Treffen der SPD-Politiker Schmude und Sielaff mit Pfarrer Eppelmann
15. April 1988
Information Nr. 190/88 über ein von Pfarrer Eppelmann/Berlin initiiertes Treffen mit den Mitgliedern der Bundestagsfraktion der SPD, Jürgen Schmude und Horst Sielaff, am 11. April 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Nach dem MfS streng intern vorliegenden Hinweisen fand auf Initiative und persönliche Einladung von Pfarrer Rainer Eppelmann am 11. April 1988, in der Zeit von 20.00 bis gegen 23.15 Uhr in Räumlichkeiten der Samaritergemeinde in Berlin-Friedrichshain eine langfristig vorbereitete Zusammenkunft von über 20 DDR-Bürgern mit den Mitgliedern der Bundestagsfraktion der SPD, Jürgen Schmude (Präses der Synode der »Evangelischen Kirche in Deutschland«/BRD) und Horst Sielaff, statt. (Die zu diesem Zweck beabsichtigte Einreise des Mitglieds der Bundestagsfraktion der SPD, Gert Weisskirchen, wurde auf zentralen Entscheid nicht gestattet.)1
Die von Eppelmann ausgewählten und persönlich eingeladenen DDR-Teilnehmer repräsentierten das breite Spektrum feindlich-negativer Kräfte, so u. a. im Sinne politischer Untergrundtätigkeit agierender Gruppen, Kräfte der sogenannten Kirche von unten bzw. der Solidarischen Kirche, sogenannte Friedens- bzw. Lese- und Diskussionskreise. Mit Pfarrer Schneider, in dessen Verantwortungsbereich (Andreas-Markus-Kirchengemeinde) nach den Ereignissen vom 17. Januar 1988 das hinlänglich bekannte sogenannte Koordinierungsbüro etabliert wurde und mit dem Pfarrer der Zionskirche, Simon, waren kirchliche Amtsträger anwesend, die im Rahmen der jüngsten Ereignisse und Vorkommnisse eine beachtenswerte negative Rolle spielten. An dem Gespräch nahm auch Rechtsanwalt Schnur teil.
Internen Hinweisen zufolge beabsichtigte Eppelmann mit diesem Vorgehen erneut, als Koordinator und Inspirator oppositionelle und feindlich-negative Kräfte zusammenzuführen und mit politischen Kräften der BRD und Westberlins in Verbindung zu bringen.
Anliegen und Inhalt der Zusammenkunft war nach weiter vorliegenden Hinweisen eine Diskussion zu dem gemeinsamen Dokument von SED und SPD »Der Streit der Ideologien und die gemeinsame Sicherheit«.2 Den Erwartungen von Eppelmann, wonach das politische Auftreten von Schmude und Sielaff die anwesenden DDR-Bürger in ihren oppositionellen und negativen Auffassungen und Haltungen ermuntern könnte, wurde nach seiner Einschätzung noch nicht entsprochen. Beide BRD-Politiker hatten allgemein sachlich und besonnen reagiert und sich nicht eindeutig zu den politisch-negativen Positionen der anwesenden DDR-Bürger geäußert.
Schmude habe seine bekannte politische Linie vom langfristigen »Wandel durch Annäherung« bei Vermeidung von Aktionen und Spontanität vertreten.
Zum Inhalt der Zusammenkunft liegen dem MfS bisher folgende streng interne Hinweise vor:
Schmude machte Ausführungen zur Entwicklung des Dialogs zwischen SED und SPD sowie zur Vor- und Entstehungsgeschichte des gemeinsamen Dokuments von SED und SPD. Dabei hob er hervor, das Dokument stelle eine wertvolle Grundlage für beide Parteien dar, um mit der erklärten Zielstellung, den Frieden zu erhalten, gemeinsame Positionen zu finden und sich darüber hinaus über gesellschaftliche Entwicklungen auseinanderzusetzen. Auch wenn SPD und SED dieses Papier als Basis ihrer gegenseitigen Beziehungen betrachten würden, gehe er persönlich davon aus, beide Seiten müssten unterschiedlichste gesellschaftliche und politische Kräfte in die Dialogpolitik einbeziehen. Seiner Auffassung nach sei das Dokument kein Gesetz zum Einklagen, sondern ein Wegweiser und Wegbereiter auf dem Weg des Friedens, der Nachbarschaft und Anerkennung. Es unterstütze insgesamt die aktive Gestaltung guter Beziehungen im Sinne der Ost-Politik der SPD.
Sielaff verwies darauf, dass dem langen Prozess des Entstehens des Dokuments ein langer Prozess der Realisierung bevorstehe. In diesem Zusammenhang erklärte er, die Praktiken der DDR in Reiseangelegenheiten würden nicht dem Charakter dieses Dialog-Dokumentes entsprechen. In anderen sozialistischen Staaten sehe er diesbezüglich positivere Entwicklungstendenzen. Seiner Auffassung nach gebe es in der DDR bestimmte Bereiche, wo sich die SPD nicht einmischen könne und wolle, denn die »militärische Aufarbeitung in Richtung Frieden« stehe im Vordergrund und alle anderen Fragen danach. (Dieser These widersprach Schmude mit der Bemerkung, die Normalisierung von Dingen im gesellschaftlichen Bereich dürfe nicht zurückstehen.)
In Äußerungen anwesender DDR-Bürger zum Dokument wurde überwiegend die Auffassung vertreten, wonach das »Dialogpapier« außenpolitische Bedeutung erlangt habe, jedoch innenpolitisch ohne Relevanz sei. Die Veröffentlichung des gesamten Textes im Zentralorgan der SED bedeute noch keinen Dialog zwischen »Regierenden« und Volk in der DDR. Kritik aus dem Volk würde sofort als Einmischung deklariert werden, und Gespräche mit Dialogcharakter fänden nur in begrenztem Rahmen statt.
Die Partei- und Staatsführung der DDR sei mit diesem Dokument angeblich völlig überfordert und könne die Probleme, die sich daraus für die innenpolitische ideologische Situation ergeben, nicht bewältigen, da ihr »der theoretische Bezug zur Wandlung der eigenen substanziellen Positionen« fehlen würde.
Seitens der DDR-Teilnehmer wurden an Schmude und Sielaff Fragen unterschiedlichster Art mit Bezug auf die politische Entwicklung in der BRD und zur Lage in der DDR gestellt, so auch zu den Ereignissen um die Zionskirche Ende 1987 und im Zusammenhang mit dem 17. Januar 1988 in der Hauptstadt der DDR, Berlin. Beide Politiker hielten sich bei der Beantwortung solcher Fragen zurück. Sielaff betonte auch in diesem Zusammenhang, man wolle sich nicht in innenpolitische Probleme einmischen. Eine »Intervention« der SPD zu den genannten Ereignissen wäre auch nicht mit dem Dokument vereinbar. Wenn es darum gehe, eine politische Stabilisierung zu erreichen, könne die SPD nach Meinung von Schmude nicht mit erhobenem Zeigefinger oder mit politischer Besserwisserei in der Öffentlichkeit auftreten, geschweige denn, einen Konflikt heraufbeschwören. Der bestehende Dialog zwischen SED und SPD könne auch nicht wegen der anstehenden Fragen zur Reiseproblematik abgebrochen werden.
Im Ergebnis der geführten Diskussion vereinbarten beide Seiten die Fortsetzung derartiger Gespräche in gleicher Runde zu interessierenden Problemen. Dabei wurde als mögliches Diskussionsthema das Problem »Staatsbürgerschaft« in Erwägung gezogen. Schmude erklärte seine Bereitschaft, weitere Politiker der SPD dafür zu gewinnen. Die Organisation solle auch künftig Pfarrer Eppelmann gewährleisten.
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