Gespräch eines Antragstellers mit Ministerpräsident Rau
15. Januar 1988
Information Nr. 27/88 über ein Vorkommnis mit einem Bürger der DDR im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, vor dem Amtssitz des Staatsrates der DDR am 14. Januar 1988
Am 14. Januar 1988, gegen 12.00 Uhr versuchte zum Zeitpunkt des Verlassens des Amtssitzes des Staatsrates der DDR durch den Ministerpräsidenten des BRD-Landes Nordrhein-Westfalen und stellvertretenden Vorsitzenden der SPD, Johannes Rau, eine ca. 25-jährige männliche Person an ihn heranzutreten. Dies wurde durch die eingesetzten Angehörigen der Sicherheitsorgane der DDR aus Gründen der Gewährleistung der Sicherheit und Ordnung sowie des zuverlässigen Schutzes ausländischer Persönlichkeiten zunächst verhindert.
Da sich die Person durch den Ruf »Herr Rau!« bemerkbar machte und Rau diese Ansprache wahrgenommen hatte, bat er, diese Person zu ihm vorzulassen.
Dieser Bitte wurde stattgegeben und es kam nachfolgend zu einem kurzen Gespräch (ca. 2 Minuten) zwischen beiden, über dessen Inhalt keine Hinweise vorliegen.
(Dieses Vorkommnis wurde von westlichen Journalisten beobachtet. Noch am gleichen Tage berichteten westliche Medien in Bild und Ton darüber.)1
Nach Abfahrt des Rau und der Journalisten vom Amtssitz des Staatsrates wurde die Person zur Klärung des Sachverhaltes zugeführt und befragt. Bei der betreffenden Person handelte es sich um den DDR-Bürger [Name, Vorname] (25), wohnhaft in Berlin [Adresse], Beruf: Diplomingenieur für Informationsverarbeitung, seit 1. Oktober 1987 tätig als Hausmeister/Heizer in der evangelischen Kirchengemeinde [Name] Berlin, seit 11. August 1987 Übersiedlungsersuchender.
Entsprechend seinen Angaben habe sich [der Ausreisewillige] auf dem Weg zum Besuch einer Ausstellung befunden und sei auf die Personenbewegung vor dem Staatsratsgebäude aufmerksam geworden. Daraufhin habe er sich spontan entschlossen – ohne vorher gewusst zu haben, dass diese Personenbewegung im Zusammenhang mit dem Aufenthalt von Rau im Staatsratsgebäude stand – den Versuch zu unternehmen, Rau anzusprechen. [Der Ausreisewillige] wurde belehrt und nach Hause entlassen.
Zur Person des [Ausreisewilligen] ist bekannt, dass er nach einem Studium in der Fachrichtung Informationsverarbeitung als Diplomingenieur im FORON, VEB Haushaltgeräteservice Berlin als Problemanalytiker tätig war.
Um sich der gesellschaftlichen Einflussnahme wegen seines am 11. August 1987 bei den staatlichen Organen der DDR gestellten Übersiedlungsersuchens zu entziehen, kündigte er und nahm seine jetzige Tätigkeit auf.
Gemeinsam mit seiner Ehefrau (23, seit Oktober 1987 ohne Arbeitsrechtsverhältnis, zuletzt Studentin an der Technischen Universität Dresden, Exmatrikulation wegen Übersiedlungsersuchen) trat er in den letzten Monaten bei Rücksprachen im Rat des Stadtbezirkes Berlin-Prenzlauer Berg, Abteilung Genehmigungsangelegenheiten, im Zusammenhang mit dem gestellten Übersiedlungsersuchen wiederholt äußerst arrogant auf und zeigte sich in jeder Weise uneinsichtig.
Sein Übersiedlungsersuchen wird gegenwärtig geprüft.