Proteste gegen die Zensur von Kirchenzeitungen (Planungen)
20. Oktober 1988
Information Nr. 457/88 über eine erneut beabsichtigte Zusammenrottung feindlich-negativer Kräfte am 24. Oktober 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Streng intern wurde bekannt, dass die Initiatoren der am 10. Oktober 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, aufgelösten Zusammenrottung (200 Teilnehmer, 78 Zuführungen) – maßgeblich inspiriert und unterstützt durch in der DDR akkredierte Korrespondenten westlicher Massenmedien, darunter insbesondere der ARD-Fernsehkorrespondent Börner – für den Fall, dass am 23. Oktober 1988 abermals Kirchenzeitungen aufgrund staatlicher Beanstandungen nicht erscheinen dürfen,1 eine erneute Demonstration mit dem Ziel der Druckausübung auf die entsprechenden staatlichen Entscheidungen zu organisieren beabsichtigen.
Streng interne Informationen beweisen, dass sich westliche Journalisten auf eine spektakuläre Berichterstattung über die beabsichtigte Demonstration vorbereiten und dabei Börner eine entscheidende Rolle spielt.
(Börner war in letzter Zeit wiederholt an der Organisierung von provokatorischen Auftritten westlicher Korrespondenten und an der Inspirierung von provokatorisch-demonstrativen Handlungen in der DDR beteiligt. Er arbeitete eng mit dabei wirksam gewordenen feindlich-negativen Kräften zusammen und nahm Einfluss auf die Publizierung der von diesen Personen durchgeführten Aktivitäten, was mehrfach Anlass für eine intensive Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die DDR war.)
An der geplanten Provokation wollen sich neben kirchlichen Amtsträgern bzw. in kirchlicher Ausbildung befindlichen Personen vor allem im Sinne politischer Untergrundstätigkeit agierende Kräfte und Mitglieder aus sogenannten kirchlichen Basisgruppen, vor allem der Samaritergemeinde/Berlin, aber auch aus Bezirken der DDR, des sogenannten grün-ökologischen Netzwerkes »Arche«2 und verschiedener »Friedenskreise« beteiligen. Nach weiter vorliegenden Hinweisen sei beabsichtigt, eine landesweite Aktion der evangelischen und katholischen Kirche am 24. Oktober 1988, 16.00 Uhr, in der Hauptstadt der DDR, Berlin, durchzuführen.
Ihren Ausgangspunkt soll die Provokation vom Petrisaal des Konsistoriums der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Stadtbezirk Berlin-Mitte nehmen.
Im Anschluss an das montägliche Friedensgebet am 17. Oktober 1988 in der Nikolaikirche in Leipzig wurden vor der Kirche unter den anwesenden Übersiedlungsersuchenden Termin und Anliegen der geplanten Demonstration in individuellen Gesprächen popularisiert und auch Übersiedlungsersuchende zur Teilnahme aufgefordert.
Weiterhin wurde streng intern bekannt, dass während einer Zusammenkunft bei Pfarrer Eppelmann am 10. Oktober 1988 Konsistorialpräsident Stolpe sowie Stadtjugendpfarrer Hülsemann die SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Schmude, Weißkirchen und Sielaff vom Zeitpunkt und der Zielstellung der geplanten Provokation in Kenntnis setzten.
Ungeachtet getroffener zentraler Entscheidungen über das vollständige Erscheinen aller Kirchenzeitungen ist davon auszugehen, dass die zur Handlungsbereitschaft mobilisierten vorgenannten Kräfte sich am 24. Oktober 1988 zusammenrotten, um öffentlichkeitswirksam in Erscheinung zu treten.
In Fortführung bereits realisierter staatlicher Maßnahmen – Gespräch des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Genossen Löffler, mit Konsistorialpräsident Stolpe am 19. Oktober 1988 und Übermittlung der staatlichen Erwartungshaltung bezüglich seiner Einflussnahme auf die Unterbindung der geplanten Provokationen – ist weiter vorgesehen
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die Durchführung von Gesprächen durch leitende Mitarbeiter der Bereiche Inneres beim Magistrat der Hauptstadt der DDR, Berlin, und den Räten der Bezirke mit verantwortlichen kirchenleitenden Kräften der evangelischen Landeskirchen analog dem Gespräch Löffler/Stolpe,
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die Durchführung differenzierter Vorbeugungsgespräche im Zusammenwirken mit den zuständigen staatlichen Organen mit Inspiratoren, Organisatoren und Teilnehmern der geplanten Zusammenrottung mit dem Ziel, diese Personen – auch unter Androhung rechtlicher Sanktionen – nachhaltig zu disziplinieren,
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die Durchführung wirksamer Kontroll- und anderer Maßnahmen, um eine Anreise bekannter Teilnehmer an der Provokation nach der Hauptstadt der DDR, Berlin, zu verhindern,
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im Falle des Stattfindens der geplanten Provokation im engen Zusammenwirken mit der Deutschen Volkspolizei diese Zusammenrottung zu unterbinden und keine Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zuzulassen. Teilnehmer an einer möglichen Provokation sollten zugeführt und gegen sie mit differenzierten rechtlichen Maßnahmen vorgegangen werden,
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ein Wirksamwerden von Korrespondenten westlicher Massenmedien während einer möglichen Provokation in geeigneter Weise zu verhindern bzw. weitestgehend einzuschränken.
Unter Berücksichtigung des weiteren Verhaltens des ARD-Korrespondenten Börner wird vorgeschlagen, diesen erneut in das MfAA vorzuladen und in Anknüpfung an die bereits erfolgte Belehrung in entsprechender Form nachdrücklich zu ermahnen, die Rechtsordnung der DDR strikt einzuhalten und künftig jegliche gegen die DDR gerichteten Aktivitäten zu unterlassen.
In Abhängigkeit von der Durchführung der geplanten Zusammenrottung sollte erwogen werden, darüber in angemessener Weise in den Massenmedien der DDR zu informieren mit dem Ziel, nachzuweisen, dass es sich hierbei um eine von gegnerischen Kräften inspirierte Aktion zur internationalen Diskreditierung der DDR handelt.
Die Information ist wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt!
Mielke [Unterschrift]