Friedensseminar »Konkret für den FriedenVI« in Cottbus (Vorbereitung)
[ohne Datum]
Information Nr. 104/88 über das geplante sogenannte Friedensseminar »Konkret für den Frieden VI« in Cottbus
Nach dem MfS vorliegenden internen Hinweisen ist – in Fortsetzung der seit dem Jahre 1983 alljährlich stattgefundenen gleichartigen Veranstaltungen – mit Zustimmung der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg für den Zeitraum vom 26. bis 28. Februar 1988 die Durchführung des sogenannten Friedensseminars »Konkret für den Frieden VI« in Räumlichkeiten der evangelischen Oberkirchengemeinde und unter Nutzung weiterer Räume kirchlicher Einrichtungen in Cottbus geplant. Es steht unter dem Motto »Teilhabe statt Abgrenzung – Wege zu einer solidarischen Lebens- und Weltgestaltung«. Die Teilnahme an dieser Veranstaltung erfolgt nur auf der Basis schriftlicher Einladungen.
Organisator ist ein auf dem vorjährigen Treffen gewählter »Fortsetzungsausschuss«, dem solche hinlänglich bekannten Personen wie Pfarrer Hans-Jochen Tschiche/Magdeburg, Kreisjugendwart Ulrich Töpfer/Meiningen, Pfarrer Bernd Albani/Frauenstein/Karl-Marx-Stadt und Ulrich Bandt/Berlin angehören.
Alle bisherigen »Friedensseminare« wurden von reaktionären kirchlichen und anderen feindlich-negativen Kräften für politisch negative Zielstellungen (Versuche der Zusammenführung bestehender sogenannter Basisgruppen, Ausbau eines Kommunikationssystems) missbraucht, ohne die von ihnen erhofften Wirkungen zu erzielen. Dennoch gelang es ihnen, diese Veranstaltungen als Podium für die Propagierung und Erläuterung antisozialistischer Auffassungen und Konzeptionen zu nutzen.
Wie intern bekannt wurde, versandte Pfarrer Tschiche ca. 240 Einladungen an Vertreter von sogenannten Friedens-, Ökologie-, Menschenrechts- und Frauengruppen in der DDR, die in Privatquartieren in Cottbus untergebracht werden sollen. Unter den Eingeladenen befinden sich wiederum einige Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit, darunter Heiko Lietz/Güstrow, Ulrike Poppe/Berlin, Peter Grimm/Berlin und die Pfarrer Wonneberger/Leipzig und Meckel/Vipperow, aber auch einige progressive Kräfte wie Prof Fink, Leiter der Sektion Theologie der Humboldt-Universität Berlin und Carl Ordnung, Leitungsmitglied des Regionalausschusses der Christlichen Friedenskonferenz.
Erwartet wird die Teilnahme je eines Vertreters der Nachrichtenagentur ENA (DDR) und epd (BRD).
Die Veranstaltung soll in Weiterführung bisheriger Praktiken, vorwiegend in Form sogenannter Gruppenarbeit (8 Arbeitsgruppen), zu solchen beachtenswerten Themen durchgeführt werden wie
- –
»Grenzen und Möglichkeiten der emanzipierten Gruppen«,
- –
»Formulierung und Durchsetzung gesamtgesellschaftlicher Ziele«,
- –
»Ziele und Forderungen für die nationale und internationale Politik«,
- –
»Umgang mit staatlicher Macht und persönlicher Ohnmachtserfahrung«,
- –
»Unser Beitrag zur Kultur des Streites«.
Außerdem soll den Teilnehmern ein »Informationsmaterial« zur Verfügung gestellt werden, in dem die »Berliner Situation« im Zusammenhang mit den »Vorgängen am 17. Januar 1988 und danach« dargestellt wird. Des Weiteren soll über Inhalt und Verlauf der 1. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« (12. bis 15. Februar 1988 in Dresden) berichtet werden.
Unter Beachtung des Inhalts und des Verlaufs der bisherigen Veranstaltungen dieser Art und der erneut zu erwartenden Aktivitäten feindlich-negativer Kräfte aus der diesjährigen Veranstaltung wurden seitens der zuständigen staatlichen Organe langfristig geeignete differenzierte Maßnahmen zur Verhinderung des politischen Missbrauchs dieser Veranstaltung durchgeführt.
Durch den Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes Cottbus für Inneres wurden mehrere Gespräche mit Generalsuperintendent Richter/Cottbus geführt (Richter wurde von der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg verantwortlich gemacht für die innerkirchliche Einflussnahme auf die Veranstaltung), in denen unmissverständlich die staatliche Erwartungshaltung zur Wahrung des religiösen Charakters des »Friedensseminars« zum Ausdruck gebracht wurde. Richter erklärte in diesen Gesprächen seine Bereitschaft, entsprechend seinen Möglichkeiten der staatlichen Erwartungshaltung zu entsprechen.
Internen Hinweisen zufolge ist Generalsuperintendent Richter gegenüber den kirchlichen Amtsträgern der zuständigen Kirchengemeinden in Cottbus in diesem Sinne wirksam geworden.
Ausgehend von der im Gespräch des Sekretärs des ZK der SED, Genossen Jarowinsky, gegenüber Bischof Leich erhobenen Forderung, dass endlich Schluss sein muss, Kirchen zu Oppositionslokalen gegen den Staat zu machen, wird vorgeschlagen, durch den Stellvertreter des Vorsitzenden des Rates der Bezirkes Cottbus für Inneres kurzfristig in einem erneuten Gespräch mit Generalsuperintendent Richter zu verdeutlichen, dass aufgrund vorliegender Kenntnisse mit der Möglichkeit des politischen Missbrauchs dieser Veranstaltung zu rechnen ist und deshalb die Durchführung dieser Veranstaltung nur gestattet werden kann, wenn den staatlichen Erwartungshaltungen entsprochen wird.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.