Umweltschutz-Kampagne von »Greenpeace« im Ostseeraum
31. Mai 1988
Information Nr. 267/88 über geplante Aktivitäten von »Greenpeace« auf den Territorien von Ostseeanliegerstaaten
Nach vorliegenden Hinweisen führen die dänische bzw. österreichische Sektion der internationalen Umweltschutzorganisation »Greenpeace« gegenwärtig eine Kampagne für den Umweltschutz im Bereich der Ostsee durch. Im Unterschied zu vorangegangenen derartigen Aktionen soll der Hauptakzent auf die »Aufdeckung der negativen Umweltpolitik der osteuropäischen Staaten« des Ostseeraumes gelegt werden, da diese Staaten die maßgeblichen Wasser- und Luftverschmutzer der Ostsee seien.
»Greenpeace« wolle mit seinen beabsichtigten Maßnahmen den Zweck verfolgen, »Beweise für die negative ökologische Situation« unmittelbar auf den Territorien der UdSSR, der VR Polen und der DDR zu erhalten.
Den Hinweisen zufolge wollen in diesen Tagen – aus Finnland kommend – vier »Greenpeace«-Aktivisten (dänische und österreichische Bürger) mit einem Autobus, der mit einem hochtechnischen chemischen Labor für Luft- und Wasseranalysen ausgerüstet ist, in die UdSSR ein- und weiterreisen.
Während dieser Reise sei vorgesehen, an verschiedenen Stellen mithilfe einer transportablen kompakten Apparatur Messungen zum Verschmutzungsgrad des Bodens, des Wassers und der Luft vorzunehmen.
Besonderes Augenmerk soll dabei der Feststellung von Schwermetallen und nicht zersetzten chemischen Verbindungen, die eine Gefahr für die Gesundheit darstellen, gelten. Die Reiseroute soll auch über das Territorium der VR Polen und der DDR verlaufen und in Berlin (West) enden.
Es sei beabsichtigt, Anfang Juli 1988 von der UdSSR aus, wo die »Greenpeace«-Aktivisten an der internationalen Messe »Mortechprom« in Leningrad teilnehmen, die vorgenannte Route zu befahren.
Zur Klärung notwendiger Formalitäten mit den zuständigen staatlichen Organen der DDR – insbesondere den Transit durch die DDR nach Westberlin betreffend – wurde das MdI der DDR seitens »Greenpeace« am 15.4.1988 fernschriftlich um Erteilung entsprechender Auskünfte gebeten.
Während dieser Fahrt wolle man sich jeglicher Erklärungen oder Protestaktionen gegen die Umweltverschmutzung in den genannten Ländern enthalten, jedoch in Berlin (West) eine Pressekonferenz zu den Ergebnissen der »Prüfung« veranstalten.
Dort soll gegenüber der UdSSR, der VR Polen und der DDR die Forderung erhoben werden, den Schadstoffausstoß zu unterbinden und alte Betriebe, die den heutigen ökologischen Normen nicht mehr entsprechen, zu schließen.
Über die Ergebnisse der Reise werde ein detaillierter Bericht gefertigt, den die dänische Sektion von » Greenpeace « den dänischen Massenmedien zukommen lassen und in einer Ausgabe ihres quartalsweise erscheinenden Bulletins veröffentlichen wolle.
Es wird vorgeschlagen, seitens des MfAA die Haltung der UdSSR und der VR Polen zu dem Anliegen von »Greenpeace« in Erfahrung zu bringen und die Herbeiführung eines möglichst einheitlichen Standpunktes anzustreben.
Dabei sollte beachtet werden, dass bei einer Gestaltung der von »Greenpeace« auf den Territorien sozialistischer Staaten einschließlich der DDR geplanten Maßnahmen ein Präzedenzfall geschaffen würde, der Anlass für weitergehende Aktivitäten in der genannten Richtung sein könnte, abgesehen von der Ausnutzung der erzielten Ergebnisse für Zwecke der Hetze und Verleumdung.
Sollte seitens der UdSSR und der VR Polen dem Ansinnen von »Greenpeace« stattgegeben werden, wäre seitens der DDR evtl. in Erwägung zu ziehen, eine Durchreise von der VR Polen nach Berlin (West) – auf einer vertretbaren möglichst kurzen Strecke – zu gestatten, wobei klare Festlegungen getroffen werden sollten, ob und inwieweit die »Greenpeace«-Aktivisten auf dem Territorium der DDR entsprechende Maßnahmen durchführen dürfen.