Meinungen zur Tagung der Berliner Bischofskonferenz im April
23. April 1988
Information Nr. 213/88 über interne Meinungsäußerungen zum Verlauf der Sitzung der katholischen »Berliner Bischofskonferenz« (BBK)
Dem MfS wurden streng intern Meinungsäußerungen katholischer kirchenleitender Kräfte zum Verlauf der turnusmäßigen Beratung der »Berliner Bischofskonferenz«,1 die vom 7. bis 9. März 1988 stattfand, bekannt.
Im Mittelpunkt der Beratung habe u. a. eine Bewertung der Arbeit der katholischen Laien, insbesondere bezogen auf deren Wirksamwerden im Zusammenhang mit der 1. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« (12. bis 15. Februar 1988 in Dresden) sowie auf deren Beteiligung und Mitwirkung am Katholikentreffen in Dresden (10. bis 12. Juli 1987), gestanden.
(In der Information des MfS Nr. 102/88 vom 24. Februar 1988 war über Inhalt und Verlauf der Vollversammlung berichtet worden.)
Es habe Übereinstimmung bestanden, dass aufgrund der zunehmenden Aktivitäten dieses Personenkreises die Arbeit des Klerus mit den Laien künftig höher bewertet und einen größeren Stellenwert erfahren müsse.
Bedeutsam werde die Arbeit mit den katholischen Laien aus der Sicht der BBK auch dadurch, weil die Ereignisse um die Zionskirche am 17. Januar 1988 in Berlin,2 die Problematik der Übersiedlungsersuchenden sowie weitere sogenannte Problemfelder, die einer rechtlichen Regelung bedürften, nicht nur die evangelischen Kirchen in der DDR beträfen, sondern zunehmend auch die katholische Kirche, ihre Einrichtungen und Mitglieder berühren würden.
In der Beratung sei festgestellt worden, dass aus den katholischen Gemeinden an Pfarrer und Bischöfe zunehmend Fragen gesellschaftspolitischen Inhalts herangetragen würden, denen sich auch die BBK nicht verschließen könne.
Es sei betont worden, nicht nur die katholische Kirche in der DDR werde mit gesellschaftspolitischen Fragen konfrontiert; vielmehr sei das ein weltweites Problem, das in allen Ländern unter Beachtung der jeweiligen konkreten Situation zu Schlussfolgerungen in der weiteren Arbeit mit den Laien herausfordere.
Die BBK habe dem Thema der Laienarbeit im Raum der DDR in letzter Zeit größere Beachtung geschenkt, zumal dies auch Hauptgegenstand der Bischofssynode vom 1. bis 31. Oktober 1987 in Rom gewesen sei, an der Weihbischof Werbs teilgenommen hat. Seinem Bericht zufolge habe die Bischofssynode in Rom u. a. hervorgehoben, der Laie sei auch ein »Weltchrist«, der nicht im leeren Raum lebe und wie jeder andere mit den jeweiligen gesellschaftspolitischen Verhältnissen konfrontiert werde.
Im Verlaufe der Sitzung der BBK seien Meinungen zur Gestaltung des »Auftrages aller Christgläubigen in Kirche und Welt« sowie über damit zusammenhängende Konsequenzen für die kirchliche Arbeit ausgetauscht und u. a. folgende Überlegungen hervorgehoben worden:
Der leitende katholische Klerus in der DDR habe in den zurückliegenden Jahren nur den Christen und die Kirche, aber nicht beide in ihrer konkreten gesellschaftspolitischen Situation gesehen. Das wäre eine unzulässige Einengung der katholischen Praxis gewesen, und von dieser Vergangenheit, alles ausschließlich innerkirchlich und somit unpolitisch einzuordnen, müsse man sich trennen. Damit würde auch den Orientierungen der Bischofssynode in Rom gefolgt.
Die katholische Kirche sei angehalten – so wäre in der Sitzung der BBK weiter hervorgehoben worden –, »an den Persönlichkeitsrechten der Menschen in der DDR mitzutragen«. Sie habe deshalb das Recht und die Pflicht, zu gesellschaftspolitischen Fragen der Gegenwart öffentlich Stellung zu nehmen.
Kardinal Meisner habe in der Sitzung der BBK hervorgehoben, diese Grundhaltung werde von allen katholischen Bischöfen in der DDR unterstützt, und sie hätten übereinstimmend die Schlussfolgerung gezogen, dass die katholische Kirche in der DDR in diesem Sinne wirken müsse.
(Nach streng intern vorliegenden Hinweisen wird diese Position insbesondere von den Bischöfen Huhn/Görlitz, Braun/Magdeburg und den Weihbischöfen Werbs/Schwerin und Weider/Berlin unterstützt.)
Einmütig wurde in der Sitzung der BBK einer »Verbalnote« an die Regierung der DDR zugestimmt (Absender: Episcopus berolinensis, vom 9. März 1988), in der seitens des Klerus der katholischen Kirche in der DDR erstmals Stellung zu gesamtgesellschaftlichen Fragen bezogen wird, wobei festgelegt wurde, die Öffentlichkeit darüber vorläufig nicht zu informieren. (Die »Verbalnote« wurde dem Staatssekretär für Kirchenfragen am 9. März 1988 übergeben.)
Meisner habe die Erwartung ausgesprochen, dass in Auswertung der Sitzung der BBK vom März 1988, des Grundanliegens der »Verbalnote« und auf der Grundlage des Pastoralbriefes »Katholische Kirche im sozialistischen Staat« eine Aktivierung der katholischen Gemeindearbeit und der Laienchristen erfolgt.
Streng internen Hinweisen zufolge habe Kardinal Meisner in vertraulichen Gesprächen gegenüber Klerikern in der DDR sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass der Staat bisher weder auf die »Verbalnote« der BBK noch auf eine auf diplomatischem Weg erfolgte Anfrage des Vatikans vom 29. Januar 1988 hinsichtlich eines möglichen Besuches des Papstes in der DDR reagiert habe.
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