Besetzung der Botschaft Dänemarks durch Ausreisewillige
11. September 1988
Information Nr. 413/88 über bisherige Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Erpressungsversuch von 18 DDR-Bürgern in der Botschaft des Königreiches Dänemark in der DDR am 9./10. September 1988
Inspiriert durch Veröffentlichungen westlicher Medien über in der jüngsten Vergangenheit unternommene Erpressungsversuche von Bürgern der DDR durch die Besetzung von Botschaften nichtsozialistischer Staaten in der DDR und im Zusammenhang mit der Ankündigung des bevorstehenden Besuches des Ministerpräsidenten des Königreiches Dänemark in der DDR, entschlossen sich 13 eng miteinander bekannte Bürger aus Ilmenau/Suhl unter Mitnahme ihrer fünf Kinder nach vorangegangenen gemeinsamen Absprachen zur provokatorisch-demonstrativen Besetzung der Botschaft des Königreiches Dänemark in der DDR am 9. September 1988.1
Nach den zuständigen Organen der DDR vorliegenden Erkenntnissen wollten die Personen, die am 9. September 1988 die Botschaft des Königreiches Dänemark besetzt hatten, von einem in die Botschaft zu beordernden Beauftragten der zuständigen Organe der DDR die verbindliche Zusicherung zu ihrer sofortigen und direkten Ausreise nach der BRD erpressen.
In diesem Zusammenhang waren sie fest entschlossen, eine Zusicherung auf Straffreiheit keinesfalls zu akzeptieren. Sie verfolgten von vornherein die Absicht, eventuellen Aufforderungen des Botschafters bzw. von Mitarbeitern der Botschaft des Königreiches Dänemark in der DDR, das Botschaftsgebäude wieder zu verlassen und ihr Anliegen bei den zuständigen staatlichen Organen der DDR vorzubringen, keinesfalls Folge zu leisten. Soweit bekannt ist, sind sie in diesem Sinne auch aufgetreten. Entsprechenden Aufforderungen von Mitarbeitern der dänischen Botschaft, die Botschaft wieder zu verlassen, widersetzten sie sich hartnäckig.
Ihnen war auch bewusst, dass sie sich rechtswidrig in die Botschaft begeben und mit ihren Handlungen missbräuchlich in die Rechte und Belange der Botschaft eingreifen. Um ihre erpresserischen Forderungen durchzusetzen, kalkulierten sie skrupellos zur Durchsetzung ihrer egoistischen Ziele selbst eine Belastung der Beziehungen zwischen der DDR und dem Königreich Dänemark durch dieses Vorkommnis ein. Ausdruck dafür ist auch die offenkundig langfristige und zielgerichtete Vorbereitung dieser Provokation, indem von den Erpressern u. a. entsprechend vorbereitete Materialien zur Sichtagitation mit verleumderischem Inhalt in die Botschaft mit eingeschleust und dort angebracht wurden. Darüber hinaus hatten die Erpresser Vorbereitungen für die öffentlichkeitswirksame spektakuläre Vermarktung ihrer Machenschaften getroffen.
Bei den Personen, die in den Vormittagsstunden des 9. September 1988 nacheinander getrennt das Gebäude der Botschaft des Königreiches Dänemark betraten, handelt es sich um 5 Familien (Erwachsene im Alter von 21 bis 39 Jahren mit ihren 5 Kindern im Alter von 4 bis 12 Jahren) sowie 3 Einzelpersonen im Alter von 19 bis 24 Jahren.
Die erwachsenen Personen haben in der zurückliegenden Zeit – bis auf einen Fall – bei den zuständigen staatlichen Organen der DDR Ersuchen um Übersiedlung nach der BRD gestellt, die ordnungsgemäß bearbeitet wurden bzw., soweit noch keine Entscheidung getroffen wurde, noch bearbeitet werden.
In einem Fall (eine 19-jährige weibliche Person, die nach Lehrabschluss als Kleidungsfacharbeiter aufgrund mangelnder Leistungsbereitschaft und Arbeitsergebnisse die Arbeitsstelle wechselte und auch in ihrer Tätigkeit als Verkäuferin eine ungenügende Arbeitseinstellung an den Tag legte) hatte sich die betreffende Person bisher nicht mit Anliegen um Übersiedlung an die zuständigen Organe der DDR gewandt.
Entsprechend den Feststellungen der zuständigen Organe der DDR liegen für die von den betreffenden Personen gestellten Ersuchen keine humanitären Anliegen bzw. Gründe im Zusammenhang mit Familienzusammenführung vor.
Obwohl dies den betreffenden Personen bekannt ist, verfolgten sie weiter hartnäckig, auch unter Einbeziehung weiterer Kräfte, ihre ungerechtfertigten Übersiedlungsbestrebungen und versuchten, auf die zuständigen Organe der DDR Druck zur Erzwingung ihrer Übersiedlung auszuüben. Sechs der Personen hatten in zurückliegender Zeit bereits andere diplomatische Vertretungen in der Hauptstadt der DDR (die Ständige Vertretung der BRD in der DDR) mehrfach aufgesucht, um unter Negierung der alleinigen Kompetenz der zuständigen Organe der DDR für diese inneren Angelegenheiten Möglichkeiten einer spektakulären Erzwingung ihrer Übersiedlungsabsichten zu erkunden.
Bei den meisten der in Erscheinung getretenen Personen handelt es sich um qualifizierte Facharbeiter, die alle Möglichkeiten hatten, durch einen gesicherten Arbeitsplatz eine erfolgreiche Entwicklung zu nehmen und sich ihr Leben in Wohlstand und sozialer Geborgenheit zu gestalten. Einzelne Personen haben das auch über viele Jahre unter Beweis gestellt, während andererseits eine Anzahl von Personen die gesellschaftlichen Errungenschaften in der DDR bewusst missachtete bzw. zu negieren versuchte.
Bei der Mehrzahl der Erpresser handelt es sich um Personen, die bereits in der Vergangenheit in ihrer persönlichen Entwicklung, besonders im beruflichen Leben und ihrem gesamten gesellschaftlichen Handeln und Verhalten erkennen ließen, dass sie vordergründig unter egoistischer Ausnutzung der gesellschaftlichen Vorzüge und Möglichkeiten ungerechtfertigte persönliche Wünsche und Erwartungen durchzusetzen versuchen, ohne dafür selbst die notwendigen Leistungen erbracht zu haben. Das findet seinen Ausdruck u. a. in folgenden Fakten:
- –
Einzelne Personen standen zum Teil bereits seit mehreren Jahren in keinem Arbeitsrechtsverhältnis und wollten sich damit ehrlicher Arbeit entziehen. U. a. war eine Person mit Hochschulabschluss nicht gewillt, die Bemühungen der zuständigen Organe (Angebot mehrerer Arbeitsstellen) anzunehmen.
- –
Mehrere Personen scheuten Anstrengungen in ihrem Beruf, wollten den Anforderungen auf den Arbeitsstellen nicht nachkommen und versuchten durch mehrfachen Arbeitsstellenwechsel sich der gesellschaftlichen Einflussnahme auf die Überwindung persönlicher Schwierigkeiten und charakterlicher Labilität zu entziehen, um ihr Leben gewissermaßen auf »leichte Art und Weise« zu gestalten. Das widerspiegelt sich auch in Erscheinungen der Verletzung bzw. einer mangelhaften Arbeitsdisziplin, einem arrogant-überheblichem Auftreten, was auch im Umfeld dieser Personen auf Ablehnung stieß.
- –
Bei einigen, insbesondere jüngeren Personen zeigten sich bereits in der Schule und der Lehrausbildung Erscheinungen, dass sie nicht gewillt sind, ihr vorhandenes Vermögen für eine gewissenhafte Arbeit auszunutzen und gesellschaftlichen Normen Rechnung zu tragen (Nichterreichen des erfolgreichen Schul- bzw. Lehrabschlusses).
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In Einzelfällen mussten wegen Verletzung arbeitsrechtlicher Bestimmungen sowie von anderen Rechtsvorschriften Disziplinarmaßnahmen getroffen bzw. Ordnungsstrafverfahren durchgeführt werden.
Gegen die an dem Erpressungsversuch beteiligten erwachsenen Personen wurden gemäß § 134 (3) Strafgesetzbuch der DDR – Hausfriedensbruch – Ermittlungsverfahren eingeleitet.2
»Anlage« zur Information 413/88
[Schreiben Mielkes an Fischer vom 12.9.1988]
Ministerrat der DDR, Ministerium für Staatssicherheit, Der Minister – Berlin, 12.9.1988 – Tgb.–Nr. VMA/419/88
[An den] Minister für Auswärtige Angelegenheiten Genossen Oskar Fischer – Berlin
Werter Genosse Fischer!
In der Anlage übersende ich eine Information über bisherige Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Erpressungsversuch von 18 DDR-Bürgern in der Botschaft des Königreiches Dänemark in der DDR am 9./10. September 1988, die evtl. soweit erforderlich, zur mündlichen Informierung des Botschafters des Königreiches Dänemark dienen kann.
Mit sozialistischem Gruß
Armeegeneral
Anlage [zum Schreiben Mielkes an Fischer vom 12.9.1988]
Information über bisherige Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Erpressungsversuch von 18 DDR-Bürgern in der Botschaft des Königreiches Dänemark in der DDR am 9./10. September 1988
Nach den zuständigen Organen der DDR vorliegenden Erkenntnissen wollten die Personen, die am 9. September 1988 die Botschaft des Königreiches Dänemark besetzt hatten, von einem in die Botschaft zu beordernden Beauftragten der zuständigen Organe der DDR die verbindliche Zusicherung zu ihrer sofortigen und direkten Ausreise nach der BRD erpressen.
In diesem Zusammenhang waren sie fest entschlossen, eine Zusicherung auf Straffreiheit keinesfalls zu akzeptieren.
Sie verfolgten von vornherein die Absicht, eventuellen Aufforderungen des Botschafters bzw. von Mitarbeitern der Botschaft des Königreiches Dänemark in der DDR, das Botschaftsgebäude wieder zu verlassen und ihr Anliegen bei den zuständigen staatlichen Organen der DDR vorzubringen, keinesfalls Folge zu leisten. Soweit bekannt ist, sind sie in diesem Sinne auch aufgetreten. Entsprechenden Aufforderungen von Mitarbeitern der dänischen Botschaft, die Botschaft wieder zu verlassen, widersetzten sie sich hartnäckig.
Ihnen war auch bewusst, dass sie sich rechtswidrig in die Botschaft begeben und mit ihren Handlungen missbräuchlich in die Rechte und Belange der Botschaft eingreifen. Um ihre erpresserischen Forderungen durchzusetzen, kalkulierten sie skrupellos zur Durchsetzung ihrer egoistischen Ziele selbst eine Belastung der Beziehungen zwischen der DDR und dem Königreich Dänemark durch dieses Vorkommnis ein.
Bei den Personen, die in den Vormittagsstunden des 9. September 1988 nacheinander getrennt das Gebäude der Botschaft des Königreiches Dänemark betraten, handelt es ich um 5 Familien (Erwachsene im Alter von 21 bis 39 Jahren mit ihren 5 Kindern im Alter von 4 bis 12 Jahren) sowie 3 Einzelpersonen im Alter von 19 bis 24 Jahren.
Die erwachsenen Personen haben in der zurückliegenden Zeit – bis auf einen Fall – bei den zuständigen staatlichen Organen der DDR Ersuchen um Übersiedlung nach der BRD gestellt, die ordnungsgemäß bearbeitet wurden bzw., soweit noch keine Entscheidung getroffen wurde, noch bearbeitet werden.
Entsprechend den Feststellungen der zuständigen Organe der DDR liegen für die von den betreffenden Personen gestellten Ersuchen keine humanitären Anliegen bzw. Gründe im Zusammenhang mit Familienzusammenführung vor.
Bei den meisten der in Erscheinung getretenen Personen handelt es sich um qualifizierte Facharbeiter, die alle Möglichkeiten hatten, durch einen gesicherten Arbeitsplatz eine erfolgreiche Entwicklung zu nehmen und sich ihr Leben in Wohlstand und sozialer Geborgenheit zu gestalten. Einzelne Personen haben das auch über viele Jahre unter Beweis gestellt, während andererseits eine Anzahl von Personen die gesellschaftlichen Errungenschaften in der DDR bewusst missachtete bzw. zu negieren versuchte.
Bei der Mehrzahl der Erpresser handelt es sich um Personen, die bereits in der Vergangenheit in ihrer persönlichen Entwicklung, besonders im beruflichen Leben und ihrem gesamten gesellschaftlichen Handeln und Verhalten erkennen ließen, dass sie vordergründig unter egoistischer Ausnutzung der gesellschaftlichen Vorzüge und Möglichkeiten ungerechtfertigte persönliche Wünsche und Erwatungen durchzusetzen versuchen, ohne dafür selbst die notwendigen Leistungen erbracht zu haben. Das findet seinen Ausdruck u. a. in folgenden Fakten:
- –
Einzelne Personen standen zum Teil bereits seit mehreren Jahren in keinem Arbeitsrechtsverhältnis und wollten sich damit ehrlicher Arbeit entziehen.
U. a. war eine Person mit Hochschulabschluss nicht gewillt, die Bemühungen der zuständigen Organe (Angebot mehrerer Arbeitsstellen) anzunehmen.
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Mehrere Personen scheuten Anstrengungen in ihrem Beruf, wollten den Anforderungen auf den Arbeitsstellen nicht nachkommen und versuchten durch mehrfachen Arbeitsstellenwechsel sich der gesellschaftlichen Einflussnahme auf die Überwindung persönlicher Schwierigkeiten und charakterlicher Labilität zu entziehen, um ihr Leben gewissermaßen auf »leichte Art und Weise« zu gestalten.
Das widerspiegelt sich auch in Erscheinungen der Verletzung bzw. einer mangelhaften Arbeitsdisziplin, einem arrogant-überheblichen Auftreten, was auch im Umfeld dieser Personen auf Ablehnung stieß.
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Bei einigen, insbesondere jüngeren Personen zeigten sich bereits in der Schule und der Lehrausbildung Erscheinungen, dass sie nicht gewillt sind, ihr vorhandenes Vermögen für eine gewissenhafte Arbeit auszunutzen und gesellschaftlichen Normen Rechnung zu tragen (Nichterreichen des erfolgreichen Schul- bzw. Lehrabschlusses).