Kontakt eines Antragstellers mit Ministerpräsident Rau in Leipzig
14. März 1988
Information Nr. 132/88 über die Übergabe eines Briefes an den stellvertretenden Vorsitzenden der SPD und Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, durch einen DDR-Bürger
Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD und Ministerpräsidenten des BRD-Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, am 13. März 1988 anlässlich der Leipziger Messe kam es gegen 12.45 Uhr während des Besuches am Stand der Firma Krupp in der Messehalle 2, zu dem sich Rau, abweichend vom vorgesehenen Programmablauf, kurzfristig entschieden hatte zu einem Zwischenfall.
Eine männliche Person lief auf die um Rau befindliche größere Personenansammlung (ca. 50 Personen) zu und übergab ihm einen von ihr mitgeführten Brief. Diese Briefübergabe wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass das Einschreiten von Sicherungskräften zur Unterbindung der Annährung an Rau durch das körperliche Entgegenstellen eines zur Begleitung von Rau gehörenden Journalisten sowie einer weiblichen Person verhindert wurde. Nach der erfolgten Briefübergabe versuchte der gleiche Journalist erneut, durch körperliches Entgegenstellen die eingesetzte Sicherungskraft an der Verfolgung der betreffenden Person zum Zwecke ihrer Identifizierung zu hindern.1
Durch eine andere Sicherungskraft konnte die Person in der weiteren Folge gestellt und zugeführt werden. Dabei versuchte die Person durch an Rau gewandte Rufe auf sich aufmerksam zu machen.2
Die Identifizierung der Person ergab, dass es sich um den Bürger der DDR, [Name, Vorname] (34), wohnhaft: [Adresse in Dresden], Meister der Gebäudewirtschaft, seit 1. November 1987 ohne Arbeitsrechtsverhältnis, Übersiedlungsersuchender seit 1984, handelt.
[Der Ausreisewillige] wurde belehrt und verwarnt und mit der Auflage, sich entsprechend den Gesetzen der DDR zu verhalten, nach Hause entlassen.
Vorliegenden internen Hinweisen zufolge hat Rau die Zuführung der Person selbst nicht bemerkt und in dem am Abend gegebenen Presseinterview auf eine diesbezügliche Anfrage eines BRD-Journalisten erklärt, dass er den Vorfall selbst nicht gesehen habe.
Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Rau in Leipzig ist bezüglich seiner Verhaltensweisen festzustellen, dass er am Vormittag bei der Anfahrt zur Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst in der Thomaskirche entgegen den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz seiner Persönlichkeit darauf bestand, nicht vor der Kirche vorzufahren, sondern die Kfz in der Nähe der Kirche abzuparken. Daraufhin legten Rau und seine Begleitung (ca. 15 Personen) vom Parkplatz zur Kirche ca. 250 m zu Fuß zurück.
Nachdem sich Rau kurzfristig für einen Besuch des Standes der Firma Krupp in der Messehalle 2 entschieden hatte, war ihm im Interesse des Schutzes und der Sicherheit von den eingesetzten Sicherungskräften vorgeschlagen worden, den Pavillon »Gemeinschaftsstand der mittelständischen Industrie Nordrhein-Westfalen« – wo zuvor die Begrüßung des Generalsekretärs des ZK der SED und Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, durch Rau erfolgt war – durch einen Seiteneingang zu verlassen und mit Kfz zur Messehalle 2 zu fahren. Rau lehnte diesen Vorschlag ab, äußerte gegenüber den Sicherungskräften, dass er »in der DDR populär« sei, sich »zeigen wolle« und bestand darauf, den Pavillon durch den Haupteingang zu verlassen. Dabei wurde Rau von mehreren Personen umringt, die von ihm Autogramme erbaten und erhielten.
»Anlage« zur Information 132/88
Schreiben an Erich Honecker vom 14. März 1988
Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik | Ministerium für Staatssicherheit | Der Minister | Persönlich!
Berlin, 14.3.1988, Tgb.-Nr. VMA/131/88
[An den] Generalsekretär des Zentralkomitees der SED, Vorsitzender des Staatsrates der DDR, Genossen Erich Honecker, Berlin
Lieber Erich!
Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD und Ministerpräsidenten des BRD-Landes Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, am 13. März 1988 anlässlich der Leipziger Messe kam es gegen 12.45 Uhr während des Besuches am Stand der Firma Krupp in der Messehalle 2, zu dem sich Rau abweichend vom vorgesehenen Programmablauf, kurzfristig entschieden hatte, zu einem Zwischenfall.
Eine männliche Person lief auf die um Rau befindliche größere Personenansammlung (ca. 50 Personen) zu und übergab ihm einen von ihr mitgeführten Brief.
Die Identifizierung der Person ergab, dass es sich um den Bürger der DDR [Name, Vorname] (34), wohnhaft: [Adresse in Dresden], Meister der Gebäudewirtschaft, seit 1.11.1987 ohne Arbeitsrechtsverhältnis, Übersiedlungsersuchender seit 1984, handelt. [Der Ausreisewillige] wurde belehrt und verwarnt und mit der Auflage, sich entsprechend den Gesetzen der DDR zu verhalten, nach Hause entlassen.
Vorliegenden internen Hinweisen zufolge hat Rau die Zuführung der Person selbst nicht bemerkt und in dem am Abend gegebenen Presseinterview auf eine diesbezügliche Anfrage eines BRD-Journalisten erklärt, dass er den Vorfall selbst nicht gesehen habe.
Im Zusammenhang mit dem Aufenthalt des Rau in Leipzig ist bezüglich seiner Verhaltensweise festzustellen, dass er am Vormittag bei der Anfahrt zur Teilnahme am öffentlichen Gottesdienst in der Thomaskirche entgegen den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz seiner Persönlichkeit darauf bestand, nicht vor der Kirche vorzufahren, sondern die Kfz in der Nähe der Kirche abzuparken. Daraufhin legten Rau und seine Begleitung (ca. 15 Personen) vom Parkplatz zur Kirche ca. 250 m zu Fuß zurück.
Nachdem sich Rau kurzfristig für einen Besuch des Standes der Firma Krupp in der Messehalle 2 entschieden hatte, war ihm im Interesse des Schutzes und der Sicherheit von den eingesetzten Sicherungskräften vorgeschlagen worden, den Pavillon »Gemeinschaftsstand der mittelständischen Industrie Nordrhein-Westfalen« durch einen Seiteneingang zu verlassen, da bereits Besucherverkehr begonnen hatte, und mit Kfz zur Messehalle 2 zu fahren. Rau lehnte diesen Vorschlag ab, äußerte gegenüber den Sicherungskräften, dass er »in der DDR populär« sei, sich »zeigen wolle« und bestand darauf, den Pavillon durch den Haupteingang zu verlassen. Dabei wurde Rau von mehreren Personen umringt, die von ihm Autogramme erbaten und erhielten.
Ich bitte um Kenntnisnahme.
Mit sozialistischem Gruß!
E. Mielke [Unterschrift]