmerabend, ein Abend mit Küche und Kultur aus Kampuchea, 9. April 1988,
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»Liederbude« mit Antje Finkenwirth, Frieder Rosenthal und der Diskothek »Induktion« Gera.
Stadtbezirk Berlin-Marzahn:
Beachtenswerte Veranstaltungen sind:
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Jugendklub »Marzahn-West« – Kollog – Künstler im Gespräch mit Bernd Archibald Chmura (Grafik) und Bernd Ziegler (Gitarrist),
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Jugendklub »Fichtelbergstraße« – Urania-Forum zum Thema: »Alkoholgenuss und die Folgen – Alkoholismus in der DDR«.
Stadtbezirk Berlin-Köpenick:
Im Jugendklubhaus »Artur Becker« und im Jugendklub »Hoernlestraße« verkehren einzelne negativ-dekadente jugendliche Personen, darunter Punks und Skinheads.
Um ein Wirksamwerden kriminell gefährdeter und feindlich-negativer Kräfte im Zusammenhang mit Veranstaltungen in Jugendklubs der Hauptstadt der DDR vorbeugend zu verhindern bzw. weitestgehend einzuschränken wird vorgeschlagen,
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den Einfluss der Kreisleitungen der FDJ auf die Jugendklubs der Hauptstadt der DDR zu verstärken mit dem Ziel, Funktionäre der Jugendklubs sowie weitere progressive gesellschaftliche Kräfte zu befähigen, rechtzeitig in Jugendklubs von derartigen Personenkreisen ausgehende mögliche Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu erkennen und gemeinsam mit den zuständigen Schutz- und Sicherheitsorganen vorbeugend zu unterbinden,
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grundsätzlich solche Jugendveranstaltungen, bei denen vorausschauend ein mögliches Wirksamwerden derartiger Personenkreise zu erwarten ist, durch enges und abgestimmtes Zusammenwirken der Funktionäre der Jugendklubs mit den territorial zuständigen Schutz- und Sicherheitsorganen vorbeugend abzusichern,
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generell eine höhere Qualität von Ordnung und Sicherheit in den Jugendklubs auf der Grundlage der bestehenden Rechtsvorschriften durch Erhöhung der politischen Verantwortung der eingesetzten hauptamtlichen Kader sowie der Wirksamkeit der Klubaktive und Ordnungsgruppen der FDJ und durch Verbesserung der Zusammenarbeit der Funktionäre der Jugendklubs mit den Bereichen Erlaubniswesen in den zuständigen VP-Inspektionen zur Einhaltung der Veranstaltungsordnung durchzusetzen.