Besuch von DDR-Oppositionellen durch den GEW-Vertreter Schenk (1)
20. April 1988
Information Nr. 202/88 über den Missbrauch der gestatteten Einreise in die DDR im Rahmen einer offiziellen Delegation der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der BRD/Westberlin durch den hinlänglich bekannten Wolfgang Schenk/Westberlin
In der Zeit vom 11. bis 13. April 1988 fand in Haldensleben/Magdeburg vereinbarungsgemäß eine Begegnung von Mitgliedern der Gewerkschaft Unterricht und Erziehung der DDR mit zu diesem Zweck in die DDR eingereisten Mitgliedern der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft der BRD/Westberlins (GEW) statt. Der BRD-Delegation gehörte der schulpolitische Sprecher der GEW in Westberlin, Wolfgang Schenk, an.
(Der dem MfS wegen seiner gegen die DDR gerichteten Aktivitäten hinlänglich bekannte Schenk ist Hauptorganisator der nach den Ereignissen vom 17. Januar 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, in Westberlin gebildeten Feindgruppierung »Initiative für Andersdenkende«; er ist ferner führender Vertreter der aus der Alternativen Liste (AL)/Westberlin hervorgegangenen und wegen ihrer antikommunistischen Positionen bekannten Arbeitsgruppe »Berlin- und Deutschlandpolitik« sowie Mitglied der Feindorganisation »Europäisches Netzwerk für den Ost–West-Dialog«. Im Oktober 1987 trat Schenk aus der AL aus und verlor im April 1987 das Abgeordnetenmandat des Westberliner Abgeordnetenhauses.)
Nach dem MfS bisher streng intern vorliegenden Hinweisen missbrauchte Schenk die ihm gewährte Einreise in die DDR, um sich am 13. April 1988 – er trennte sich von seiner Delegation und trat allein die Rückreise an – in der Wohnung des bekannten Ehepaares Poppe in der Hauptstadt der DDR, Berlin, mit feindlich-negativen Elementen zu treffen.
Schenk informierte dort über Inhalt und Verlauf der Begegnung in Haldensleben. Er verwies darauf, dass seine Teilnahme nur aufgrund der Solidarisierung der anderen Mitglieder der Delegation und der Fürsprache der SPD möglich wurde und wertete das als Ausdruck der Tatsache, von außen Druck auf die DDR ausüben zu können.
Er übergab den Anwesenden schriftliche Aufzeichnungen zu Problemdarstellungen, die er im Rahmen der geführten Gespräche in Haldensleben in die Diskussion eingebracht hat. Darin werden Fragen aufgeworfen wie Forderungen nach einer Revision des Schulsystems in der DDR und nach »Schülerselbstverwaltungen« sowie zur »Wehrkundeerziehung« und »autonomen Pädagogik«. Schenk orientierte darauf, zum genannten Material im Kreis gleichgesinnter DDR-Bürger Diskussionen zu führen, die Ergebnisse zusammenzuführen und ihm zuzuleiten. Besonderes Interesse bekundete er hinsichtlich Informationen zum Wehrunterricht in der DDR, zur wehrpolitischen Erziehung an den Polytechnischen Oberschulen und im Hoch- und Fachschulbereich sowie zum konkreten »Umgang« mit »internen Richtlinien des Ministers für Volksbildung der DDR zur wehrpolitischen Erziehung der Jugendlichen«.
Im Gesprächsverlauf wurden Probleme erörtert, die im Zusammenhang mit hinlänglich bekannten Inspiratoren/Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit standen, die nach den Ereignissen des 17. Januar 1988 aus der DDR ausgereist waren und sich jetzt in der BRD bzw. in Westberlin aufhalten. Schwerpunkt bildete dabei die geplante Wiedereinreise der Bohley und des Fischer im August 1988 in die DDR. Schenk bekundete, prominente Persönlichkeiten gewinnen zu wollen, die sich an den Generalsekretär des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Erich Honecker, mit der Bitte um Unterstützung der Wiedereinreise vorgenannter Personen wenden sollen. Bei möglichen »negativen Reaktionen« der DDR wolle Schenk mit dem Ziel, massiven Druck auszuüben, westliche Massenmedien einschalten.
Schenk wertete ferner ein Forum am 26. Februar 1988 mit dem nach den Ereignissen vom 17. Januar 1988 aus der DDR nach Westberlin ausgereisten Ehepaar Templin aus, dessen Organisator und Gesprächsführer er war.
Er beriet ferner die Anwesenden hinsichtlich der Durchführung wirksamer öffentlicher Aktivitäten (z. B. anlässlich der »Kristallnacht« sowie Jubiläen und Gedenktagen).
Zwischen Poppe und Schenk wurden konspirative Verbindungslinien vereinbart, über die künftig Informationen vermittelt werden sollen.
Schenk steht in Reisesperre. Ihm wurde auf zentralen Entscheid lediglich im Interesse des Zustandekommens der Begegnung der genannten Gewerkschaftsdelegationen die Einreise gestattet. Es wird vorgeschlagen, die festgelegten Reisesperrmaßnahmen künftig konsequent durchzusetzen.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.