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Demonstration gegen die Zensur von Kirchenzeitungen

11. Oktober 1988
Information Nr. 444/88 über eine Zusammenrottung von Personen vor dem Gebäude des Konsistoriums der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Neue Grünstraße, Stadtbezirk Berlin-Mitte

Am 10. Oktober 1988 fand im Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Stadtbezirk Berlin-Mitte eine Zusammenkunft von ca. 180 Personen mit Konsistorialpräsident Stolpe und dem Chefredakteur der Kirchenzeitung »Die Kirche«, Thomas, statt.1

Gegen 16.40 Uhr verließen diese Personen das Gebäude des Konsistoriums in der Neuen Grünstraße und formierten sich zu einem Demonstrationszug, der sich in Richtung Wallstraße bewegte. An der Spitze des Zuges wurden drei Transparente mit den Aufschriften

  • »Pressefreiheit für Die Kirche«,

  • »Schluss mit der Verbotspraxis« und

  • »Kein Lobgesang dem Presseamt«

sowie ein aus Holzlatten gefertigtes weißes Kreuz mit der Aufschrift »Schweigeweg zum Presseamt – gegen die Verbotspraxis« (ca. 1 m hoch) mitgeführt.

Unmittelbar nach Beginn dieser Aktion wurden die handelnden Personen durch Sicherungskräfte der Deutschen Volkspolizei darauf aufmerksam gemacht, dass sie eine ungenehmigte Veranstaltung durchführen und aufgefordert, auseinanderzugehen. Dieser Aufforderung kam die Mehrzahl der Personen nicht nach. Daraufhin wurde die Ansammlung durch Sicherungskräfte aufgelöst.2

Insgesamt 78 Personen, die den Aufforderungen der Sicherungskräfte nicht nachkamen, darunter die Träger der Transparente, wurden zugeführt. (Berlin 57, Potsdam 8, Rostock 3, Cottbus 3, Karl-Marx-Stadt 3, Halle 1, Magdeburg 1, Frankfurt/O. 1, Schwerin 1).

Im Verlaufe der durchgeführten kurzen Befragungen zur Klärung des Sachverhaltes wurden sämtliche zugeführten Personen belehrt und am 10. Oktober 1988 bis 24.00 Uhr wieder entlassen. Die mitgeführten Transparente und Gegenstände, darunter Kleinbildfilme, wurden auf der Grundlage entsprechender Rechtsvorschriften in Verwahrung genommen.

Während des gesamten Ereignisses waren Vertreter von über zehn westlichen Presseagenturen anwesend, darunter Aufnahmeteams des BRD-Fernsehens, die von dem Auftreten der handelnden Personen sowie dem Vorgehen der Sicherungskräfte Aufnahmen fertigten.

Diese fanden in aktuellen Nachrichtensendungen der westlichen elektronischen Massenmedien Verwendung.

Im Ergebnis der geführten Befragungen wurde bekannt:

Die Mehrzahl der zugeführten Personen (53) steht in einem Arbeitsverhältnis in kirchlichen Einrichtungen, darunter drei als Pfarrer und 18 als Diakone. Als Motiv ihrer Handlung geben sie übereinstimmend an, damit ihren Protest gegen ergangene staatliche Maßnahmen in Bezug auf Publikationsorgane der Evangelischen Kirche ausdrücken zu wollen.

Demgegenüber tätigten fast alle der zugeführten Personen zu den Hintergründen der Aktion, daran mitbeteiligten Personen sowie zu der Anwesenheit von Korrespondenten westlicher Medien keine oder widersprüchliche Angaben.

Im Ergebnis der Befragungen wurde jedoch eindeutig herausgearbeitet, dass es sich um eine längerfristig geplante und auch gesteuerte Aktion hinlänglich bekannter reaktionärer kirchlicher und anderer negativer Kräfte handelt.

So verständigten sich mehrere dem MfS namentlich bekannte Angestellte des Konsistoriums der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg bei einer Zusammenkunft am 3. Oktober 1988 darüber, einen sogenannten Schweigemarsch zum Presseamt beim Vorsitzenden des Ministerrates der DDR organisieren und dort eine »Protesterklärung« übergeben zu wollen, deren Wortlaut von diesen fünf Personen entworfen und unterzeichnet wurde. Zur Organisierung dieses Vorhabens wurden in der Folge schriftliche Einladungen gefertigt, in denen Ziel und Anliegen der Aktion sowie Ort und Zeit der Zusammenkunft für den 10. Oktober 1988 benannt und die an Personen im kirchlichen Dienst im Bereich der Hauptstadt Berlin übergeben wurden.

Unter einzelnen von diesen Personen kursierte der Text der genannten »Protesterklärung«. Er wurde bei Zusammenkünften verlesen. Das Original dieser »Protesterklärung« (Wortlaut als Anlage) wurde bei dem Zusammentreffen am 10. Oktober 1988 im Konsistorium ausgelegt und von weiteren Personen unterschrieben.

Zu den insgesamt 27 dem MfS namentlich bekannten Unterzeichnern gehört auch der hinlänglich bekannte Pfarrer Eppelmann. Dieses Exemplar sollte durch den Kreisjugendwart der Evangelischen Kirche in Berlin Brandenburg, Krüger, nach Abschluss des sogenannten Schweigemarsches persönlich beim Presseamt beim Ministerrat der DDR übergeben werden. Nach vorliegenden Hinweisen sei unabhängig davon am 10. Oktober eine Kopie der »Protesterklärung« auf postalischem Wege an den genannten Adressaten verschickt worden.

Als Hersteller und Träger der genannten Transparente wurden drei Sozialdiakone aus dem Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg identifiziert. Bei dem Träger des erwähnten Holzkreuzes handelt es sich um einen Kreisjugendwart aus dem gleichen kirchlichen Bereich.

Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.

Mielke [Unterschrift]

Anlage zur Information Nr. 444/88

An das Presseamt beim Ministerrat, Mauerstraße 52, Berlin – Berlin, am 3.10.1988

Protesterklärung

Wir – Leser der Kirchenzeitung, protestieren entschieden gegen die massiven Einschränkungen staatlicher Stellen, die zum Nichterscheinen oder unvollständigem Erscheinen einiger Kirchenzeitungen geführt haben.

Diese Maßnahmen widersprechen dem verfassungsmäßig garantiertem Grundrecht (§ 27, Abs. 2) auf Freiheit der Presse. Das Recht des Bürgers auf Informationen über kirchliche und gesellschaftliche Belange ist damit grob verletzt.

Wir fordern, dass die kirchliche Pressearbeit nicht durch staatliche Entscheidungen beeinträchtigt wird.

Für die Gruppe von kirchlichen Mitarbeitern und Lesern der Kirchenzeitung

[keine Unterschriften]

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    Information Nr. 438/88 über beachtenswerte Aspekte der 4. ordentlichen Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR vom 16. bis 20. September 1988 in Dessau

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