Herbsttagungen der Synoden Evangelischer Landeskirchen
15. Dezember 1988
Information Nr. 524/88 über die Herbsttagungen der Synoden der Evangelischen Landeskirche Anhalts, der Evangelischen Landeskirche Greifswald, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs
Im Zeitraum vom 3. bis 6. November 1988 fanden vier Synodaltagungen evangelischer Landeskirchen in der DDR statt:
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2. Tagung der XIX. Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts,
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5. Tagung der VIII. Landessynode der Evangelischen Landeskirche Greifswald,
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9. Tagung der VII. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen,
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2. Tagung der XI. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs.
Die Synode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen tagte, wie schon in der Vergangenheit, unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
An den anderen drei Tagungen waren insgesamt elf ausländische ökumenische Gäste aus der BRD, Österreich, Israel und aus Westberlin anwesend.
Als westlicher Medienvertreter nahm lediglich der in der DDR akkreditierte Korrespondent des Evangelischen Pressedienstes (epd), Röder, zeitweilig an der Synode der Evangelischen Landeskirche Anhalts teil.
Seine Akkreditierung zur Synode in Schwerin nahm Röder nicht wahr. (Von der Synodaltagung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs wurden Aufzeichnungen durch den Rundfunk der DDR gesendet.)
Die 2. Tagung der XIX. Landessynode der Evangelischen Landeskirche Anhalts fand vom 3. bis 5. November 1988 in Dessau statt.
Sie beschäftigte sich mit den Berichten über die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK), der 2. Ökumenischen Vollversammlung in Magdeburg, der Jugendarbeit der Landeskirche, dem kirchlichen Schuldbekenntnis angesichts des 50. Jahrestages der faschistischen Pogromnacht sowie mit der Wahl des Landeskirchenrates und des Kirchenpräsidenten.
In einer geschlossenen Sitzung zu Beginn der Tagung betonte Kirchenpräsident Natho, die Kirchenleitung der Landeskirche sei nicht an einer Verschlechterung der Beziehungen zum Staat interessiert. Er forderte die Synodalen auf, nicht mit Beiträgen aufzutreten, die »als Belastung des guten Verhältnisses verstanden« werden könnten.
Über den Verlauf der BEK-Synode wurde von der Bundessynodalen Frau Dr. Berdrow/Dessau in sachlicher Form informiert. Eine Diskussion dazu fand nicht statt.
Die Ausführungen von Oberkirchenrat Schulze/Dessau und Pfarrer Franke/Güntersberge zu Verlauf und Ergebnissen der 2. Ökumenischen Vollversammlung in Magdeburg enthielten realistische Orientierungen zu kirchlichen Auseinandersetzungen mit den globalen Problemen der Gegenwart. Er hob den notwendigen Beitrag der Christen zur Erhaltung des Friedens hervor.
Bezogen auf die Ergebnisse der 2. Ökumenischen Versammlung in Magdeburg vermerkte er kritisch, die Ziele seien dort zu hoch gesteckt worden, sodass man wenig oder gar nichts erreichen werde. Nachdrücklich erklärte er, es sei nicht die Aufgabe der Kirche, die Rolle einer politischen Partei zu übernehmen. Den Synodalen komme die Aufgabe zu, den Prozess der Ökumenischen Versammlung bis in die Gemeinden kritisch zu begleiten und dabei auch überzogene und unrealistische Positionen zu korrigieren.
Pfarrer Franke betonte, wegen der Vielfalt der während der 2. Ökumenischen Versammlung behandelten Probleme habe es an Gründlichkeit gemangelt. Bedeutende Fragen der Zeit seien in einer Vielzahl von Papieren pauschal und einseitig behandelt worden; Aussagen zu komplizierten politischen und gesellschaftlichen Fragen würden aber Genauigkeit und Sachkompetenz erfordern.
Im Zusammenhang mit dem 50. Jahrestag der faschistischen Pogromnacht fasste die Synode einen Beschluss, in dem sie sich zu dem gemeinsamen Wort des BEK in der DDR und der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (EKD) »Wort zum 9. November 1988«1 bekannte.
Es wurde festgelegt, dieses Papier den Kirchengemeinden der Landeskirche zugänglich zu machen.
Zum Thema Jugendarbeit der Landeskirche sprach Landesjugendpfarrer Bungeroth/Bernburg. Er ging auf Ursachen für die aus seiner Sicht unbefriedigende Situation unter der Jugend der DDR ein und stellte unter anderem fest, die Jugend in der DDR wachse »in einem Umfeld des Erlaubniswesens und mit zwei Sprachen – offenes Jubeln und privates Jammern – auf«; das hemme ihre Kreativität.
In einem Beschluss zur Jugendarbeit, der keine gesellschaftspolitischen Probleme beinhaltete, wurde die Einrichtung der Planstelle eines hauptamtlichen Jugendpfarrers in der Landeskirche befürwortet. (Der epd-Korrespondent Röder ließ sich von Bungeroth dessen vorgetragenen Bericht aushändigen.)
Bei der Wahl des Landeskirchenrates wurde Kirchenpräsident Natho in sein Amt wiedergewählt; als sein Stellvertreter wurde Oberkirchenrat Schulze erneut bestätigt.
Die Frühjahrssynode 1989 der Landeskirche wurde für die Zeit vom 7. bis 8. April 1989 in Dessau anberaumt.
Die 5. Tagung der VIII. Landessynode der Evangelischen Landeskirche Greifswald fand vom 3. bis 6. November 1988 in Züssow statt.
Die ökumenischen Gäste hielten Grußworte, die im Wesentlichen innerkirchlichen Charakter trugen. Dabei hoben die Vertreter aus der BRD und aus Westberlin die »besondere Gemeinschaft« der evangelischen Kirchen in der DDR und der BRD hervor. Frau Gurlitt/Bremische Evangelische Kirche verwies darauf, die Kirche müsse sich dort engagieren, wo der Staat versagt.
Grundlage der Aussprachen in der Synode bildeten die Berichte der Kirchenleitung zum Thema »Gemeinsam leben«, zur Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK), zur Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU), zur 2. Ökumenischen Vollversammlung in Magdeburg und des Amtes für Diakonie.
Der Bericht der Kirchenleitung enthält im Abschnitt »Gemeinsam leben – in der Gesellschaft« Aussagen zum Verhältnis Staat – Kirche.
Ausgehend von der Feststellung, dass es zum Weg des 6. März 1978 keine vernünftige Alternative gebe, wird darauf verwiesen, dass bei der Klärung anstehender Einzelfragen »Vertrauenswürdigkeit oder Verlässlichkeit entscheidende Fundamente sind«. Ausdrücklich bekräftigt wird eine politische und gesellschaftliche Mitverantwortung der Kirchen. »Ereignisse in Berlin und anderen großen Städten« seien für den Staat »unvorhergesehene Ausdrucksformen eines gesellschaftlichen Engagements« gewesen, auf die »gelegentlich unangemessen und widersprüchlich« reagiert worden sei. Die Kirche wäre dort ungewollt in eine Rolle »als Anwalt fremder Interessen gedrängt« worden und sollte an der Lösung von Problemen beteiligt werden, an deren Entstehung sie keinen Anteil gehabt habe.
Es wäre auch für die Zukunft zweckmäßiger, Probleme offen beim Namen zu nennen, aber auch gleichzeitig Geduld und Besonnenheit zu zeigen. Spannungen, die aus der politischen Mitverantwortung der Kirchen erwachsen, könnten sich fruchtbar für die gesellschaftliche Entwicklung erweisen; Konfrontation und Besserwisserei müssten jedoch seitens der Kirche vermieden werden.
Befremden wird im Bericht der Kirchenleitung über »Eingriffe des Presseamtes beim Vorsitzenden des Ministerrates in Kirchenzeitungen«, u. a. in die Wochenzeitung »Die Kirche«, zum Ausdruck gebracht. Erwartet werde, dass zukünftig durch rechtzeitige sachliche Gespräche mit zuständigen staatlichen Stellen die kirchliche Pressearbeit störungsfrei verlaufen könne.
Positiv bewertet werden im Bericht die Friedensinitiativen und Abrüstungsschritte der sozialistischen Staaten. Weiter wird formuliert, die Kirche sehe als Beitrag zur nationalen und internationalen Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Friedenspolitik der DDR eine »Erweiterung der Möglichkeiten zur Realisierung von Gewissensentscheidungen« und des »Handlungsfeldes mündiger Partizipation«.
Der Bericht zu Verlauf und Ergebnissen der Synode des BEK wurde durch die Bundessynodalen Wächter und Springborn/beide Greifswald gegeben.
Springborn nutzte seine Berichterstattung für eine umfassende Darstellung von in Vorträgen, schriftlichen Materialien und Beschlüssen der BEK-Synode enthaltenen Aussagen zu politischen und gesellschaftlichen Fragen. Er verschärfte diesbezügliche inhaltliche Aussagen teilweise noch durch entsprechende eigene Kommentierungen.
Der Bericht zum Verlauf der Synode der EKU, der durch die Synodalen der EKU Sell/Greifswald und Wutzke/Gartz vorgetragen wurde, konzentrierte sich auf innerkirchliche Fragen.
Im Bericht des Amtes für Diakonie, erarbeitet vom Landespastor für Diakonie Hildebrand/Greifswald, wurde u. a. die gute und verlässliche Zusammenarbeit mit staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen hervorgehoben.
Die Delegierten der Evangelischen Landeskirche Greifswald zu den bisher stattgefundenen Ökumenischen Vollversammlungen in Dresden und Magdeburg informierten in breiter Form über deren Verlauf, wobei u. a. politisch negative Aussagen aus schriftlichen Materialien dieses Gremiums vorgetragen wurden.
Die Synode beschloss die Bildung eines Ad-hoc-Ausschusses, der über die weitere Behandlung der Dokumente der Ökumenischen Versammlung Vorstellungen entwickeln soll.
Der Inhalt der Aussprache zu den anderen Berichten war theologisch und innerkirchlich geprägt. Großen Anteil daran hatte Oberkirchenrat Harder/Greifswald.
Politisch negative Aussagen in der Diskussion bildeten die Ausnahme.
So forderte der Pfarrer Dr. Glöckner/Greifswald die Regierung der DDR zu einem Überdenken ihrer Haltung zur SR Rumänien auf, vor allem angesichts der Position Rumäniens gegenüber der ungarischen Minderheit; die Auszeichnung des Genossen Ceausescu mit dem »Karl-Marx-Orden« bezeichnete er als für die DDR »beschämend«. Dieser Beitrag wurde von einigen weiteren Synodalen unterstützt. Der Synodale Stemmler/Altefähr forderte im Auftrag seines Pfarrkonvents die Kirchenleitung auf, der Regierung der DDR dieses Problem vorzutragen. Der Synodale Wutzke/Gartz hob hervor, »Schweigedemonstrationen«, wie sie in Berlin stattgefunden hätten, wären ein Mittel, um auf Probleme rechtzeitig aufmerksam zu machen.
Vom Friedensausschuss der Synode wurden dem Plenum Anträge vorgelegt zu den Themenkomplexen: Einführung eines sozialen Friedensdienstes und eines Faches Friedenserziehung an den Schulen, Herauslösung der Pflicht zur vormilitärischen Ausbildung aus den Lehrverträgen. Diese Anträge wurden ohne Diskussion an den Berichtsausschuss verwiesen.
Bemerkenswert ist der Verlauf der Diskussion im Berichtsausschuss der Synode. Die Beiträge u. a. des Pfarrers Dr. Glöckner/Greifswald und des Studentenpfarrers Noack/Greifswald zielten darauf ab, politisch negative Aussagen der BEK-Synode und der Ökumenischen Versammlung in den Bericht der Kirchenleitung einzubringen. Durch realistische Synodalen, wie Oberkonsistorialrat Dr. Plath/Greifswald, Peters/Neuenkirchen und Pfarrer Prophet/Reinkenhagen wurde dieses Vorhaben verhindert.
Der Bericht zur Ökumenischen Versammlung – deren Anliegen global anerkannt wurde – ist in die Gemeinden zur Diskussion und möglichen Erarbeitung von Stellungnahmen weitergeleitet worden.
Von Bedeutung ist ein zum Beschluss erhobener Brief der Synode zur Rumänienfrage, der an die Regierung der DDR adressiert ist. Darin wird um eine Verbesserung der Information über die Situation in der SR Rumänien gebeten und die Regierung der DDR ersucht, ihre Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Regierung der SR Rumänien auszunutzen, um zur Verbesserung der Verhältnisse in diesem Land beizutragen. Gegenüber der Kirchenleitung wird die Bitte ausgesprochen, Kontakte zu Kirchen und Christen in Rumänien zu nutzen, um nach Wegen der Hilfe zu suchen.
In weiteren Beschlüssen der Synode sind u. a. folgende Aussagen enthalten:
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Ausgehend von vorhandenen und absehbaren Erfolgen im Abrüstungsprozess fühle sich »die Synode ermutigt, für eine baldige Ermöglichung eines zivilen Wehrersatzdienstes und eine Entflechtung von Berufsausbildung und vormilitärischer Ausbildung einzutreten«.
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Im Zusammenhang mit den staatlichen Einsprüchen gegen kirchliche Presseveröffentlichungen unterstützte die Synode die bekannte Haltung von Bischof Leich/Eisenach, wonach die kirchliche Presse auch politische und gesellschaftliche Fragen behandeln müsse und künftig eine ungehinderte Berichterstattung erforderlich sei.
Erneut bekräftigt wurde der Beschluss der Herbstsynode der Landeskirche Greifswald, in dem die Aussage enthalten ist, die Kirche sehe keine Gründe für das Stellen von Anträgen auf Übersiedlung.
(Hinweisen zufolge hatte Bischof Gienke vor Beginn der Synodaltagung den Stellvertreter des Rates des Bezirkes Rostock für Inneres um ein persönliches Gespräch gebeten. Gienke interessierte sich vor allem für die staatliche Einschätzung des Verhältnisses Staat – Kirche nach der BEK-Synode. Er brachte zum Ausdruck, entsprechend seiner Erkenntnis wäre derzeit beim BEK eine »Führungslosigkeit« zu verzeichnen, sodass die Besorgnis realistischer Kräfte über den derzeitigen Kurs des BEK anwachsen würde. Es sei ein zunehmendes Zusammenspiel destruktiver Kräfte mit Westmedien erkennbar, und es wäre verantwortungslos, zu bestimmten Vorgängen in den Kirchen weiter zu schweigen; kirchliche Kräfte müssten sich noch stärker in der Öffentlichkeit äußern. Er selbst wolle in seiner Landeskirche noch mehr auf theologische Probleme orientieren.)
Die 9. Tagung der VII. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit vom 3. bis 6. November 1988 in Eisenach statt.
In ihrem Verlauf wurde deutlich, dass Bischof Leich/Eisenach und das Präsidium der Synode darauf einwirkten, eine sachliche Diskussion zu sichern und Konfrontationen gegenüber dem Staat zu vermeiden. Es gelang ihnen weitgehend, die Arbeit der Synode auf innerkirchliche und theologische Fragen zu konzentrieren.
Der Tätigkeitsbericht des Landeskirchenrates beinhaltete eine detaillierte Darstellung innerkirchlicher Fragen. Hervorgehoben wurde das wachsende Engagement vor allem junger Leute in kirchlichen Gruppen für Frieden, Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und Menschenrechte. Beispielhaft wurden die Ökologiekreise genannt, die durch Baumpflanzaktionen, Pflegeprojekte und Eingaben zu Umweltschäden zunehmend wirksamer würden.
Bezogen auf die staatlicherseits erfolgte Ablehnung des durch den BEK vorgeschlagenen Nikaraguaprojekts wurde Unverständnis zum Ausdruck gebracht. (Es handelte sich dabei um einen vom BEK geplant gewesenen Einsatz junger Christen an einem kirchlichen Objekt in Nikaragua.)
Die Diskussionen zu den der Synode vorgelegenen Berichten sowie die obligatorische Fragestunde beschäftigten sich mit innerkirchlichen Problemen.
In der Fragestunde befasste sich lediglich Pfarrer Koch/Rudolstadt mit dem Problem der Übersiedlungsersuchenden. Er betonte, auch nach dem seitens des Vorsitzenden des Rates des Bezirkes mit Bischof Leich stattgefundenen Gespräch sei die Situation unbefriedigend. Er verwies auf die Notwendigkeit der Seelsorge der Kirche gegenüber den Übersiedlungsersuchenden. Reaktionen auf diesen Beitrag wurden nicht festgestellt.
Eine Eingabe der bereits mehrfach mit politisch negativen Haltungen in Erscheinung getretenen Synodalen aus Jena, Schack und Skriewe, mit der Aufforderung, eine Stellungnahme zur Solidarität mit den Christen Rumäniens abzugeben, fand keine Unterstützung.
Die von Landesjugendpfarrer Friedrich initiierte Eingabe, in der die Berufung eines Ökologiebeauftragten durch den Landeskirchenrat ohne vorherige Konsultationen von Basisgruppen kritisiert wurde, wurde lediglich mit dem Hinweis beantwortet, dass der dafür vorgesehene Pfarrvikar Beck/Creuzburg am 1. September 1989 seine Funktion antreten wird.
In den Landeskirchenrat wurde als Mitglied der Leiter der kirchlichen Baubrigade Heinemann/Apolda neu gewählt. Er tritt die Nachfolge des Finanzdezernenten, Oberkirchenrat Weber, an.
Internen Hinweisen zufolge äußerte der Chefredakteur der Zeitung »Glaube und Heimat«, Dr. Müller, im kleinen Kreis, er wolle zukünftig eine solche Form der Berichterstattung wählen, die »ein Einschreiten des Presseamtes nicht erforderlich« mache.2
Intern wurde weiter bekannt, dass das Präsidium der Synode nach der Tagung den Synodenverlauf als »Friedensangebot der Kirche« gegenüber dem Staat bezeichnete.
Die Frühjahrssynode 1989 der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Thüringen findet in der Zeit vom 13. bis 16. April 1989 in Eisenach statt.
Die 2. Tagung der XI. Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs, die in der Zeit vom 3. bis 6. November 1988 in Schwerin stattfand, beschäftigte sich mit Berichten über die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK), über die Synode der Evangelischen Kirche der Union, die 2. Ökumenische Vollversammlung in Magdeburg und mit den Tätigkeitsberichten der Arbeitsausschüsse der Synode.
Über den Verlauf der Synode des BEK wurde durch den Synodalen Dr. Dörp/Laage insgesamt sachlich berichtet. U. a. brachte er zum Ausdruck, das Verhältnis Staat – Kirche werde im Wesentlichen durch Einzelerfahrungen der Christen in der Gesellschaft bestimmt. Kritik werde seitens des Staates oftmals noch als staatsfeindliches Auftreten ausgelegt. Zur Übersiedlungsproblematik informierte er lediglich, dass sich die BEK-Synode damit beschäftigt habe.
Die Diskussion konzentrierte sich auf die kirchliche Pressearbeit und die Übersiedlungsproblematik.
Politisch negativ äußerten sich die Synodalen Zarft/Neustrelitz (der Staat würde mit der gegenwärtigen Praxis des Verfahrens bei der Genehmigung von Auslandsreisen selbst »die Übersiedlungsersuchen produzieren«), Kruse/Schwaan (die Reisemöglichkeiten stünden im Widerspruch zur Dialogpolitik), Timm/Ballwitz (wegen der Behinderung der kirchlichen Pressearbeit habe sie eine Eingabe an den Staatsrat gerichtet und darin die Dialogpolitik infrage gestellt).
Diese Behauptungen wurden u. a. von den Synodalen Poppe/Teterow, Wienecke/Boizenburg, Voigt/Rostock und Laberius/Herzfeld offensiv zurückgewiesen.
Die Kirchenleitung der Landeskirche stellte ausführlich die staatlicherseits erhobenen Einsprüche gegen geplante Veröffentlichungen in der »Mecklenburgischen Kirchenzeitung« dar. (3 Ausgaben nicht erschienen, von 42 Ausgaben insgesamt 16 beanstandet.) Betont wurde, die Kirchenleitung vertrete den Standpunkt, dass Glaube und Leben zusammengehören und demzufolge die kirchliche Presse auch über Probleme in der Gesellschaft berichten müsse und werde. Auch weiterhin sei sie zu konstruktiven Gesprächen mit dem Staat im Interesse der Leser der kirchlichen Presse und der Gemeindeglieder bereit.
Im Bericht zur 2. Ökumenischen Vollversammlung brachte der Synodale Dr. Seite/Walow u. a. zum Ausdruck, Sozialismus und Kommunismus stellten eine »Hoffnungsalternative« zum Kapitalismus dar; aber der Sozialismus in der DDR brauche mehr Offenheit und Demokratie. Er forderte die Gemeinden auf, in die 3. Vollversammlung 1989 entsprechende Vorschläge und Hinweise einzubringen. Eine Diskussion dazu fand nicht statt.
Die Ausschüsse der Synode befassten sich u. a. mit 19 Eingaben und 4 Anträgen an die Synode. In der Mehrzahl wurde – bezogen auf die staatlichen Einsprüche zur »Mecklenburgischen Kirchenzeitung« – von realistischen Synodalen gefordert, dass in der kirchlichen Zeitung künftig nur kirchliche Probleme behandelt werden sollten.
In einigen anderen Eingaben wurde die Auffassung vertreten, dass der Staat mehr Toleranz zeigen sollte, wenn die kirchliche Presse Themen behandelt, die in der Öffentlichkeit breit diskutiert würden. Weitere Eingaben beinhalteten u. a. die Forderungen nach Einführung eines sozialen Wehrersatzdienstes und nach Abkehr der DDR von der gegenwärtigen Atompolitik.
Auf der Grundlage der in den Ausschüssen erarbeiteten Vorlagen wurden von der Synode folgende Festlegungen getroffen:
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Stellungnahme zur Kirchlichen Pressearbeit. Darin wird auf das nicht regelmäßige und pünktliche Erscheinen der »Mecklenburgischen Kirchenzeitung« verwiesen, was in Widerspruch zu den Staat-Kirche-Gesprächen vom 6.3.1978 und 3.3.1988 stehe. Der gegenwärtige Zustand werde als »besonders belastend« empfunden und erschwere das »Verhältnis zwischen Gemeindegliedern und gesellschaftlichen Verantwortungsträgern«.
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Beschlossen wurde, dass die zwei der Synode vorliegenden Eingaben zur Wehrdienstproblematik in Briefform beantwortet werden. In diesem Brief wird zum Ausdruck gebracht, die Kirchenleitung habe in der Vergangenheit ständig in Gesprächen mit staatlichen Organen Fragen des Wehrdienstes, der Bausoldaten und des Sozialen Friedensdienstes angesprochen. Das in der Eingabe des »DDR-weiten Arbeits- und Koordinierungskreises für das Wehrdienstproblem« (das von den Verfassern umfangreich im kirchlichen Bereich verbreitet und an zahlreiche staatliche Organe übersandt wurde) formulierte 10-Punkte-Programm sei für solche Gespräche eine gute Grundlage.
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Die Eingaben im Zusammenhang mit dem Missbrauch des kirchlichen Raumes durch Übersiedlungsersuchende wurden ebenfalls mit einem Brief beantwortet. Unter Bezugnahme auf die BEK-Synode 1988 wurde darin festgestellt, dass die Kirche Ansprechpartner für solche Menschen bleiben müsse, die in der DDR nicht mehr leben wollen oder können, da sie nur im Raum der Kirche offen sprechen könnten, ohne negative Folgen fürchten zu müssen. Ausgehend von der Aussage der Frühjahrssynode der Landeskirche, dass die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Aufgaben jedes ihrer Mitglieder brauche, wird formuliert: »Unsere Gesellschaft braucht gerade die Einsicht kritisch fragender Menschen, ihre Gaben und Fähigkeiten, damit Verhältnisse entstehen, in denen niemand mehr Ausbürgerungsanträge stellen wird.«
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Das Präsidium der Synode wurde beauftragt, in einem Brief – gerichtet an das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR – darum zu bitten, auf diplomatischen Wegen Einfluss zu nehmen, dass eine »Systematisierung der Dörfer in Rumänien verhindert wird, da sonst in einem europäischen sozialistischen Land unwiederbringlicher Schaden am Identitätsbewusstsein und an den Rechtspositionen nationaler Minderheiten« entstehe.
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In der von der Synode bestätigten Drucksache 25a heißt es, dass der Dialog in der Gesellschaft auf allen Ebenen weiter notwendig sei und die Kirchenleitung auch künftig zu den sogenannten Problemfeldern Volksbildung, Wehrdienst und Umgang des Staates mit den Bürgern das Gespräch mit den staatlichen Organen führen solle.
Als Präsident des Oberkirchenrates der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburgs wurde der zu den realistisch zählenden Synodalen Peter Müller/Schwerin wiedergewählt.
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