Gespräche der Bundesministerin Wilms im Konsistorium Berlin
25. Januar 1988
Information Nr. 41/88 über ein Gespräch der Bundesministerin für »innerdeutsche Beziehungen« der BRD, Wilms, Dorothee, im Evangelischen Konsistorium mit Vertretern der Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg
Nach dem MfS streng intern vorliegenden Hinweisen suchte die Wilms entsprechend zuvor getroffener Vereinbarungen am 21.1.1988 in der Zeit von 16.30 Uhr bis 18.05 Uhr das Evangelische Konsistorium der Kirchenleitung der Evangelischen Landeskirche Berlin-Brandenburg auf.1 In ihrer Begleitung befanden sich Rauch, Friedrich-Wilhelm und Staab, Franz-Jürgen. Gesprächsteilnehmer der Kirchenleitung waren Bischof Forck, Konsistorialpräsident Stolpe, Propst Furian und Präses Becker.
Zu Beginn des Gesprächs ließ sich die Wilms über die Vorkommnisse am 17.1.1988 am Rande der Demonstration für Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg informieren. Stolpe erklärte den chronologischen Ablauf der Ereignisse und erläuterte dann das staatliche Motiv für das Eingreifen der zuständigen Organe (Traditionen der deutschen Kommunisten und Probleme des historischen Erbes).
Forck versuchte in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen den Ereignissen in und an der Zionskirche und den staatlichen Maßnahmen vom 17.1.1988 zu erläutern und führte aus, dass in Bezug auf die Zionskirche diese Vorkommnisse durch die Gruppen und das Eingreifen des Staates entstanden seien. Die Ereignisse vom 17. Januar sind durch Gruppen und von diesen ausgehenden Provokationen gegenüber dem Staat entstanden. Forck und Stolpe versuchten dabei, indirekt auf den Fernsehauftritt der Wilms einzugehen, den sie intern als peinlich bezeichneten.
Auf die Ausführungen von Forck und Stolpe wurde seitens der Wilms nicht reagiert.
Im weiteren Verlauf des Gesprächs versuchte Stolpe, die harten CDU-Positionen der Wilms zu ergründen, wobei er äußerte, dass ein echter Dialog mit der DDR, ihren Politikern und Menschen ohne Belehrungen und Erpressungen im Rahmen des KSZE-Prozesses geführt werden müsse. Des Weiteren forderte Stolpe, die CDU müsse sich noch mehr einer hohen Qualität in der Kultur des Miteinander bedienen.
Wie weiter streng intern bekannt wurde, interessierte sich die Wilms während des Gesprächs für die »Ausbürgerungs-Anträge«. Sie sprach sich für die größere Erweiterung der Reisemöglichkeiten aus, weil sie in den Reiseverweigerungen eine Ursache der Übersiedlungsabsichten sieht. Die kirchlichen Vertreter erläuterten die Stellung der Evangelischen Kirche zur Ausreiseproblematik. Sie können sich nach wie vor nur für echte, humanitäre Anträge einsetzen. Solche aus kommerziellen und ideologischen Gründen liegen außerhalb ihres Bereiches. Die Kirche würde das Wegbleiben jedoch von Fachkräften in jedem einzelnen Fall bedauern. Hier entstünden echte Störungen der Ost–West-Beziehungen. Die Bonner Regierung sollte hier Einfluss nehmen, solche Störungen auszuschalten. Der »Jubel« über Fluchtversuche und ungesetzliches Verlassen sei nicht angebracht und bringe nur Schaden.
Unter Hinweis darauf, dass sie vor ihrer politischen Tätigkeit langjährige katholische Laienarbeit hauptamtlich geleistet habe, stellte die Wilms Fragen nach der konkreten Situation der evangelischen Kirche und speziell der Gemeinden. Sie interessierte sich dabei für die Äußerungsmöglichkeiten von Frömmigkeit, für die Mitgliederzahlen, Säkularisierungserscheinungen und weitere kirchlich, theologische und religiöse Probleme. In diesem Zusammenhang äußerte sie ihre positiven Eindrücke vom Besuch der Stephanus-Stiftung. Sie sei überhaupt überrascht gewesen von diesem großen Komplex von Diakonie und Ausbildung. Das habe sie nicht erwartet und nicht für möglich gehalten. Ebenfalls sei sie stark vom Wiederaufbau des Berliner Doms beeindruckt. Erst »am Ort des Geschehens« habe sie Größe und Kompliziertheit des Projektes verstehen können. Sie werde darüber der Bundesregierung Bericht erstatten, dass das bisherige Geld aus der BRD gut verwendet worden sei.
Nach Beendigung der Unterredung mit der Wilms nahmen die kirchlichen Vertreter intern eine erste Auswertung des Gesprächs vor. Die Wilms wurde dabei als eine sehr »blasse Figur« eingeschätzt. Sie sei sicher nur aus »Proporz-Gründen« Minister geworden (weil Frau, katholisch und aus der wichtigen Region Nordrhein-Westfalen). Von Politik verstünde sie fast nichts. Sie sei gegen die SPD-Ostpolitik und habe bei Begründungen für ihre Haltung ständig Äußerungen von Bahr und anderen verdreht und verwechselt.
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