Flucht des Wasserwirtschaftlers Andreas Schumann (Karl-Marx-Stadt)
14. November 1988
Information Nr. 494/88 über das ungesetzliche Verlassen der DDR durch den stellvertretenden Oberflussmeister der Oberflussmeisterei Karl-Marx-Stadt, Dr. Schumann, und die sich aus seinen möglichen Verratshandlungen ergebenden Gefahren
Am 3. November 1988 hat der Dr. rer. nat. Schumann, Andreas (35), [Geburtsdatum]; Diplom-Hydrologe, Abteilungsleiter der Staatlichen Gewässeraufsicht und Stellvertreter des Oberflussmeisters der Oberflussmeisterei Karl-Marx-Stadt, Mitglied der SED, unter Ausnutzung eines genehmigten berufsbedingten Einsatzes an der Staatsgrenze der DDR zur BRD im Bereich Posseck/Oelsnitz/Vogtland zum Zwecke der Entnahme von Wasserproben aus dem Grenzbach Priegnitz am Dreiländereck DDR/ČSSR/BRD die DDR ungesetzlich nach der BRD verlassen.
Zu den Ursachen und Motiven des Verrats des Dr. Schumann an der DDR liegen bisher noch keine gesicherten Erkenntnisse vor.
Seine bisherige berufliche Entwicklung war durch hohe Leistungsbereitschaft und Arbeitsintensität gekennzeichnet, wobei er der Erfüllung übertragener Aufgaben alle persönlichen Belange unterordnete. Ausdruck seiner nachgewiesenen Fähigkeiten und Leistungen war 1987 sein zeitweiliger Einsatz (7 Monate) als Leiter der Oberflussmeisterei Karl-Marx-Stadt (Vertretung des Oberflussmeisters).
[Schutzwürdige Angaben zur Person nach § 32 StUG]
Unter sicherheitspolitischen Aspekten ist darauf zu verweisen, dass zwei Brüder des Dr. Schumann Übersiedlungsersuchende (beide tätig als Arzt) nach der BRD sind. [Schutzwürdige Angaben zur Person nach § 32 StUG]
Aufgrund dieser Fakten wurde von einem längerfristigen dienstlichen Aufenthalt des Dr. Schumann in Österreich – wo sein Einsatz am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse in Laxenburg/Wien erfolgen sollte – abgesehen.
Dr. Schumann war in der Zeit vom 1. Oktober 1984 bis 14. Oktober 1986 als stellvertretender Direktor der Wasserwirtschaftsdirektion (WWD) Untere Elbe Magdeburg GVS-verpflichtet.
In seiner zuletzt ausgeübten Funktion als Stellvertreter des Oberflussmeisters der Oberflussmeisterei Karl-Marx-Stadt war er nicht als Geheimnisträger verpflichtet.
Entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Untersuchungen ist festzustellen, dass Dr. Schumann umfangreiche Kenntnisse zu spezifischen wasserwirtschaftlichen Problemen besitzt und davon ausgehend umfassende Verratshandlungen begehen kann.
In seiner Tätigkeit in der WWD Untere Elbe Magdeburg als Stellvertreter für den Bereich Elbe hat er Kenntnis von Geheimen bzw. Vertraulichen Verschlusssachen über die gesamte Messkonzeption, die Messstationen der Elbe, den Planteil CAD/CAM sowie Jahresreihen von Daten über die Elbe.
Darüber hinaus verfügte er über die interne Weisung des Ministers für Umweltschutz und Wasserwirtschaft Nr. 3/86 über den Datenschutz.
Durch seine Funktionen in den WWD Untere Elbe Magdeburg, Obere Elbe Neiße Karl-Marx-Stadt und resultierend aus der Wahrnehmung weiterer, ihm übertragener Aufgaben (Leiter der AG Salzlaststeuerung der Saale, Mitglied der Trinkwasserschutzkommission Karl-Marx-Stadt, Mitglied der AG Landwirtschaft – Abprodukte und deren Verwertung – Karl-Marx-Stadt), insbesondere aber aufgrund seines hohen Intelligenzgrades ist er in der Lage, komplexe Aussagen u. a. zu solchen Problemen zu treffen wie
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Schadstoffbelastungen/Grenzwertüberschreitung von Unstrut, Saale, Mulde, Elbe sowie sämtlicher Betriebe und Einrichtungen der Industrie und Landwirtschaft in vorgenannten WWD,
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Nitratentwicklung im Grund- und Oberflächenwasser der Einzugsbereiche beider WWD,
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wasserwirtschaftliche Entwicklungskonzeptionen sowie Hochwasserschutzmaßnahmen,
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umfassende Kenntnisse zur Standfestigkeit von Talsperren und Standhaftigkeit wasserwirtschaftlicher Anlagen in der WWD Magdeburg, Teilkenntnisse auf diesem Gebiet in der Oberflussmeisterei Karl-Marx-Stadt,
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hydrologisches Messnetz/automatische Messstationen,
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Leitungsstruktur beider WWD,
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Investitions-/Rekonstruktionsmaßnahmen auf dem Gebiet der Wasserver- und -entsorgung in der Oberflussmeisterei Karl-Marx-Stadt.
Im Zusammenhang mit seinen spezifischen Interessen auf dem Gebiet des Einsatzes der Rechentechnik besitzt er darüber hinaus umfassende Kenntnisse über Verfügbarkeit und Einsatzmöglichkeit der Soft- und Hardware im Bereich der Staatlichen Gewässeraufsicht des Ministeriums für Umweltschutz und Wasserwirtschaft.
Ferner ist er zu Problemen der SDAG Wismut hinsichtlich der Schadstoffbelastung von Abwässern (z. B. deren Arsen- und Salzgehalt) aussagefähig.
Entsprechend erkannter gegnerischer Interessen an exakten Daten/Grenzwertüberschreitungen von Gefährdungsschwerpunkten der Schadstoffbelastung der Gewässer und vorgesehener Verhandlungen im Rahmen des Umweltabkommens DDR/BRD haben seine exakten Kenntnisse zur Elbe und deren Gewässer-/Abwässereinleitungen auf dem gesamten Territorium der DDR, zur brisanten Lage in der rationellen Wasserverwendung im Zusammenhang mit Schadstoffbelastungen im Raum Unstrut/Saale und zur Wasserbereitstellung im Vogtland besonderes Gewicht.1