Dossier über Hans-Jürgen Fischbeck (Synodaler Berlin-Brandenburg)
23. Februar 1988
Information Nr. 101/88 über den wissenschaftlichen Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW), Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, Dr. Fischbeck (49)
Fischbeck, der in einem religiösen Elternhaus aufwuchs, studierte nach Ablegung des Abiturs von 1956 bis 1962 Physik an der mathematisch-naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin und ist seit diesem Zeitpunkt als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der AdW, Zentralinstitut für Elektronenphysik (ZIE), Abteilung Theoretische Festkörperphysik, tätig.
Im Ergebnis qualifizierter wissenschaftlicher Tätigkeit promovierte er im Jahre 1966 und habilitierte sich drei Jahre später. Er publizierte mehrfach in Fachzeitschriften.
Seitens der Institutsleitung wird eingeschätzt, dass die wissenschaftliche Arbeit Fischbecks an Untersuchungen zur theoretischen Festkörperphysik mit dazu beigetragen hat, dem Institut zu internationalem Ansehen zu verhelfen.
Mit seinen derzeitigen Arbeiten zu abstrakt-theoretischen Problemen auf diesem Gebiet ist Fischbeck jedoch mehr und mehr national und international in eine gewisse fachliche Isolierung geraten. Sein Verhalten im Arbeitskollektiv ist gekennzeichnet durch Zuverlässigkeit, Fleiß sowie ein ruhiges und sachliches Auftreten.
Fischbeck besitzt eine religiöse Grundhaltung und vertritt seit Jahren öffentlich pseudopazifistische Auffassungen.
Er ist seit 1968 Mitglied des Gemeindekirchenrates der Bartholomäusgemeinde Berlin-Friedrichshain. Als Leiter eines sogenannten Friedenskreises dieser Kirchengemeinde propagierte er in der Vergangenheit solche seiner Auffassung nach der christlichen Überzeugung entsprechenden Losungen wie »Schwerter zu Pflugscharen«, »Frieden schaffen mit der Kraft der Schwachen« und »Frieden schaffen ohne Waffen«, trug selbst während der Zeit der staatlichen Maßnahmen gegen die Träger der Aufnäher »Schwerter zu Pflugscharen« ein solches Symbol und sprach sich wiederholt gegen die Einführung des Wehrunterrichtes an Schulen aus.
Seit 1978 ist Fischbeck gewähltes Mitglied der Synode des Kirchenkreises Berlin-Stadt I und seit 1979 in zweiter Legislaturperiode Mitglied der Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg. Er ist ehrenamtlicher Referent und seit 1973 berufenes Kuratoriumsmitglied der Evangelischen Akademie in Berlin-Brandenburg. Als Mitglied der Arbeitsgruppe »Wissenschaftsethik« des Kirchlichen Forschungsheimes Wittenberg1 seit 1982 beteiligt er sich an der Erarbeitung von Materialien zum Problem »Wissenschaftsethik im Gespräch«.
Fischbeck trat in der Vergangenheit insbesondere auf Synoden der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg politisch negativ gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in ihrer Gesamtheit bzw. gegen Teilbereiche auf.
In den Jahren 1981/82 richteten sich seine Angriffe in erster Linie gegen die Friedens-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der DDR. So bezeichnete er auf der außerordentlichen Tagung der 8. Synode im November 1981 die Friedenspolitik der DDR als »unglaubwürdig« und forderte die Kirche auf, sich als Friedensfaktor und -bewegung zu artikulieren sowie sich an den Staatsrat mit einer »Bittschrift« zu wenden, mit der Aufforderung an die Regierung der DDR, ihre Friedensbereitschaft glaubwürdig zu beweisen.
Auf der 4. Tagung der 8. Synode der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im April 1982 unterstützte er einen von reaktionären kirchlichen Kreisen eingebrachten Briefentwurf an den Minister für Volksbildung der DDR, in dem Bedenken gegenüber dem Wehrunterricht in den Schulen zum Ausdruck gebracht wurden.
In der Folgezeit vertrat Fischbeck zunehmend in Übereinstimmung mit reaktionären kirchlichen Kreisen u. a. feindlich-negativen Kräften politisch negative Grundpositionen zu gesellschaftspolitischen Problemen.
Er war Mitunterzeichner der im Jahre 1985 von feindlich-negativen Kräften in der DDR und antikommunistischen Kräften der Partei DIE GRÜNEN in der BRD aus Anlass des 40. Jahrestages der Befreiung verfassten Petition »Initiative für Blockfreiheit in Europa«, die am 6. Mai 1985 an die Botschaft der USA in der DDR übergeben wurde.
Während der sogenannten Friedenswerkstatt 1985 im Juni 1985 in der Erlöserkirche in Berlin-Lichtenberg – diese Veranstaltung wurde von reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Kräfte dazu missbraucht, pseudopazifistische, pseudoökologische und neutralistische Positionen sowie sogenannte alternative Lebensauffassungen und -weisen zu propagieren – referierte Fischbeck vor Teilnehmern über »Gründe des Unfriedens – Visionen, Merkmale und Möglichkeiten des Friedens«. Seine Darlegungen waren klassenindifferent und orientierten auf ein herrschaftsfreies, brüderliches und solidarisches Zusammenleben der Menschen.
Während der Frühjahrssynode im April 1986 versuchte er, eine sogenannte offene Kirchengemeinde im Bereich der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg – vorgesehen als Sammelbecken und institutionelle Einrichtung für Mitglieder sogenannter alternativer Gruppierungen und Verfechter »alternativer« Ideen – und eine Integrierung der feindlich-negativen Gruppierung »Frauen für den Frieden«/Berlin in die synodale Ausschussarbeit der Landeskirche zu initiieren. Streng internen Hinweisen zufolge äußerten damals progressive Synodale, sie hätten seit vielen Jahren »keine solche reaktionäre Rede« auf kirchlichen Tagungen gehört. Sie sei ihrer Meinung nach »praktisch als Aufruf zur Konterrevolution« zu werten.
Die Partei- und staatliche Leitung des ZIE, die in der Vergangenheit wiederholt Auseinandersetzungen mit Fischbeck im Zusammenhang mit dessen Anträgen zur Freistellung von der Arbeit zur Wahrnehmung seiner kirchlichen Funktionen hatte, nahm entsprechende Informationen über dessen provokatorisches Auftreten und Verhalten auf der Synodaltagung zum Anlass, sich mit Fischbeck prinzipiell auseinanderzusetzen. Es wurde ihm erklärt, dass seine Verhaltensweisen nicht vereinbar sind mit einer Tätigkeit an der AdW, verbunden mit der Aufforderung, sich künftig gesellschaftsgemäß zu verhalten. Gleichzeitig wurden ihm in den geführten Gesprächen unter Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte der AdW Möglichkeiten für eine gesellschaftliche Mitwirkung als Christ aufgezeigt, u. a. in der CDU, im Kulturbund, in der URANIA, worauf Fischbeck zum Ausdruck brachte, im Ergebnis dieser Gespräche mehr und mehr seinen Arbeitsplatz als Bewährungsfeld eines Christen zu sehen.
Dem widersprach sein Verhalten in der Folgezeit. Er gehörte zu den Initiatoren eines auf der Frühjahrssynode im April 1987 beschlossenen und in der Folgezeit auch in anderen Synoden diskutierten Papiers »Absage an Praxis und Prinzip der Abgrenzung«, das Forderungen beinhaltet nach »rechtlich garantierten Reisefreiheiten« für DDR-Bürger nach westlichen Ländern, nach »voller Wiederherstellung der Reisemöglichkeiten zwischen der DDR und der VR Polen«, nach »Aufhebung politisch begründeter Reiseverbote« sowie nach »unverzüglicher Einführung von Begründungen im Falle der Ablehnung von Reiseanträgen« u. a. Fischbeck erklärte in der Plenaraussprache der Synode unter Bezugnahme auf dieses Papier, das »Prinzip der Abgrenzung durch die DDR« habe »gesellschaftliche Krankheitssymptome hervorgebracht«, die sich u. a. ausdrückten in »Minderwertigkeitskomplexen und Perspektivlosigkeit junger Menschen sowie in Unproduktivität der Wissenschaft«. Er hob hervor, diese »Abgrenzungspolitik« sei nur durch eine prinzipielle Erweiterung der Reisemöglichkeiten zu überwinden.
Analoge Positionen vertrat er auch während des Seminars »Abgrenzung und Öffnung« des Bundes der Evangelischen Kirchen (BEK) in der DDR im Januar 1988.
Im Zusammenhang mit den staatlichen Maßnahmen gegen am 17. Januar 1988 wirksam gewordene feindlich-negative Kräfte verfasste Fischbeck einen Protestbrief an das Neue Deutschland, indem er sich mit Krawczyk, Klier und weiteren Provokateuren solidarisierte, und übergab ein Exemplar dieses Briefes seiner Institutsleitung. In einer mit ihm daraufhin durch leitende Kader des ZIE am 11. Februar 1988 geführten Aussprache bekundete er seine Solidarität mit den feindlich-negativen Kräften und sprach sich für »mehr Freiheit« für sogenannte politisch Andersdenkende und insbesondere mehr Freizügigkeit für DDR-Bürger, vorrangig bezogen auf freie Reisemöglichkeiten, aus. Ungeachtet erfolgter Versuche zur Widerlegung seiner Positionen blieb Fischbeck insbesondere bei solchen Auffassungen, DDR-Bürger würden unmündig gehalten, und es entspräche nicht den Tatsachen, dass »Kritiker im Innern von außen gesteuert« würden. Im Rahmen des Gespräches wurde gegenüber Fischbeck erneut die Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht, sich entsprechend dem Ansehen und der Würde der Arbeitsstelle zu verhalten und durch sein Auftreten keine Ansatzpunkte für Missbrauchshandlungen seitens des Gegners zu geben.
Das Gespräch, über dessen Offenheit sich Fischbeck zum Abschluss bei der Institutsleitung bedankte, hatte auf ihn keine disziplinierende Wirkung. Bereits am 13. Februar 1988 erklärte er u. a. während des 2. Beratungstages auf der 1. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« in Dresden in einer öffentlichen Veranstaltung, an der ca. 1 000 Personen teilnahmen, zum Themenkomplex »Abgrenzung«, »Mauer« und Abgrenzung seien nicht nur ein Problem der Einschränkung des Reiseverkehrs; durch »gesellschaftliche Abgrenzung« entstünden »Krankheitssymptome in Wissenschaft und Kultur, Deformierungen des gesellschaftlichen Selbstwertgefühls und gesellschaftliche Minderwertigkeitskomplexe«. Die Abgrenzung sei ein Ausdruck »ungerechter Herrschaftsstrukturen« und »ungerechter Machtausübung«.
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