Meinungen zur Tagung der Berliner Bischofskonferenz im Juni
23. Juni 1988
Information Nr. 319/88 über interne Meinungsäußerungen zum Inhalt der turnusmäßigen Tagung der Berliner Bischofskonferenz (BBK) vom 6./7. Juni 1988 in Berlin
Dem MfS wurden streng intern Meinungsäußerungen katholischer kirchenleitender Kräfte zum Verlauf der turnusmäßigen Tagung der Berliner Bischofskonferenz (BBK) vom 6./7. Juni 1988 bekannt.
Von Teilnehmern der BBK wurde wiederholt hervorgehoben, der gesamte Verlauf der Tagung sei durch die »Besetzung« des Domes in Erfurt überschattet gewesen.1
Im Verlauf der Diskussion über dieses Problem habe Kardinal Meisner mehrfach betont, die katholische Kirche halte an ihrem Grundsatz fest, eine Übersiedlung aus der DDR in andere Staaten könne nur in begründeten humanitären Fällen toleriert werden.2
Die Teilnehmer der Tagung hätten darin übereingestimmt, die Öffentlichkeit dürfe von diesen Vorgängen in keinem Fall etwas erfahren, sie – die Bischöfe – würden Maßnahmen zur Verhinderung eines »Presserummels« in westlichen Medien einleiten und unterstützen.3 Da die Kirche das Problem nicht lösen könne, sei ein enges, abgestimmtes Vorgehen mit den zuständigen staatlichen Vertretern notwendig. Über die zentral getroffene Entscheidung – Zustimmung zur Übersiedlung der an der »Besetzung« beteiligten Personen – hätten sich die Bischöfe überrascht und gleichzeitig erleichtert gezeigt.
Im Zusammenhang mit den Ereignissen um den Erfurter Dom seien in der Konferenz weitere Fragen des Verhältnisses katholische Kirche – sozialistischer Staat diskutiert worden.
Nach den konstruktiv vorgetragenen Berichten der Bischöfe Reinelt/Dresden und Hubrich/Schwerin zum Inhalt und Verlauf ihrer Antrittsbesuche bei den jeweiligen Vorsitzenden der Räte der Bezirke Dresden, Leipzig, Karl-Marx-Stadt, Gera, Rostock und Schwerin sei zusammengefasst festgestellt worden, sie seien sachlich geführt worden, hätten jedoch vordergründig Protokollcharakter getragen.
Bemängelt worden seien die über die Gespräche erfolgten Veröffentlichungen in den Presseorganen der Bezirke Dresden und Rostock, die nicht mit den gemeinsam abgestimmten Texten übereingestimmt hätten. Da sich die Bischöfe mit den vorgenommenen Änderungen an den Texten nicht einverstanden erklären könnten, sei beabsichtigt, künftig kirchlicherseits keine Zustimmung mehr für Presseveröffentlichungen über derartige Gespräche zu geben.
Bischof Huhn/Görlitz habe darüber berichtet, ihm sei erstmalig von staatlichen Vertretern in Vorbereitung eines Gespräches die Besichtigung eines volkswirtschaftlich bedeutsamen Betriebes angeboten worden. Dies habe er jedoch abgelehnt.
Die Mitglieder der BBK hätten sich dahingehend verständigt, weiterhin Gesprächen mit Vertretern der Räte der Bezirke zuzustimmen, vor allem mit dem Ziel, Sachfragen zu klären.
Kardinal Meisner habe die Bischöfe über den Inhalt eines Schreibens informiert, das er als Vorsitzender der BBK am 25. Mai 1988 an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Genossen Stoph, gerichtet habe. In diesem 3-seitigen Schreiben, das Probleme der Jugendweihe beinhalte, habe er u. a. auf die schweren Belastungen für Schüler hingewiesen, die sich u. a. dadurch ergäben, dass sie durch ihre Lehrer zur Teilnahme an der Jugendweihe aufgefordert würden, sodass sich daraus eine »Pflichtschulübung« für die Schüler ableite. Er – Meisner – habe Genossen Stoph um eine öffentlich zitierbare Erklärung über die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Jugendweihe gebeten.
In der zu dieser Thematik geführten Diskussion sei die häufig gehandhabte Praxis der Gestaltung von Jugendweihestunden durch Lehrer unmittelbar nach dem Unterricht kritisiert worden, da mit einem derartigen Vorgehen das Prinzip der Freiwilligkeit verletzt werde.
Im Zusammenhang mit der Behandlung der Besetzung kirchlicher bzw. kirchenleitender Ämter habe Kardinal Meisner den Gesundheitszustand von Bischof Braun/Magdeburg – der in der Paderborner Klinik wegen eines Blutgerinnsels im Gehirn behandelt würde – als bedenklich bezeichnet.
Während Generalvikar Kania/Magdeburg gegenwärtig mit Vollmachten zur Vertretung des Amtes von Bischof Braun ausgestattet sei, übernehme Kardinal Meisner die anstehenden Priesterweihen in Magdeburg selbst. Eine eventuelle Nachfolge für Bischof Braun wolle Kardinal Meisner beim Papst erörtern.
Bischof Wanke habe die Konferenz über sein Zusammentreffen mit dem Bundeskanzler der BRD, Kohl, in Erfurt anlässlich dessen Privatbesuches in der DDR in Kenntnis gesetzt. Wanke habe Unmut über den vom Bundeskanzler terminlich nicht eingehaltenen Tagesablauf geäußert, da er sich deshalb nicht ausreichend auf das Gespräch vorbereiten konnte sowie darüber, dass der Besuch in westlichen Medien unkorrekt dargestellt wurde. Bischof Wanke habe geäußert, das Gespräch zwischen ihm und Kohl habe keine grundsätzlichen Probleme beinhaltet, sondern sei lediglich im Interesse des persönlichen Kennenlernens geführt worden. Kohl habe nach der Besichtigung des Erfurter Doms spontan den Wunsch geäußert, das Priesterseminar in Erfurt zu besuchen. Wanke sei davon zwar unmittelbar in Kenntnis gesetzt worden, habe Kohl dann aber bereits in einer Diskussion mit ca. 30 Studenten angetroffen.
Mitglieder der Bischofskonferenz äußerten zu dieser Darstellung von Bischof Wanke, die katholische Kirche in der DDR sei offensichtlich von Kohl zur Aufbesserung seines Images in der BRD »gebraucht worden«.
Prälat Lange habe unwidersprochen zum Ausdruck gebracht, zukünftig werde die katholische Kirche in der DDR nicht mehr als Gesprächspartner für führende Repräsentanten und Vertreter von Parteien der BRD zur Verfügung stehen, ausgenommen solche Personen, die von der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR angekündigt und vermittelt werden.
In der Tagung seien ferner Probleme der künftigen Ausbildung von katholischen Ordensgeistlichen und Nonnen besprochen worden. Es müsse davon ausgegangen werden, dass diese Gemeinschaften in der DDR immer kleiner würden und eine Ausbildung nicht mehr effektiv sei.
Das Ziel müsse in einer Delegierung von entsprechenden Kandidaten der katholischen Kirche in der DDR an Ausbildungsstätten im westlichen Ausland bestehen. Weitere neue Lösungen müssten noch erschlossen werden.
Kardinal Meisner habe sich weiteren streng internen Hinweisen zufolge nach seiner Rückkehr aus Moskau, wo er sich anlässlich der Milleniumsfeierlichkeiten aufgehalten hatte, mehrfach ungehalten darüber geäußert, er sei als Gast dieses Landes nicht mit der ihm gebührenden Aufmerksamkeit behandelt worden. Sein sowie der Aufenthalt weiterer Kardinäle der römisch-katholischen Kirche hätte sich weit unter dem üblichen Protokoll bewegt. Als Beispiel führte Meisner an, man habe ihm wie auch Kardinal Wetter/München zu der Festveranstaltung im Bolschoi-Theater Plätze in den letzten Reihen angeboten. Erst auf Beschwerde und Ankündigung hin, wieder abreisen zu wollen, hätten die Gastgeber eine Änderung vorgenommen. Demgegenüber seien die Delegierten des Vatikans mit besonderer Aufmerksamkeit, teilweise wie Staatsgäste, behandelt worden.
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