Konstituierung der VII.Synode der EKU/DDR
16. Mai 1988
Information Nr. 243/88 über die 1. (konstituierende) Tagung der VII. Synode der Evangelischen Kirche der Union (EKU) – Bereich DDR – vom 6. bis 8. Mai 1988 in Berlin
Die Synode fand im »Dietrich-Bonhoeffer-Haus« Berlin unter Teilnahme von 59 der 61 gewählten und berufenen Synodalen statt.1
Es nahmen folgende ausländische ökumenische Gäste teil:
- –
Präsident Radatz, Werner/Westberlin, Kirchenkanzlei der EKU – Bereich BRD und WB –
- –
Landeskirchenrat Obendieck, Enno/Düsseldorf (BRD), Evangelische Kirche im Rheinland
- –
Pastorin Armitage, Susan/London (GB), Vereinigte Reformierte Kirche im Vereinigten Königreich (URC)
- –
Pfarrer Shaw, Duncan/Edinburg (GB), Kirche von Schottland
- –
Prof. Herzog, Frederick/Durham (USA), Vereinigte Kirche Christi (UCC)
- –
Pfarrer Oussoren, Albertinus H./Toronto (Kanada), Vereinigte Kirche Kanadas (UC/Kanada)
- –
Bischof Kavach, Attila/Budapest (VR Ungarn), Reformierte Kirche in Ungarn
- –
Bischof Dr. Tranda, Zdzislaw/Warschau (VR Polen), Reformierte Kirche in Polen
- –
Erzbischof German/Berlin (UdSSR), Russisch-Orthodoxe Kirche.
Die von ihnen gehaltenen Grußworte an die Synode trugen innerkirchlichen und theologischen Charakter.
Erzbischof German betonte u. a. in Bezug auf die gegenwärtige gesellschaftliche Situation in der UdSSR, dass die Umgestaltung das ganze Leben in der Sowjetunion erfasse und auch die Kirchen mit einschließe. Ein Ausdruck dafür sei, dass dem Patriarchen der Russisch-Orthodoxen Kirche, Pimen, in einem Gespräch mit dem Generalsekretär des ZK der KPdSU, Genossen Gorbatschow, mitgeteilt worden sei, dass in der UdSSR demnächst neue Religionsgesetze und Gesetze über die Gewissensfreiheit erlassen würden.
Zeitweilig waren Korrespondenten der »Frankfurter Rundschau«, der »Westfälischen Rundschau«, von »epd« und »ZDF« sowie Mitarbeiter diplomatischer Vertretungen in der DDR – Kolitzus/Kulturreferent der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR; Dr. Lipping/2. Botschaftssekretär der Botschaft der USA in der DDR – anwesend. Von ihnen gingen keine Aktivitäten aus.
Inhalt und Ergebnisse der Synode waren auf innerkirchliche und theologische Probleme gerichtet. Das wurde insbesondere durch das Wirksamwerden der Bischöfe Gienke/Greifswald, Rogge/Görlitz, Demke/Magdeburg sowie Kirchenpräsident Natho/Dessau erreicht. Sie stellten innerkirchliche und theologische Fragen in den Mittelpunkt und unterbanden Versuche einzelner Synodalen, so genannte Problemfelder Staat – Kirche in die Diskussion einzubringen.
Der gesamte Verlauf der Synode wurde maßgeblich durch den Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKU, Bischof Gienke, der innerkirchlich und theologisch angelegt war, beeinflusst.
Bischof Forck/Berlin nahm im Zusammenhang mit einer kirchlichen Dienstreise in die BRD nur am 6.5.1988 an der Synodaltagung teil und trat im Rahmen der Plenumsveranstaltung lediglich einmal mit einem theologisch geprägten Beitrag in Erscheinung.
Im Mittelpunkt der Synode standen:
- –
Die Konstituierung der Synode (Wahl des Präsidiums und des Ältestenrates, Wahl der synodalen Mitglieder des Rates der EKU, Bildung der Synodalausschüsse),
- –
der Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKU, Bischof Gienke/Greifswald,
- –
der Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei der EKU,
- –
die Behandlung einer Vorlage zur aktuellen »Auslegung des Artikels 16 der Augsburgischen Konfession« zur Problematik »rechtmäßig Kriege führen« sowie
- –
eine Vielzahl weiterer innerkirchlicher und theologischer Fragen und Problemstellungen, wie z. B. gemeinsames Abendmahl mit den Altkatholiken, Vorstellungen über die zukünftige Tätigkeit der EKU (Bericht des ad hoc-Ausschusses »Union«), Vorstellungen zur »Größeren Gemeinschaft« mit dem BEK (Übertragung von Aufgaben an den BEK).
Der 15 Seiten umfassende Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKU, Bischof Gienke, beinhaltete eine Würdigung des Gesprächs des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, mit Bischof Leich/Eisenach am 3. März 1988. Wörtlich erklärte er: »… wir fassen auch Mut, dass es möglich ist, tiefe und berechtigte Vorurteile auf beiden Seiten durch das vertrauensvolle Ja zueinander zu überwinden und beim Miteinander Gutes für Menschen und Völker zu erreichen. Diese Hoffnung und Erwartung ist durch die jüngste Begegnung des Vorsitzenden des Staatsrates, Erich Honecker, und des Vorsitzenden der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen, Landesbischof Leich, neu unterstrichen worden. Auf diesem Weg werden wir immer wieder selber nächste gute Schritte zu gehen haben und sie nicht uns von anderen einfordern, so gewiss jede Kultur des Friedens von einem gemeinsamen Willen lebt.«
Gienke sprach sich für Abrüstungsschritte auf nuklearem und konventionellem Gebiet sowie für die Notwendigkeit der Überwindung des internationalen Terrorismus aus.
Im Tätigkeitsbericht der Kirchenkanzlei der EKU wurden Aktivitäten der Kirchenkanzlei, von Ausschüssen, Kommissionen, Werken und Einrichtungen aufgezählt und eingeschätzt, ohne dabei gesellschaftspolitische Bezüge herzustellen.
In der Diskussion im Plenum der Synode traten insbesondere Bischof Forck, Präses Höppner, Oberkonsistorialrätin Cynkiewicz und die Synodalen Dr. Bernau/Gnadau, Schulze/Leinefelde, Wessel/Berlin und Beyer/Woltersdorf mit Beiträgen innerkirchlichen und theologischen Charakters auf.
Bischof Rogge schlug vor, den Vortrag Gienkes, den er als »wirklich kirchlich« einschätzte, zur weiteren Diskussion in die Gemeinden der EKU zu geben. Rogge ging kurz auf das Verhältnis zwischen Kirche und Gruppen ein und betonte, dies sei ein Thema, das behandelt werden müsse, da die Gruppen aus den Gemeinden kommen.
Bischof Demke erklärte, die in Gemeinden zu beobachtende allgemeine Passivität betreffe nicht nur die Kirche, sondern auch die Gesellschaft. Hier setze die Verantwortung der Kirche ein, um nicht nur Schadensbegrenzung betreiben zu müssen.
Bischof Gienke hob in Schlussbemerkungen zur Diskussion u. a. hervor, die Kirche müsse es lernen, »aus der Tiefe der Seele und in der Seele Frieden zu stiften und nicht im ungestümen Agieren der Gruppen«.
Durch die Synode wurde entsprechend den behandelten Tagesordnungspunkten eine Reihe von Beschlüssen zu innerkirchlichen und theologischen Fragen gefasst. Im Beschluss zum Bericht des Vorsitzenden des Rates der EKU wird hervorgehoben, dass »in einer Zeit, in der das Bild der Kirche in der Öffentlichkeit oft einseitig von Gruppen bestimmt erscheint, die spannungsreiche Wirklichkeit der ganzen Gemeinde in den Vordergrund gestellt worden ist«.
Weiter heißt es darin, dass die »Ausführungen zur Kultur des Streites als Anstoß, die Sprache des Friedens zu erlernen«, verstanden würden. Die Kirche könne jedoch nur dann dazu beitragen, »wenn sie sich auf ihre eigenen Quellen besinnt«.
In einem weiteren Beschluss über Vorstellungen zur Übertragung bzw. Koordinierung von Aufgaben an bzw. mit dem BEK (Vorstellungen zur »Größeren Gemeinschaft«) wird generell festgestellt, das Problem einer »Einbringung der EKU in eine verbindlichere Gemeinschaft« solle erst zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden. Betont wird weiter, dass trotz Übertragung von Aufgaben der EKU an den BEK »die Gemeinschaft mit dem anderen Bereich (EKU-Bereich BRD und Berlin-West) in verbindlicher und geordneter Form erhalten bleiben muss«.
Im Ergebnis der Wahlhandlungen wurden gewählt:
- –
zum neuen Präses der Synode der EKU – der Präses der Synode der Evangelischen Landeskirche Greifswald, Affeld/Greifswald
- –
als Vizepräsidenten
Pastorin Bernau/Gnadau
Dr. König/Erfurt
- –
als synodale Mitglieder des Rates der EKU
Pfarrer de Haas/Perleberg
Frau Hartmann/Nordhausen
Synodale Bandmann/Görlitz
- –
in den Ältestenrat der Synode (neben dem Präsidium der Synode und dem Ratsvorsitzenden)
Kreisoberpfarrer Franke/Zerbst
Präses Milker/Görlitz
Pfarrer Dr. Gabriel/Halberstadt
Synodale Semper/Oranienburg
Prof. Kehnscherper/Greifswald.
Im Ergebnis der Konstituierung der leitenden Gremien der Synode der EKU ist festzustellen, dass das Präsidium der Synode aus politisch realistischen Amtsträgern besteht. Auch der Ältestenrat der Synode setzt sich mehrheitlich aus politisch realistischen loyalen Amtsträgern zusammen. Eine Ausnahme bildet dabei Kreisoberpfarrer Franke/Zerbst.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.