Veranstaltung zum 300. Todestag des Großen Kurfürsten in Ostberlin
12. Mai 1988
Information Nr. 241/88 über eine Veranstaltung anlässlich des 300. Todestages des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg am 9. Mai 1988 in Berlin
Unter Verantwortung des Domverwaltungsrates der Oberpfarr- und Domkirche zu Berlin (Domgemeinde) der Evangelischen Kirche der Union (EKU) – Bereich DDR – fand am 9. Mai 1988 in der Tauf- und Traukirche des Berliner Doms eine Veranstaltung anlässlich des 300. Todestages des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg statt.1
Unter den ca. 200 geladenen Gästen befanden sich u. a. neben Vertretern des Staatssekretariats für Kirchenfragen und des Ministeriums für Kultur der DDR der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Bräutigam, der Regierende Bürgermeister von Berlin (West), Diepgen, der Chef der Senatskanzlei Stronk, die Botschafterin der Republik Frankreich in der DDR, Timsit, Mitarbeiter der Botschaften der USA und Großbritanniens in der DDR sowie zwei Angehörige der Hohenzollern-Familie.
Der von den Veranstaltern eingeladene Bischof der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg (Westberlin) und Vorsitzende des Rates der »Evangelischen Kirche in Deutschland« (EKD), Bischof Kruse/Westberlin, hatte seine Nichtteilnahme mit terminlichen Schwierigkeiten begründet. Seitens westlicher Massenmedien nahmen Vertreter von ARD, ZDF, »Westfälische Rundschau«, »Frankfurter Allgemeine Zeitung« und »epd« an der Veranstaltung teil.
Nach der Besichtigung des Sarkophags durch einen ausgewählten kleinen Personenkreis und der von Kirchenbaurat Hoth (Sekretariat des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR) gegebenen Erklärung zur musealen und baugeschichtlichen Bedeutung der Domgruft wurden Vorträge durch Dozent Dr. Beintker/Halle (Sektion Theologie der Martin-Luther-Universität) und Konsistorialpräsident Stolpe/Berlin (Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg) gehalten. Die Vorträge trugen historisch-theologischen und innerkirchlichen Charakter und hatten keine Bezugspunkte zu aktuell-politischen Fragen.
Im Vortrag von Konsistorialrat Stolpe war lediglich die Aussage enthalten: »Wir ehren den Toten am besten, wenn wir die vor unseren Füßen liegenden Aufgaben im Glaubensgehorsam angehen, um realistisch das Bestmögliche für dieses Land und seine Menschen zu tun. Wir ehren ihn am besten, wenn wir zusammenarbeiten mit allen, die über heutige weltanschauliche und politische Grenzen hinweg gleiche Ziele haben.«
Durch Stolpe wurde den Staatsorganen der DDR für die Möglichkeit des Stattfindens dieser Veranstaltung der Dank ausgesprochen.
Eine kirchenmusikalische Umrahmung der Veranstaltung erfolgte durch die Domkantorei und den Domorganisten.
Im Anschluss an diese Veranstaltung fand im »Dietrich-Bonhoeffer-Haus«/Berlin für einen ausgewählten kleinen Personenkreis ein durch Präsident Winter/Berlin (Leiter der Kirchenkanzlei der EKU) gegebener Empfang statt, an dem auch die westlichen Vertreter teilnahmen.
Streng internen Hinweisen zufolge stellte Diepgen im Verlaufe der dort geführten individuellen Gespräche seinen Gesprächspartnern die Frage, wie sie die Situation unter den Übersiedlungsersuchenden beurteilen. Diepgen versicherte, er unternehme Bemühungen zur Klärung von Härtefällen und sei bereit, konkrete Hinweise weiterzuvermitteln. (Während der Zusammenkunft wurden keine derartigen Hinweise an ihn übergeben.)
Er hob hervor, dass er jeweils sonnabends im Senat von Westberlin öffentliche Sprechstunden durchführe, die zu 60 % von ehemaligen DDR-Bürgern vornehmlich zur Benennung ihnen bekannter Fälle von Übersiedlungsersuchenden in der DDR genutzt würden.
Diepgen interessierte sich weiter über Hintergründe für das seiner Meinung nach verhärtete Verhältnis Staat – Kirche in der DDR, wobei er davon ausging, hierbei handele es sich mittlerweile um eine permanente Situation. In dieser Hinsicht sei er durch ihm bekannt gewordene Informationen über die Ereignisse am 6. März 1988 an der Sophienkirche2 und am 1. Mai 1988 im Umfeld der Marienkirche3 noch bestärkt worden.
In Beantwortung dieser Darstellung wurde durch Bischof Rogge/Görlitz erklärt, möglicherweise stelle sich die Situation durch einen Beobachter von außen in dieser von Diepgen geschilderten Form dar. Das Verhältnis Staat – Kirche zeige sich jedoch auch an positiven Seiten, wie z. B. in der Nichteinberufung von »Totalverweigerern« zur NVA, der Möglichkeit der Durchführung von vier Kirchentagen evangelischer Landeskirchen in der DDR und nicht zuletzt auch im Verlauf der EKU-Synode (6.–8. Mai 1988 in Berlin).
In einem individuellen Gespräch äußerte Prinz Louis Ferdinand (Angehöriger der Hohenzollern-Familie) die Absicht, einer an ihn ergangenen Einladung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, an einer am 28. Mai 1988 in der Kirche Potsdam-Bornstedt stattfindenden Gedenkstunde anlässlich des 100. Todestages von Kaiser Friedrich III. teilzunehmen, nachzukommen. (Kaiser Friedrich III. war der ehemalige Patron der Kirchengemeinde Potsdam-Bornstedt und -Eiche.) Er habe vor, aus diesem Anlass im Grand-Hotel in der Hauptstadt zu übernachten. Er zeigte sich darüber hinaus interessiert an weiteren Einreisen in die DDR sowie an Gesprächen mit Vertretern nicht näher bezeichneter staatlicher Einrichtungen in der DDR.
Der Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR, Hans-Otto Bräutigam, stellte gegenüber den während des Empfangs anwesenden staatlichen Vertretern die Frage nach den Modalitäten für die Teilnahme von Gästen aus der BRD an den Kirchentagen 1988 in der DDR. Ihn interessiere konkret, wer einreisen dürfe und wer nicht. So müsse z. B. hinsichtlich einer eventuellen Teilnahme von Altbundeskanzler Helmut Schmidt an Kirchentagen in der DDR rechtzeitig Klarheit über die Möglichkeit der Einreise bestehen.
Bräutigam wurde generell erklärt, dass, wie bisher üblich, ein kirchliches Mandat, die religiöse Einbindung in die Kirchentagsveranstaltung und die ordnungsgemäße Beantragung der Einreise seitens der Kirche dazu erforderlich sei.
Die Veranstaltung sowie der Empfang verliefen ohne Öffentlichkeitswirksamkeit und ohne Vorkommnisse.
Die in der Information als intern kenntlich gemachten Hinweise sind wegen äußerster Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.