Seminar der Samaritergemeinde/Berlin zum Verhältnis zur SU
21. April 1988
Information Nr. 204/88 über ein geplantes sogenanntes Gemeindeseminar in der evangelischen Samaritergemeinde in Berlin-Friedrichshain
Nach dem MfS streng intern vorliegenden ersten Hinweisen plant der hinlänglich bekannte Pfarrer Rainer Eppelmann gemeinsam mit dem »Friedenskreis« seiner Kirchengemeinde, der Samaritergemeinde in Berlin-Friedrichshain, im Zeitraum von 2. bis 8. Mai 1988 ein sogenanntes Gemeindeseminar zum Thema »Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion«.
Unter Berufung auf die »1 000-Jahrfeier der Taufe Russlands und die letzten revolutionären Veränderungen« in der Sowjetunion zielt das vorgesehene Programm der genannten Veranstaltung darauf ab, unter demagogischer Berufung auf die aktuelle Politik der Umgestaltung in der UdSSR Bezüge zur innenpolitischen Lage und Entwicklung in der DDR herzustellen und für die DDR »gesellschaftliche Defizite« nachzuweisen sowie – davon ausgehend – Diskussionen über angeblich notwendige innenpolitische Veränderungen zu inszenieren.
Die seit Langem erkennbare Tendenz im Vorgehen Eppelmanns, die kirchliche »Basisarbeit« zu politisieren, mit demagogischer Bezugnahme auf offizielle Anlässe in einen Dialog mit politischen und gesellschaftlichen Kräften zu kommen und damit – auch persönlich – Anerkennung als politischer Partner zu erlangen, findet somit erneut Bestätigung.
Zum geplanten Vorhaben liegen dem MfS nachstehende erste Hinweise vor:
Der Teilnehmerkreis soll durch schriftliche und mündliche Einladungen begrenzt werden. In der Absicht, den offenen Dialog in kirchlichen Räumlichkeiten zu führen, wird u. a. die Teilnahme von Persönlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens in der DDR und von Mitarbeitern der Botschaft der UdSSR in der DDR angestrebt. Zu diesem Zweck übergaben Eppelmann und das Mitglied des »Friedenskreises« der Samaritergemeinde, Apfeld, am 23. März 1988 beim Bezirksvorstand Berlin der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und bei der Botschaft der UdSSR in der DDR Einladungen mit der Bitte um Teilnahme von Referenten/Gesprächspartnern für thematische Foren und Gesprächsrunden. Eine analoge Einladung wurde an das Moskauer Patriarchat der Russisch-Orthodoxen Kirche in der Hauptstadt der DDR, Berlin, verschickt.
Nach vorliegenden streng internen Hinweisen führte am 5. April 1988 der Vorsitzende des Bezirksvorstandes Berlin der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft mit Eppelmann ein Gespräch und teilte diesem in Reaktion auf die Einladung mit, dass seine Organisation eine Einbeziehung in derartige kirchliche Vorhaben generell ablehne. Er unterbreitete Eppelmann im Gegenzug den Vorschlag der Teilnahme an Veranstaltungen der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft und der Mitgliedschaft in dieser Organisation. Eppelmann reagierte mit der Äußerung, diesen Vorschlag überdenken zu wollen.
Nach weiteren Hinweisen beabsichtige die Botschaft der UdSSR in der DDR, auf die im Schreiben von Eppelmann unterbreiteten Vorschläge nicht zu reagieren. An den geplanten Vorhaben werde kein sowjetischer Diplomat teilnehmen. Hinsichtlich der im Schreiben angekündigten Kranzniederlegung am 8. Mai 1988 bestehe die Auffassung, dass dazu keine Einwände vorliegen würden.
Im Rahmen der Gesamtveranstaltung im Zeitraum vom 2. bis 8. Mai 1988 wurden bisher folgende geplante Einzelaktionen bekannt:
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Aufführung von sowjetischen Filmen im Gemeindesaal der Samaritergemeinde vom 2. bis 5. Mai 1988, täglich jeweils 20.00 Uhr. Vorgesehen ist die Vorführung einer Videoaufzeichnung des bisher von der DDR für Aufführungen nicht übernommenen sowjetischen Spielfilmes »Die Reue«. (Dieser Film wurde in Westberlin in Kinos gezeigt.)
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Am 6. Mai 1988 soll eine thematische Abendveranstaltung zum Problem der »deutsch-russischen/deutsch-sowjetischen« Geschichte gestaltet werden.
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Über »Möglichkeiten der Entfaltung der deutsch-sowjetischen Freundschaft« und über eine von der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (EKD)/BRD verfasste Thesenreihe zum Thema »Versöhnung mit den Völkern der Sowjetunion« soll am 7. Mai 1988 diskutiert werden. Nach Auffassung von Eppelmann sollten in diesem Zusammenhang die Arbeitsweise der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft dargestellt und Überlegungen angestellt werden hinsichtlich ihrer Chancen, Grenzen und Pläne sowie der Intensivierung und Ausweitung ihrer Wirksamkeit.
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Am Vormittag des 8. Mai 1988 ist ein Gottesdienst zum Thema »Versöhnung« vorgesehen und um 15.00 Uhr eine Andacht mit Kranzniederlegung an einem noch nicht exakt festgelegten sowjetischen Ehrenmal (evtl. Berlin-Treptow bzw. Pankow-Schönholz).
Durch das MfS sind Maßnahmen eingeleitet zur weiteren Aufklärung von Plänen und Vorhaben im Zusammenhang mit der genannten Veranstaltung und zur vorbeugenden Verhinderung öffentlichkeitswirksamer feindlich-negativer Aktivitäten.
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