Meinungen zur Ausreise von Krawczyk, Klier und Schlegel
4. Februar 1988
Erste Hinweise über Reaktionen der Bevölkerung auf die erfolgte Übersiedlung der Personen Krawczyk, Klier und Schlegel in die BRD [Bericht O/199]
Ersten vorliegenden Hinweisen zufolge sind die Reaktionen in der Bevölkerung zur Entlassung aus der Staatsbürgerschaft der DDR und zur erfolgten Übersiedlung der Personen Krawczyk, Klier und Schlegel in die BRD1 differenziert einzuschätzen.
Progressive Kräfte äußern ihre Überraschung und Zustimmung zur Entscheidung, diesen Personen die Übersiedlung in die BRD zu genehmigen. (In Gesprächen dazu wird fast ausschließlich auf die Personen Krawczyk und Klier Bezug genommen.) Dabei wird argumentiert, dass sich diese negativen Kräfte seit Langem von der DDR »abgenabelt« und sich selbst ihre materielle und ideologische Existenzgrundlage in der DDR entzogen hätten.
In weiteren Meinungsäußerungen werden von engagierten Kräften, darunter Werktätige aus volkswirtschaftlichen Schwerpunktbetrieben, Studenten, Angehörige der pädagogischen und wissenschaftlich-technischen Intelligenz sowie Mitarbeiter von staatlichen Organen, eine Reihe von Problemen und Fragen aufgeworfen. Unter Hinweis auf den Grundtenor der in den Medien popularisierten Auffassungen von DDR-Bürgern zu den Ereignissen am 17. Januar 1988 – Forderung nach einer rechtskräftigen Verurteilung und harten Bestrafung der Provokateure – wird diese staatliche Entscheidung als im Widerspruch dazu stehend angesehen. Es sei für viele Bürger nicht erkennbar, warum diesen Personen die Übersiedlung genehmigt worden ist. Wiederholt wird dabei geäußert, dass ein »Abschieben« dieser Personen keine akzeptable Lösung sei. Es entspreche nicht den Erwartungen nach einer offensiven Auseinandersetzung mit solchen Kräften und berge die Gefahr in sich, dass Präzedenzfälle geschaffen werden. Erneut wird in diesem Zusammenhang befürchtet, dass auch andere negative Personen, darunter Übersiedlungsersuchende, sich unter dem Eindruck der kurzfristig erfolgten Übersiedlung der Provokateure zu ähnlichen Provokationen »ermuntert« fühlen könnten.
In den Diskussionen werden weiter solche Erwartungshaltungen zum Ausdruck gebracht, die Bevölkerung der DDR nunmehr über die strafbaren Handlungen von Krawczyk und Klier umfassend zu informieren und eine wirksame politisch-ideologische Auseinandersetzung mit seinen »Werken« vorzunehmen. Es müsse unbedingt verhindert werden, so argumentieren diese progressiven Kräfte, dass Krawczyk ähnlich wie Biermann zum Idol für bestimmte Personenkreise werden könne.
In weiteren Meinungsäußerungen wird hervorgehoben, dass die verantwortlichen staatlichen Organe an Glaubwürdigkeit verloren hätten. Es sei unverständlich, so äußern sich z. B. Studenten und Mitarbeiter zentraler staatlicher Organe, dass Personen, bei denen der dringende Verdacht auf Verbindungen zu geheimdienstlich gesteuerten Kräften und Stellen besteht, straffrei ausgehen. In spekulativen Meinungsäußerungen werden die Gründe für eine solche Entscheidung in einem zunehmenden politischen Druck von innen und außen auf die DDR gesehen. Die DDR-Sicherheitsorgane hätten keine ausreichenden Beweise, so wird argumentiert, um den Prozess »ordentlich über die Bühne« zu bringen.
Immer wieder werden in diesen Gesprächen auch Vergleiche angestellt zur Verurteilung anderer Provokateure mit Freiheitsstrafen. Es sei – u. a. nach Meinung von Jugendlichen, Pädagogen und Hochschullehrern – bei den »Berliner Ereignissen« insgesamt der Eindruck entstanden, dass strafprozessuale und strafrechtliche Maßnahmen mit unterschiedlicher Konsequenz angewendet werden.
Von Personen, die sich an Veranstaltungen in Kirchen der DDR beteiligten, wurde Bedauern über die erfolgte Übersiedlung von Krawczyk und Klier zum Ausdruck gebracht und, offensichtlich ausgehend von westlichen Veröffentlichungen, die Auffassung vertreten, dass beide nur unter Androhung von Strafe einen Übersiedlungsantrag gestellt hätten.