Besuch des SPD-Politikers Duve in der Samariter-Gemeinde/ Ostberlin
20. April 1988
Information Nr. 203/88 über die Teilnahme des Mitgliedes der Bundestagsfraktion der SPD, Freimut Duve, an einer Veranstaltung der evangelischen Samaritergemeinde in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Nach dem MfS intern vorliegenden ersten Hinweisen fand am 18. April 1988 im Gemeindesaal der evangelischen Samaritergemeinde in Berlin-Friedrichshain im Rahmen der sog. Veranstaltungsreihe »Cafe Schalom« eine Veranstaltung zum Thema »Gewaltlosigkeit in einer Sackgasse« statt.
Unter den ca. 200 Teilnehmern wurden neben Mitgliedern des »Friedenskreises« der Samaritergemeinde und hinlänglich bekannten feindlich-negativen Kräften auch eine Reihe Übersiedlungsersuchender festgestellt. Anwesend war ferner Freimut Duve, Mitglied des Bundestages der BRD und des Landesvorstandes Hamburg der SPD. (Duve vertritt innerhalb der SPD »linke« Positionen, ist Befürworter einer sog. blockübergreifenden Friedensbewegung und wiederholt in der Öffentlichkeit im Sinne der Unterstützung oppositioneller Kräfte in den sozialistischen Staaten aufgetreten. Er ist Mitherausgeber des im Rowohlt-Verlag Hamburg erschienenen Buches »Schwerter zu Pflugscharen – Friedensbewegung in der DDR«.)1 Die Teilnahme von Duve an dieser Veranstaltung war nach internen Hinweisen langfristig geplant. Sie steht in Übereinstimmung mit der von ihm intern geäußerten Auffassung, DDR-Kontakte individuell zu realisieren, um Querelen innerhalb der SPD über die Art und Weise der Gestaltung von Kontakten zu politisch-negativen Kräften in der DDR zu vermeiden. Nach dem MfS dazu weiter vorliegenden Hinweisen kann davon ausgegangen werden, dass die Teilnahme von Duve an der genannten Veranstaltung auf Initiative und Einladung von Pfarrer Rainer Eppelmann erfolgte. (Auf persönliche Einladung von Eppelmann nahmen in zurückliegender Zeit mehrfach Politiker der BRD an von ihm inspirierten und organisierten Veranstaltungen teil. So z. B. die Mitglieder der Bundestagsfraktion der SPD, Schmude und Sielaff, am 11. April 1988 – dazu wurde in der Information Nr. 190/88 vom 15. April 1988 berichtet.)
Im Verlaufe der ca. zweistündigen Veranstaltung trat Duve zweimal in Erscheinung. Eingangs nahm er eine Selbstdarstellung seiner Person vor, in der er sich eindeutig zur BRD bekannte. Im Verlaufe seiner Ausführungen legte er seinen Standpunkt hinsichtlich der konsequenten Ablehnung des Tourismus dar und plädierte für Gewaltlosigkeit im politischen Leben. Dazu wertete er sog. gewaltlose Methoden und Vorgehensweisen sowie die erzielten Ergebnisse am Beispiel der Hafenstraßenbesetzung in Hamburg und von Bürgerinitiativen gegen die Einrichtung von Kernkraftwerksanlagen in der BRD aus. Seiner Auffassung nach müsse der Staat das »Gewaltmonopol« besitzen. Am Beispiel des politischen Systems der BRD erläuterte Duve das Verhältnis von juristischer und ausübender Gewalt und die sogenannte Unabhängigkeit der Gerichte gegenüber der Regierung. Direkte Bezüge zur DDR stellte Duve in diesem Zusammenhang nicht her.
Anknüpfend an Ausführungen des bekannten Rechtsanwaltes Schnur zur Übersiedlungsproblematik – durch das sachliche Auftreten von Schnur wurde nach vorliegenden Hinweisen möglichen spontanen feindlich-negativen Reaktionen anwesender Übersiedlungsersuchender entgegengewirkt – nahm Duve auch dazu Stellung. Er teilte mit, in der BRD mit vielen ehemaligen DDR-Bürgern gesprochen zu haben. Im Ergebnis solcher Gespräche wurde wiederholt erkennbar, dass diese Personen mit falschen Erwartungshaltungen ihre Übersiedlung betrieben haben und in die BRD gekommen sind. Unter Bezugnahme auf Berufsverbote und Ausländerfeindlichkeit in der BRD vertrat er den Standpunkt, es wären bereits zu viele DDR-Bürger in die BRD übergesiedelt. Seiner Auffassung nach lägen die Ursachen von Illusionen und falschen Erwartungshaltungen mit begründet im Grundgesetz der BRD und der daraus resultierenden ständigen Propagierung eines »deutschen Staates«, einer »deutschen Staatsbürgerschaft«, von »voller Freizügigkeit« usw. Er halte derartige staatsrechtliche Auffassungen der BRD nicht für ständig tragbar.
Duve erklärte weiter, die Übersiedlungsproblematik sei nicht ausschließlich ein spezifisches Problem der DDR und gab der Hoffnung Ausdruck, dass in der DDR die »Freizügigkeit« einmal so gestaltet werde, dass er persönlich DDR-Bürgern die Schattenseiten in der BRD zeigen könne.
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