Treffen Jürgen Warnkes mit Vertretern der Evangelischen Kirche (Ost)
11. Januar 1988
Information Nr. 12/88 über Gespräche des Ministers für Verkehr der BRD, Warnke, im Evangelischen Jungmännerwerk und im Evangelischen Konsistorium in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Am 21. Dezember 1987 führte der Minister für Verkehr der BRD, Jürgen Warnke, in Begleitung des Leiters der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Bräutigam, des Pressesprechers des Bundesverkehrsministeriums, Maaß, und seines persönlichen Referenten, Grupe, Gespräche in den genannten kirchlichen Einrichtungen.
(Warnke hat am darauf folgenden Tag in Westberlin die Grenzkontrollstelle Heiligensee für den vom Transitabkommen erfassten Transitverkehr freigegeben.)
Warnke wurde vorliegenden Hinweisen zufolge von Maaß – ehemaliger DDR-Bürger und während dieser Zeit Mitarbeiter des Evangelischen Jungmännerwerkes der DDR – zu einem Besuch kirchlicher Gremien und Einrichtungen in der Hauptstadt der DDR, Berlin, initiiert. Als berufenem Synodalen der Evangelischen Kirche in »Deutschland«/BRD lag es erklärtermaßen in der Absicht von Warnke, einen persönlichen Eindruck über kirchliche Aktivitäten in der DDR zu gewinnen. Seiner Auffassung nach gäbe es noch ungenutzte Möglichkeiten, die »besonderen Beziehungen der Kirchen zwischen beiden deutschen Staaten« zu fördern. In dieser Absicht habe er das Gespräch mit Personen aus der unmittelbaren kirchlichen Arbeit einem umfassenden Gespräch mit der »Kirchenhierarchie« vorgezogen. Dabei brachte er neben umfänglichen Aussagen zur politischen Selbstdarstellung der CDU/CSU und seiner eigenen Person u. a. Folgendes zum Ausdruck:
Kontakte zur DDR seien für die CDU/CSU und für die Kirchen in der BRD keine »kosmetischen« Verbindungen; sie wiesen vielmehr einen solchen Stellenwert auf, der sie nicht in das »Feld der Ökumene« zurückdrängen könne. Er unterstütze deshalb Kontakte auf unterschiedlichsten Ebenen, bis hin zu den Jugendorganisationen. Bezogen auf Letztere sollten die Kirchen in beiden deutschen Staaten bei den entsprechenden Organisationen deutlich machen, dass sie in deren Besuchsprogramme integriert werden. Ferner bekundete Warnke seine Absicht, sich für Reisen jener DDR-Bürger einsetzen zu wollen, die keine Verwandten in der BRD bzw. in Westberlin haben.
Die sogenannten kirchlichen Basisgruppen in der DDR charakterisierte Warnke als linksorientierte Gruppen, mit denen er sich nicht identifizieren könne (weil sie mehr in Richtung der SPD tendieren).
Der an dem Gespräch teilnehmende Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Bräutigam, äußerte sich positiv zum Stand der Gestaltung der Beziehungen DDR – BRD und hob besonders die erzielten Ergebnisse im Reiseverkehr hervor.
Diesbezüglich erwarte er im Zusammenhang mit dem Besuch des Bundeskanzlers der BRD in der DDR im Jahre 1988 einen weiteren Höhepunkt. Seiner Ansicht nach müssten Überlegungen in der Richtung angestellt werden, wie es DDR-Bürgern ermöglicht werden könne, »mit ihrem eigenen Geld unabhängige Reisen« vornehmen zu können. Bräutigam sprach sich ferner dafür aus, im Rahmen von Städtepartnerschaften DDR – BRD kirchliche Bezugspunkte aufzunehmen und bei der Erarbeitung von Programmen zu berücksichtigen. Bestehende »landeskirchliche Partnerschaften« sollten sich seiner Auffassung nach »harmonisch« in derartige Programme von Städtepartnerschaften einfügen. Bei der Entwicklung der deutsch-deutschen Beziehungen käme es jedoch nach wie vor darauf an, den Realitäten zu entsprechen und die Interessenlage gegenseitig abzuprüfen, da die DDR in besonderer Weise für bestimmte Ereignisse politisch sensibel geworden sei und auf außenpolitische Einwirkungen allergisch reagiere (Bräutigam spielte damit auf die Ereignisse in der und um die Zionskirche in Berlin-Mitte1 an).
Die am Gespräch teilnehmenden DDR-Bürger, darunter der Theologische Leiter des Evangelischen Jungmännerwerkes, Arne Witting, und dessen Geschäftsführer, Volker Harby, sowie Rechtsanwalt Schnur, äußerten sich lediglich in allgemeiner Art und Weise und stellten Fragen. Es kam zu keinen provokatorischen politischen Aussagen gegen die DDR.
Vor dem genannten Gespräch hatten Warnke, Bräutigam und deren Begleitung ein ca. 20-minütiges Gespräch mit Konsistorialpräsident Stolpe. Dieser informierte nach vorliegenden Hinweisen sachlich über die Ereignisse im Zusammenhang mit der Zionskirche. Er erklärte, die Kirche sei in dieser Angelegenheit um Besonnenheit bemüht gewesen und hätte eine Eskalation nicht zugelassen. Inwieweit die Kirche jedoch mit solchen »Gruppen in der Kirche« ein Konzept finden könne, das nicht mit dem kirchlichen Auftrag in Übereinstimmung stehe, sei noch unklar.
Warnke äußerte, nicht mit allen Darstellungen der westlichen Medien in diesem Zusammenhang übereinzustimmen. Deshalb habe er nur mit Vorsicht deren Gesamtbeurteilung zur Kenntnis genommen.
Bräutigam brachte zum Ausdruck, es sei vernünftig gewesen, das Geschehen auf ein solches Maß zu bringen, welches es der staatlichen und kirchlichen Seite ermögliche, auch in Zukunft miteinander umzugehen. Er glaube jedoch, dass es noch viel Arbeit geben werde, denn viele »Aktionisten« wollen ihr »Süppchen« kochen, und immer wieder die gleichen Personen wollen medienwirksam werden.2
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