Ökumenische Versammlung in Magdeburg
25. Oktober 1988
Information Nr. 456/88 über einige bedeutsame inhaltliche Aussagen der 2. Vollversammlung der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« vom 8. bis 11. Oktober 1988 in Magdeburg
Im Zeitraum vom 8. bis 11. Oktober 1988 fand in Magdeburg die zweite von insgesamt drei geplanten Vollversammlungen der »Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« statt.
(Die »Ökumenische Versammlung« ist Bestandteil des weltweit angestrebten Konziliaren Prozesses als Vorbereitung einer vom Ökumenischen Rat der Kirchen – ÖRK – für 1991 vorgesehenen gleichartigen Weltkonferenz. Über den Verlauf der 1. Vollversammlung im Februar 1988 in Dresden sowie zu den Zielen, Hauptinhalten, den konkreten Vorgehensweisen und dem Teilnehmerkreis der Vollversammlungen wurde in den Informationen des MfS Nr. 81/88 vom 15. Februar 1988 und 102/88 vom 24. Februar 1988 ausführlich berichtet.)
An der 2. Vollversammlung nahmen 131 Delegierte aus 19 Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR – mehrheitlich mittlere kirchenleitende Personen und kirchliche Laien – sowie 16 ausländische ökumenische Gäste – Vertreter des ÖRK, der Konferenz Europäischer Kirchen, der Europäischen Bischofskonferenzen, des Vatikan sowie von Kirchen der BRD, der Niederlande, aus Schweden sowie der VR Polen und der Ungarischen VR – teil.
Mit Ausnahme der Gottesdienste sowie der Plenarveranstaltungen am Abschlusstag, wo lediglich die Berichte der einzelnen Tagungsausschüsse vorgetragen und über die Freigabe der erarbeiteten Vorlagen zur Diskussion in den Kirchengemeinden abgestimmt, jedoch keine inhaltlichen Diskussionen geführt wurden, fanden alle Veranstaltungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Nach dem MfS streng intern vorliegenden Hinweisen standen im Mittelpunkt der 2. Vollversammlung erneut gesellschaftspolitische Fragen und Problemstellungen, die ausschließlich in die Kompetenz des Staates gehören.
Ungeachtet des politisch-realistischen und versachlichenden Einwirkens kirchenleitender Amtsträger und auf realistischen Positionen stehender kirchlicher Personen wurde der in Auswertung der 1. Vollversammlung kirchlicherseits formulierten Absicht, vorrangig existenzielle Probleme der Menschheit zu behandeln, erneut nicht entsprochen. Ebenfalls nicht entsprochen wurde dem Grundanliegen des konziliaren Prozesses der weltweiten Ökumene. Ausdruck dafür ist die Tatsache, dass die Vollversammlung das Vorbereitungsdokument für die »Europäische Ökumenische Versammlung«, welches nach vorliegenden Erkenntnissen fundierte theologische und innerkirchliche Aussagen zu den globalen Weltproblemen als Diskussionsgrundlage beinhaltet, nicht auf die Tagesordnung der Beratung gesetzt hat.
Die negativen Tendenzen der 1. Vollversammlung fanden damit Fortsetzung.
Die 2. Vollversammlung war inhaltlich geprägt durch die von den 13 Arbeitsgruppen eingebrachten Vorlagen vorwiegend politisch-negativen Inhalts. (Die genannten Arbeitsgruppen waren auf der 1. Vollversammlung mit dem Ziel gebildet worden, in Auswertung u. a. der über 10 000 Vorschläge, Hinweise und Anträge aus Kirchengemeinden sowie von gläubigen und anderen Bürgern an dieses Gremium, Diskussionsgrundlagen für die Folgeversammlungen zu schaffen.)1 Diese Vorlagen beinhalten die Gesamtheit der insbesondere von den evangelischen Kirchen in der DDR und den unter ihrem Dach agierenden unterschiedlichsten Gruppierungen benannten sogenannten politischen und gesellschaftlichen Problemfelder bzw. Konfliktbereiche und stellen damit den aktuellsten komplexen Forderungskatalog hinsichtlich gesellschaftspolitischer Veränderungen in der DDR dar. Sie verdeutlichen die Absicht kirchlicher Kräfte, mit dem Staat zu Zielen und Inhalten der politischen Machtausübung in den praktischen Dialog zu kommen und auf Mitentscheidung zu dringen. (Alle Vorlagen liegen dem MfS im Wortlaut vor und können bei Bedarf abgefordert werden.)
Ein besonderer Stellenwert kommt der in der Arbeitsgruppe 1 unter Leitung des wegen seiner fortgesetzten negativen Aktivitäten hinlänglich bekannten Propst Falcke/Erfurt erarbeiteten Vorlage »Theologische Grundlegung – Umkehr zu Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« zu. In thematischer Weiterführung des bekannten Antrages von Falcke an die 3. Tagung der V. Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR (BEK) im Jahre 1987 wird darin in theologisch verbrämter Art die gesamte Breite bekannter kirchlicher Auffassungen und Forderungen zur Friedens-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der DDR, zur Wirtschafts- und Sozialpolitik, zu Fragen der sozialistischen Demokratie und der Gewährleistung der Menschenrechte in der DDR, zur Informationspolitik und zu ökologischen Problemen aufgelistet und behandelt.
Diese Vorlage kann nach vorliegenden internen Einschätzungen als mögliche Konzeption der Kirche zunehmende Bedeutung erlangen bei der praktischen Gestaltung des Umgangs der Kirche mit dem Staat. Die Ablehnung der vorgelegten Fassungen der Vorlagen der Arbeitsgruppen 3 und 6 durch die Delegierten unterstützte ebenfalls die umfassende Bestätigung der von Falcke eingebrachten Vorlage; ihr Inhalt wird bereits jetzt von der Mehrheit der Delegierten der Vollversammlung getragen. (Die Übereinstimmung der Delegierten mit der politischen Konzeption von Falcke findet auch darin Ausdruck, dass er von der 2. Vollversammlung als Delegierter des BEK zur Teilnahme an der »Europäischen Ökumenischen Versammlung« 1989 nachnominiert wurde.)
Erklärte Absicht ist es, diese Vorlage in Auswertung der 2. Vollversammlung in den Kirchengemeinden in der DDR republikweit bekannt zu machen und insbesondere die kirchlichen Gemeindemitglieder zur Diskussion und Beratung über den Inhalt zu inspirieren.
Die Vorlage der Arbeitsgruppe 3 »Mehr Gerechtigkeit in der DDR – unsere Aufgaben, unsere Erwartungen« wurde durch den Synodalen Dr. Fischbeck/wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentralinstitut für Elektronenphysik der Akademie der Wissenschaften der DDR eingebracht. In ihren Aussagen werden Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR infrage gestellt und Forderungen konterrevolutionären Charakters erhoben, u. a. nach Abbau der »zementierten Machtverhältnisse« bzw. nach Abschaffung des »autoritär-ideologischen Vollkommenheitsanspruches der zentralistischen Staatsmacht«. In deutlicher Eskalierung seiner bereits während der 1. Vollversammlung bekundeten feindlichen Auffassungen erklärte Fischbeck bei der Begründung seiner Vorlage u. a., dass die SED aufgrund ihres Anspruches, die einzige wahre Weltanschauung zu besitzen, die Werktätigen in der DDR nicht befragen sondern ausschließlich belehren würde. Daraus leite sich die »Entmündigung« des DDR-Bürgers ab. Fischbeck bezweifelte, den derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungsabschnitt in der DDR als sozialistische Entwicklung zu charakterisieren und forderte dazu auf, Überlegungen darüber anzustellen, was am Sozialismus zu ändern sei. Dabei berief er sich auf die aktuelle Entwicklung in der UdSSR, die angeblich in Richtung eines pluralistischen, marktwirtschaftlichen Sozialismus tendiere.
Im Ergebnis des Wirkens politisch-realistischer Kräfte aus dem Bereich der evangelischen Kirchen – Justitiar Kupas/Berlin bezeichnete diese Vorlage als einen Rückfall in den Kalten Krieg auf sprachlicher Ebene – und mit Unterstützung von Delegierten der katholischen Kirche wurde diese Vorlage mit dem Ziel der Überarbeitung zurückgewiesen.
Die in der Arbeitsgruppe 6 behandelte Vorlage »Friedensethische Urteilsbildung im Bereich des Wehrdienstes, der vormilitärischen Ausbildung und im Berufsleben« wurde im Ergebnis insbesondere des gezielten Auftretens und teilweisen Zusammenwirkens solcher hinlänglich bekannten reaktionären kirchlichen Kräfte wie Propst Falcke, der Pfarrer Schorlemmer/Wittenberg und Pahnke/Berlin, von Pastorin Misselwitz/Berlin und Heiko Lietz/Güstrow mit der Begründung abgelehnt, kirchliche Gremien hätten in zurückliegender Zeit bereits weitergehende Positionen postuliert, so u. a. hinsichtlich der Priorität der Wehrdienstverweigerung gegenüber dem Bausoldatendienst. Das Vorgehen der feindlich-negativen Kräfte verdeutlichte ihre Absicht, ein Zurückbleiben hinter bzw. bewusstes Abrücken von bereits fixierten politischen Positionen gegenüber dem Staat nicht zuzulassen.
Inhalt und Verlauf der gesamten 2. Vollversammlung verdeutlichten insgesamt das Bestreben politisch-negativer Kräfte unter den Delegierten, den konziliaren Prozess in der DDR gezielt gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR, gegen die Politik der Partei auszurichten und in diesem Sinne zu missbrauchen. Mit der fortgesetzten Artikulierung von Forderungen nach gesellschaftlichen Veränderungen in der DDR zielen sie auf einen permanenten Prozess der politischen Auseinandersetzung mit dem Staat zu den Grundlagen der sozialistischen Entwicklung ab. Wie die Behandlung der Vorlage von Falcke unterstreicht, sind diese Personen offensichtlich bestrebt, eine »DDR-Konzeption« in den internationalen konziliaren Prozess hineinzutragen, diese dort bestätigen und mit der »Autorität der Ökumene« in die DDR zurückwirken zu lassen. (Dieses Vorgehen löste erste diesbezügliche Reaktionen aus, indem ökumenische Gäste der 2. Vollversammlung ihre Zustimmung zu dieser »Grundkonzeption der Kirchen in der DDR« bekundeten.) Erkennbar wurden ferner Bestrebungen politisch-negativer Kräfte, die Vollversammlung zu nutzen, um weitere Kirchen und Religionsgemeinschaften in der DDR für ihre Ziele zu vereinnahmen und verstärkt Vertreter kirchlicher Basisgruppen in den konziliaren Prozess einzubeziehen.
Diese Kräfte sind auch verantwortlich für die aktuelle Veröffentlichung und Verbreitung solcher als kirchenintern vorgesehener Dokumente wie der Vorlage feindlich-negativen Inhalts von Fischbeck außerhalb der Vollversammlung im sogenannten Begegnungszentrum, das analog zum Vorgehen zur »1. Vollversammlung« eingerichtet wurde und in der Altstadtgemeinde in Verantwortung des Kirchenkreises Magdeburg lag.
Im Ergebnis des koordinierten Wirkens politisch-negativer Kräfte kam es darüber hinaus mehrfach zu Solidarisierungsbekundungen mit den Personen, die am 10. Oktober 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, in der Öffentlichkeit provokatorisch-demonstrativ aufgetreten waren. Auf schriftlichen Antrag u. a. von Pfarrer Pahnke und Pastorin Misselwitz und mitgetragen durch den anwesenden Bischof Forck wurden zeitgleich für die Teilnehmer des »Berliner Schweigemarsches«2 im Magdeburger Dom eine Schweigeminute und eine Fürbitte-Andacht abgehalten. (Die geforderte Durchführung eines sogenannten Schweigegebetes außerhalb des Domes wurde durch Einflussnahme politisch-realistischer Kräfte unterbunden.)
Nachdem Bischof Forck von Berlin aus über die staatlichen Maßnahmen zur Auflösung des »Schweigemarsches« informiert worden war, setzte er davon das Plenum der Vollversammlung in Kenntnis, welches daraufhin mit einer erneuten Schweigeminute und Fürbitte reagierte.
Das offensive Auftreten gegen politisch-negative Positionen und Kräfte und die aktive Mitarbeit einer Reihe auf politisch-realistischen Positionen stehender Delegierter, Berater und kirchenleitender Amtsträger, darunter Bischof Demke und Oberkirchenpräsident Kramer/beide Magdeburg, Justitiar Kupas und Pfarrer Günther/beide Wilhelmshorst sowie Pastor Lange und der Synodale Dr. Romberg/beide Berlin, bestimmten Verlauf und Ergebnisse der »2. Vollversammlung« ebenfalls mit und verdeutlichten den erreichten Stand im innerkirchlichen Differenzierungsprozess. Die Wirksamkeit dieser realistischen Kräfte wurde besonders demonstriert bei der offensiven Auseinandersetzung mit den von Fischbeck und anderen vorgetragenen Auffassungen politisch-negativen Charakters in den Ausschüssen, in ihrem Auftreten gegen solche Positionen in den Plenarsitzungen und durch versachlichende Einflussnahme auf Veranstaltungen im sogenannten Begegnungszentrum. Besonders bezogen auf Letzteres versuchten sie, theologisch orientierte »Gegengewichte« zu schaffen und sich aus dem Charakter dieser peripheren Veranstaltung ergebenden möglichen Belastungen des Verhältnisses Staat – Kirche entgegenzuwirken. Ihre Einflussnahme auf das »Begegnungszentrum« blieb jedoch wesentlich beschränkt auf die Verhinderung öffentlichkeitswirksamer provokatorisch-demonstrativer Aktivitäten. Die Anzahl dort anwesender und sich artikulierender Personen mit politisch-negativen Auffassungen ließ eine wirksame inhaltliche Einflussnahme nicht zu.
Das am 1. und 2. Beratungstag der »Vollversammlung« geöffnete »Begegnungszentrum« war nach Absicht reaktionärer kirchlicher und anderer politisch-negativer Personen und durch das aktive Wirken solcher kirchlicher Amtsträger wie Propst Falcke und Pfarrer Schorlemmer/Wittenberg sowie von Lietz als Bindeglied zwischen »Ökumenischer Versammlung« und »Basisgruppen« gedacht und profiliert. Es hatte nach dem MfS vorliegenden Hinweisen in der Regel ständig mehr Besucher als die Vollversammlung insgesamt Teilnehmer. In Anlehnung an bekannte Formen der kirchlichen Werkstattarbeit usw. wurde dort von 17 sogenannten Basisgruppen, darunter solchen Gruppierungen wie dem »Arbeitskreis für Wehrdiensttotalverweigerer« Berlin-Treptow, Regionalgruppen des »Arbeitskreises Solidarische Kirche«3 und dem sogenannten grün-ökologischen Netzwerk »Arche«4 und der feindlich-negativen Gruppierung »Initiative Frieden und Menschenrechte« durchgängig ein »Markt der Möglichkeiten« mit Informationsständen gestaltet. Dort zur Verteilung gebrachte bzw. zum Verkauf angebotene nichtlizenzierte Druck- und Vervielfältigungsmaterialien, darunter hinlänglich bekannte Pamphlete und Positionspapiere, beinhalteten überwiegend politisch-negative Aussagen und Forderungen und dienten teilweise zur Sammlung von Unterschriften (Eingabe zur Herbeiführung eines Volksentscheides zur Kernenergienutzung in der DDR).
Im »Begegnungszentrum« wurden analog den Inhalten der Arbeitsgruppen der Vollversammlung Gesprächsgruppen gebildet. Besonderen Zuspruch fanden solche, die sich mit dem Inhalt der auf der »Vollversammlung« behandelten Vorlagen »Mehr Gerechtigkeit in der DDR – unsere Aufgaben und unsere Erwartungen« und »Friedensethische Urteilsbildung im Bereich des Wehrdienstes …« beschäftigten. Dort konzentrierten sich Übersiedlungsersuchende und Sympathisanten, teilweise mit weißen Schleifen an der Kleidung gekennzeichnet. So wurde allein in der Gesprächsgruppe 3 am 8. Oktober 1988 unter ca. 150 Teilnehmern etwa 70 und am 9. Oktober 1988 unter ca. 130 Teilnehmern etwa 90 Übersiedlungsersuchende/Sympathisanten festgestellt. In beiden Fällen kam es – u. a. durch das Verlesen der Vorlage des Fischbeck und zu dieser Problematik geführten Diskussionen – zu massiven feindlich-negativen Äußerungen. Dabei trat besonders der Übersiedlungsersuchende Dr. Gudermuth, Mitglied des als Konzentrationspunkt von Übersiedlungsersuchenden bekannten Arbeitskreises »Gottesdienste für Gerechtigkeit und Frieden« der Bekenntniskirche Berlin-Treptow, in Erscheinung. Beachtenswert ist die Tatsache, dass die von den Übersiedlungsersuchenden postulierte Auffassung, ihre Probleme nur durch eine Ausreise aus der DDR lösen zu können, von Vertretern der »Basisgruppen« mit dem Verweis zurückgewiesen wurde, sich an Bemühungen zur Veränderung der Gesellschaft zu beteiligen.
Die Diskussion am 8. Oktober 1988 in der Gesprächsgruppe 6 – bezeichnet als »Forum der Wehrdienstverweigerung« – stand unter Leitung des Mitgliedes des »Arbeitskreises für Wehrdiensttotalverweigerer« Berlin-Treptow, Schatta, Teilnehmer des »Schweigemarsches« am 10. Oktober 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin. Die ca. 50 Teilnehmer erhoben u. a. Forderungen nach Anerkennung einer »internationalen Erklärung gegen die Wehrpflicht« durch die DDR und verständigten sich über die Intensivierung der Einflussnahme auf Jugendliche zwecks Verweigerung ihres Wehrdienstes sowie über ein noch für den Monat Oktober 1988 in der Eliaskirchengemeinde Berlin geplantes Treffen von Wehrdienstverweigerern.
Nach vorliegenden Hinweisen waren die Vertreter der katholischen Kirche im Gegensatz zu ihrem Verhalten während der »1. Vollversammlung« spürbar bemüht, Versuchen der Vereinnahmung durch politisch-negative Kräfte als auch einer Verschärfung und Belastung des Verhältnisses Staat – Kirche durch ihre inhaltliche Einflussnahme in Bezug einer verstärkten Theologisierung entgegenzuwirken. Sehr deutlich wurde das im Zusammenhang mit dem Auftreten von Monsignore Grande/Dresden und des Delegierten Lipp/Leipzig bei der Diskussion um die von Fischbeck eingebrachte Vorlage.
Mit Ausnahme der Positionen zum Problemkreis Schwangerschaftsunterbrechung war – bezogen auf politisch-realistisch formulierte Standpunkte – Übereinstimmung zwischen Delegierten der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen feststellbar.
Die Mehrheit der Vertreter der anderen Religionsgemeinschaften fand dagegen nach wie vor zu keiner konkreten Standortbestimmung und konstruktiven Mitarbeit und hatte demzufolge keinen Anteil an der Zurückdrängung politisch-negativer Kräfte.
Ganz im Sinne der staatlichen Erwartungshaltung wirkte das Pressebüro der »2. Vollversammlung« unter Leitung von Pfarrer Günther. In den schriftlich verteilten Presseinformationen wurde durch inhaltliche Schwerpunktverlagerungen, Kürzungen sowie Verallgemeinerungen eine ausgewogene und sachliche Darstellung des Verlaufs und der Ergebnisse der »2. Vollversammlung« vorgenommen. Das Pressebüro hat damit – unterstützt von auf politisch-realistischen Positionen stehenden Delegierten – dazu beigetragen, den nichtöffentlichen Charakter der wesentlichsten Elemente der »Vollversammlung« zu wahren und dem spekulativen Wirken der anwesenden Vertreter zahlreicher westlicher Massenmedien entgegenzuwirken. Letztere verstießen erneut bewusst gegen staatliche Auflagen über die Berichterstattung, versuchten die Grenzen ihres Handlungsraumes zu erweitern und erneut die Toleranzschwelle staatlicher Entscheidungen zu testen. So fertigten die Korrespondenten Schmitz/ZDF und Börner/ARD unter bewusster Missachtung durch das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR getroffener Festlegungen Film- und Tonaufzeichnungen und führten nichtgenehmigte Interviews durch. (Beide Korrespondenten wurden bereits seitens des MfAA ermahnt, die Gesetze der DDR einzuhalten.)
An den ersten drei Beratungstagen der »2. Vollversammlung« wurden in Anwesenheit kirchenleitender Amtsträger Pressegespräche durchgeführt.5 Besonderes Interesse bei den Korrespondenten westlicher Massenmedien fand das erste derartige Gespräch, in dem Probleme des Anliegens und der Inhalte der »Vollversammlungen« im Mittelpunkt standen.
Superintendent Ziemer/Dresden äußerte sich in diesem Zusammenhang zur kirchlichen Informationspolitik und zur Haltung des Staates dazu. So erklärte er, dass auch in Anbetracht der Tatsache, dass westliche Massenmedien »Randerscheinungen« der »1. Vollversammlung« in Dresden als Wesen dieser Veranstaltung herausgestellt hätten, eine Einschränkung der Arbeit westlicher Korrespondenten nicht gerechtfertigt sei. Er drückte sein Bedauern darüber aus, dass in Kirchen alles diskutiert werden dürfe, eine öffentliche Berichterstattung jedoch nicht erwünscht sei (analog äußerte sich Ziemer in einem danach mit ihm geführten nichtgenehmigten Interview durch die Korrespondenten von ARD und ZDF). Demgegenüber brachte Monsignore Grande sein Verständnis zu der staatlichen Praxis zum Ausdruck, wonach der Staat darüber befinde, was in die Öffentlichkeit gehöre oder nicht. »Im Gesamtkomplex der gesellschaftlichen Situation«, so Grande, sei es ein Bemühen des Staates, klare Grenzen für das Handeln der Kirchen aufzuzeigen.
Das 2. Pressegespräch fand wegen seiner theologischen/innerkirchlichen Ausrichtung bei den westlichen Korrespondenten wenig Interesse.
Am 3. Gespräch, am 10. Oktober 1988, nahm seitens westlicher Korrespondenten lediglich ein in der DDR akkreditierter Korrespondent aus der Schweiz teil. (Alle anderen westlichen Korrespondenten befanden sich zu diesem Zeitpunkt in der Hauptstadt Berlin, am Ort des sogenannten Schweigemarsches.)6
Im Gesprächsverlauf artikulierten Bischof Forck und Pfarrer Meckel bekannte Positionen zur politischen Mitentscheidung der Kirchen und zu ihrem »Wächteramt«. So erklärte Meckel, die Kirche sei eine gesellschaftliche Kraft, müsse als solche politische Probleme ansprechen und an der Kontrolle des Staates teilhaben.
Durch das die »2. Vollversammlung« abschließende Plenum wurden die durch die Tagungsausschüsse bestätigten Materialien zur »Weiterarbeit in die Gemeinden« freigegeben.
Im Ergebnis dieser Weiterarbeit dem Präsidium zugestellte Vorschläge, Hinweise und Anträge7 sollen im Zusammenhang mit der weiteren Überarbeitung und Beschlussfassung dieser Vorlagen während der »3. Vollversammlung der Ökumenischen Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« vom 27. bis 30. April 1989 Beachtung finden. Als mögliche Veranstaltungsorte dieser Folgeversammlung stehen Erfurt bzw. Dresden zur Diskussion.
Es wird vorgeschlagen, dass der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Löffler, seine nächsten Gespräche mit kirchenleitenden Personen nutzt, um die gewonnenen Erkenntnisse über die 2. Vollversammlung in Magdeburg auszuwerten, die dort vorgetragenen Angriffe zurückzuweisen und erkennbare Tendenzen kirchlichen Engagements für Frieden und Abrüstung zu unterstützen.
Die politische Arbeit mit den Delegierten der »Ökumenischen Versammlung« ist durch die zuständigen staatlichen und gesellschaftlichen Einrichtungen kontinuierlich fortzuführen.
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Mielke [Unterschrift]