Rede von Willy Brandt in der Evangelischen Akademie in Ostberlin
22. Februar 1988
Hinweis zur Absage des Auftretens des SPD-Ehrenvorsitzenden Willy Brandt auf einer kirchlichen Veranstaltung in der Hauptstadt der DDR [Bericht K 3/89]
Die Evangelische Akademie Berlin-Brandenburg hat für den 27. Februar 1988 (10.00 bis 18.00 Uhr) eine Veranstaltung im Stephanusstift Berlin-Weißensee vorgesehen. Als Thema wurde genannt:
»Kein Frieden ohne Gerechtigkeit«, Untertitel: »Die Nord-Süd-Kommission und der Nord-Süd-Konflikt; zum 2. Todestag von Olof Palme«.
Brandt war seitens der Evangelischen Akademie zur Teilnahme an dieser Veranstaltung eingeladen und wollte als Redner auftreten.
Hinsichtlich der Einladung, der später erfolgten Absage und der Benennung eines »Ersatzmannes« für Brandt ist Folgendes beachtenswert:
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Am 30. November 1987 wandte sich Konsistorialpräsident Stolpe schriftlich an Genossen Axen und ersuchte um Unterstützung bei der Vorbereitung und thematischen Gestaltung der Veranstaltung und der Einreise von Brandt.
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Der Brief wurde von Genossen Axen an Genossen Erich Honecker weitergeleitet. Genosse Honecker erklärte sein Einverständnis zum Vortrag Brandts. Brandt wurde sowohl von Genossen Axen als auch über kirchliche Verbindungen entsprechend informiert.
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Aufgrund der Entwicklung in den letzten Wochen wurde das Auftreten Brandts nicht mehr als zweckmäßig erachtet. Im Auftrag des Genossen Jarowinsky (abgestimmt mit Genossen Axen) hat Genosse Gysi Konsistorialpräsident Stolpe aufgefordert, dies Brandt mitzuteilen.
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Stolpe akzeptiert dies und ließ Brandt über kirchliche Verbindungen mitteilen, von der vorgesehenen Teilnahme an der Veranstaltung Abstand zu nehmen.
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SPD-Führungskreise benannten in Abstimmung mit kirchenleitenden Vertretern der DDR daraufhin den weniger bekannten SPD-Bundestagsabgeordneten Toetemeyer (Hagen/Westfalen) als »Ersatzmann« für Brandt. Toetemeyer wurde als Redner zum Thema »Der Nord-Süd-Konflikt und die gemeinsame Sicherheit« eingeplant.
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Das Auftreten Toetemeyers wurde von den Genossen Axen und Jarowinsky nicht gebilligt. Genosse Gysi überbrachte Konsistorialpräsident Stolpe am 19. Februar 1988 die Aufforderung, Toetemeyer ebenfalls auszuladen. Stolpe nahm dies zur Kenntnis; eine Reaktion seinerseits ist bisher nicht bekannt.
Nach bisherigen Erkenntnissen ist davon auszugehen, dass Brandt seine Ausladung akzeptiert hat, wobei nicht auszuschließen ist, dass er am 27. Februar 1988 »privat« einzureisen versucht, zumal er sich an diesem Tag anlässlich einer Veranstaltung des »Aspen-Instituts für humanistische Studien e. V.« in Westberlin aufhalten soll.