Einreise von CDU-Mitgliedern nach Ostberlin zum 17.Juni 1988
16. Juni 1988
Information Nr. 309/88 über beabsichtigte Provokationen rechtsgerichteter Kreise der CDU Westberlins zum sogenannten Tag der deutschen Einheit in der Hauptstadt der DDR, Berlin, am 17. Juni 1988
Nach streng intern vorliegenden Hinweisen beabsichtigen rechte Kreise der Westberliner CDU, besonders um Lummer, in enger Abstimmung mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin (West), Diepgen, im Zusammenhang mit am 17. Juni 1988 in Westberlin an der Staatsgrenze zur DDR geplanten Hetzveranstaltungen zur Unterstützung der Losung »Die Mauer muss weg« in der Hauptstadt der DDR, Berlin, Provokationen durchzuführen.
In diesem Zusammenhang ist u. a. vorgesehen, dass in der Zeit zwischen dem 16. und 19. Juni 1988, insbesondere in den Nachmittagsstunden des 16. und 17. Juni, von Westberlin aus verstärkt Jugendgruppen, insbesondere aus der BRD – u. a. mit Bussen –, als geschlossene Reisegruppen in die Hauptstadt der DDR einreisen.
Unter Missbrauch der seitens der DDR eingeräumten großzügigen Möglichkeiten der Einreise und des Aufenthaltes in der DDR ist geplant, dass diese Reisegruppen den ungehinderten Zugang zu im Sicherungsbereich an der Staatsgrenze – insbesondere im Raum Brandenburger Tor – gelegenen Besichtigungsobjekten fordern.
Zu diesem Zweck ist ein geschlossenes Auftreten der Provokateure und eine unmittelbare öffentlichkeitswirksame Konfrontation mit den Sicherungskräften der DDR geplant.
Mit der Organisation und Durchführung dieser Provokationen wurden durch die Westberliner CDU-Führung Funktionäre der Jungen Union und Jugendgruppen der »Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV)« beauflagt.
Entsprechend den Plänen der reaktionären Kräfte wird erwartet, dass
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die Sicherungskräfte der DDR den Jugendgruppen der BRD den freien Zutritt zu Sperrbereichen am Brandenburger Tor verwehren. Dabei werden lautstarke und sichtbare Auseinandersetzungen zwischen zivilen und uniformierten Sicherungskräften mit BRD-Jugendgruppen einkalkuliert. Diese beabsichtigten »Behinderungen« sollen die Grundlage bilden, offizielle Proteste seitens des Westberliner Senats, der Bundesregierung und der Alliierten auszulösen. Gleichzeitig sollen die an der Absperrung befindlichen Jugendlichen der DDR zu eigenen Protesten initiiert werden,
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sich den Protesten der BRD-Jugendgruppen gegen ihre »Behinderung« spontan Jugendliche aus der DDR anschließen. Da für die Sicherungskräfte eine Unterscheidung der Herkunft der protestierenden Jugendlichen kaum möglich sein werde, ergebe sich damit ein beträchtlicher Druck auf die Absperrung. Gleichzeitig werde es – insbesondere nach Lummers Auffassung – damit zu intensiven tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Sicherungskräften und DDR-Jugendlichen kommen.
Dem MfS liegen weitere interne Hinweise darüber vor, wonach Reporter und Kameraleute aus der BRD und Westberlin als »Privatpersonen« getarnt, mittels Video- und Kameratechnik beabsichtigen, anlässlich des 17. Juni 1988 erwartete feindlich-negative Handlungen negativ-dekadenter Jugendlicher und damit im Zusammenhang stehende Reaktionen staatlicher Organe der DDR zu dokumentieren.
Nach diesen Hinweisen ist davon auszugehen, dass diese Personen auch im Zusammenhang mit den geplanten Provokationen seitens der Westberliner CDU wirksam werden sollen.
Die Dokumentationen sollen zur Diskriminierung der DDR verwandt werden.
Es wird vorgeschlagen, seitens des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten den Westberliner Senat in geeigneter Form auf diese provokatorischen Pläne unter Missbrauch des Reise- und Besucherverkehrs aufmerksam zu machen, verbunden mit der Forderung, wirksame Maßnahmen zur Unterbindung dieser Handlungen einzuleiten.
Bei der Abfertigung von Reisegruppen an den Grenzübergangsstellen der Hauptstadt der DDR, Berlin, zu touristischen Aufenthalten sollte – soweit dabei Gruppen der Jungen Union erkannt werden – deren Zurückweisung erfolgen.