Tagung der Kommission für Kommunikation des LWB in Erfurt
28. Mai 1988
Information Nr. 266/88 über die Jahrestagung der Kommission für Kommunikation des Lutherischen Weltbundes (LWB) vom 4. bis 12. Mai 1988 im Haus Reinhardtsberg in Friedrichroda, Bezirk Erfurt
An der genannten Tagung nahmen der Generalsekretär des LWB, Staalsett/Norwegen, weitere gewählte Mitglieder der Kommission für Kommunikation des LWB und Mitarbeiter der Abteilung für Kommunikation des LWB-Stabes aus Genf – insgesamt 39 namentlich bekannte Personen – teil.
Als Vertreter des Nationalkomitees des LWB in der DDR bzw. der lutherischen Landeskirchen waren außer dem gastgebenden Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Thüringen, Leich, weitere elf kirchliche Amtsträger, vorwiegend aus der kirchlichen Medienarbeit in der DDR, anwesend.
Während der Jahrestagung bildeten die Berichte des Generalsekretärs Staalsett und des Direktors der Abteilung für Kommunikation, Hjelm/USA, sowie die in allen Kommissionen des LWB gegenwärtig stattfindenden Strukturdiskussionen in Vorbereitung auf die 8. Vollversammlung des LWB den Schwerpunkt. Darüber hinaus wurden umfangreiche Diskussionen zu Personalproblemen geführt.
Bedeutsam war ein der Jahrestagung vorausgegangenes Seminar, in dem sich traditionsgemäß die gastgebenden Kirchen vorstellen und ihre Kommunikations- und Medienarbeit erläutern. Durch längerfristige intensive Einflussnahme seitens zuständiger staatlicher Organe auf die Vorbereitung der Tagung, insbesondere das vorangegangene Seminar, wurde erreicht, dass die Kirchenvertreter aus der DDR eine sachliche Darstellung der kirchlichen Medienarbeit gaben und dass anfängliche Versuche, die im Zusammenhang mit der bekannten tendenziösen Berichterstattung in den Kirchenzeitungen entstandene komplizierte Situation konfrontativ gegen das Verhältnis Staat – Kirche auszunutzen, unterbunden wurden.
Vor allem die zur kirchlichen Radio- und Fernseharbeit sowie zu den Möglichkeiten kirchlicher Verlage in der DDR gehaltenen Vorträge fanden breite Zustimmung und wurden als beispielgebend für die Unterstützung des Staates gegenüber der kirchlichen Kommunikation gewertet.
Die gegenwärtigen Probleme in der kirchlichen Pressearbeit wurden durch den Chefredakteur der Kirchenzeitung »Glaube und Heimat«, Dr. Müller/Jena, zurückhaltend dargestellt. Fragen seitens der Tagungsteilnehmer, insbesondere von Kirchenvertretern aus der 3. Welt, lösten die in den Ausführungen Dr. Müller’s erwähnten Tabuthemen aus, über die laut Vorgaben des Presseamtes des Ministerrates der DDR in Kirchenzeitungen nicht berichtet werden dürfe. Die genannten Personen, die dem in der DDR praktizierten Verhältnis Staat – Kirche positiv gegenüberstehen und dieses Modell als beispielgebend bewerten, wollten wissen, warum der Staat in diesem Falle so restriktiv vorgeht und ob sich damit eine Änderung der Politik der Partei- und Staatsführung in Kirchenfragen andeute.
Diese Fragen blieben in der Diskussion offen.
An dem Seminar nahm der akkreditierte BRD-Korrespondent Röder/epd teil, obwohl die Veranstaltung als nicht öffentlich ausgewiesen war. Durch entsprechende Einflussnahme wurde gesichert, dass eine öffentliche Berichterstattung zum Inhalt und Verlauf des Seminars in den Publikationsorganen des LWB nicht erfolgt.
Weiterhin Bedeutung kommt der im Verlauf der Tagung geführten Diskussion zu Personalproblemen zu, in deren Mittelpunkt die erfolgte Berufung des Vertreters der evangelischen Kirchen in der DDR, Kapiske/Magdeburg, in die Funktion des Chefredakteurs des Informationsdienstes der Lutherischen Minderheitskirchen in Europa (IDL – KALME) mit Sitz in Budapest/UVR stand. Sie war von den Vertretern der ungarischen lutherischen Kirchen nicht akzeptiert worden. Der ablehnenden Haltung der ungarischen Vertreter lagen keine auf Kapiske bezogenen persönlichen Motive zugrunde. Vielmehr richtete sie sich gegen die Berufung eines Vertreters der DDR-Kirchen überhaupt in diese Funktion. Ursache hierfür ist, dass bestimmte verantwortliche Vertreter der ungarischen lutherischen Kirchen mit wachsender Besorgnis das konfrontative Verhalten bestimmter kirchenleitender Kräfte der evangelischen Kirchen in der DDR, insbesondere der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, gegenüber dem Staat beobachten und befürchten, mit der Anwesenheit eines DDR-Kirchenvertreters in der UVR könne einer analogen Entwicklung in ihrem Land Auftrieb gegeben werden. Da der LWB diese Berufung nicht zurückzuziehen beabsichtigte, wurde beschlossen, die Redaktion von IDL – KALME für die Dauer von drei Jahren nach Wien/Österreich zu verlagern und sie danach in Warschau/VR Polen zu etablieren. Internen Hinweisen zufolge soll mit dieser Entscheidung die Integrität und Unabhängigkeit des LWB öffentlich unter Beweis gestellt werden.
Die im weiteren Tagungsverlauf diskutierten Projekte, Sachverhalte und Berichte der Kommission für Kommunikation befassten sich mit Vorgängen der Kommunikationsarbeit im LWB, vorrangig in der 3. Welt.
Am 6. Mai 1988 führte der Stellvertreter des Staatssekretärs für Kirchenfragen der DDR, Hermann Kalb,1 ein Gespräch mit dem Generalsekretär der LWB, Staalsett. Dieser nahm die ihm persönlich überbrachte Einladung zur Teilnahme einer Delegation des LWB am Internationalen Treffen für kernwaffenfreie Zonen in der Hauptstadt der DDR, Berlin, zum Anlass, die von der DDR ausgehenden abrüstungspolitischen Initiativen hoch zu würdigen und die Teilnahme einer hochrangigen Delegation des LWB zuzusagen. Staalsett versicherte dem Stellvertreter des Staatssekretärs, dass sich der LWB, obwohl er starkem Druck, insbesondere seitens der BRD-Kirchen, ausgesetzt sei, nicht mit eigenen Erklärungen in das Verhältnis Staat – Kirche in der DDR einmischen werde.
Im Anschluss an die Jahrestagung weilten die Teilnehmer bis zum 18. Mai 1988 zu Besuchen in Kirchengemeinden der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche in Thüringen.
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