127. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen
12. Oktober 1989
Information Nr. 453/89 über die 127. Tagung der Konferenz der Evangelischen Kirchenleitungen (KKL) in der DDR
Obengenannte Tagung fand am 6. und 7. Oktober 1989 in Berlin unter Teilnahme aller Bischöfe (mit Ausnahme der Bischöfe Gienke,1 Greifswald, und Hempel,2 Dresden) und der Leiter der kirchlichen Verwaltungseinrichtungen der Landeskirchen statt.
Behandelt wurden: Bericht des Vorstandes der KKL zur Lage, Auswertung der 5. Tagung der V. Synode des BEK (15. bis 19.9.1989 in Eisenach); Erarbeitung einer Position zur Teilnahme von Vertretern des BEK am Staatsempfang anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der DDR am 7.10.1989 in Berlin; Berichte aus den Landeskirchen.
In dem Bericht des Vorstandes der KKL, vorgetragen von Bischof Demke,3 wurde hervorgehoben, in der DDR müsse man die Erfahrung der Verworrenheit und der Unlogik der Politik machen. Die gegenwärtige Situation habe »psychopathische Züge«. Die Enttäuschung, dass sich Erwartungen, die Gorbatschow4 geweckt habe, in der DDR nicht erfüllen, werde immer größer. Es entstehe bei den Menschen eine Ängstigung durch die Unberechenbarkeit der Zukunft. Verstärkt werde dies durch die Sprachlosigkeit der Führung in der DDR, ein verstärktes Übungsprogramm der Kampfgruppen,5 Hinweise auf China6 und das pausenlose Trommeln der Westmedien.
Diese Stimmung müsse zur Gewalt führen.
Gebraucht werde dringend die politische Diskussion, trotz der Demonstrationen. Für diese Diskussionen würden in den nächsten fünf bis zehn Jahren nur die etablierten Organisatoren, die Blockparteien7 und die Nationale Front8 zur Verfügung stehen. Diese müssten Gesprächspartner der Kirche bleiben, Staat und SED seien keine Partner. Sie seien unfähig, sich »in einen anderen Erlebnishorizont zu versetzen«.
In Auswertung der 5. Tagung der V. Synode des BEK gab Präses Gaebler9 (Leipzig) im Auftrag des Präsidiums der Synode eine Einschätzung. U. a. erklärte er, die Mitglieder der Synode hätten verantwortungsvolle Beiträge geleistet; die schwierige innenpolitische Situation hätte die Synode nicht gelähmt. Die Synode sei gegenüber dem Staat entschiedener aufgetreten als früher; sie sei kein Bittsteller mehr gewesen.
Dem Präsidium der Synode sei bisher noch keine offizielle Stellungnahme des Staates zur Synodaltagung bekannt gemacht worden. Die Artikel im »Neuen Deutschland«10 und in »Junge Welt« seien »übel in Inhalt und Sprache«.11
Im Verlauf der KKL-Sitzung wurde eine kontroverse Diskussion zur Teilnahme kirchlicher Vertreter am Staatsempfang anlässlich des 40. Jahrestages der Gründung der DDR am 7. Oktober 1989 in Berlin geführt. Ausgangspunkt war der Antrag von Oberkirchenrat Große12 (Eisenach), den auf der 126. Tagung der KKL (1. bis 2. September 1989) gefassten Beschluss, wonach Leich,13 Demke, Stolpe,14 Gienke, Natho15 teilnehmen sollten,16 zu revidieren.17 Große wiederholte seinen bereits auf der 5. Tagung der V. Synode des BEK vorgetragenen, dort abgelehnten Antrag, Vertreter der evangelischen Kirchen in der DDR sollten an keinen Veranstaltungen anlässlich des 40. Jahrestages teilnehmen.18 Im Ergebnis der Diskussion wurde der Beschluss gefasst, dass keine Vertreter des BEK am Staatsempfang am 7.10.1989 teilnehmen (elf Zustimmungen, acht Gegenstimmen, zwei Enthaltungen) und um ein zentrales Gespräch mit dem Staat gebeten wird.19
Für eine Teilnahme am Empfang traten vor allem die Bischöfe Demke, Leich, Kirchenpräsident Natho sowie Oberkonsistorialrat Harder20 (Greifswald), Oberkirchenrat Schulze21 (Dessau), Konsistorialpräsident Kramer22 (Magdeburg) und Stolpe (Berlin) auf.
Bischof Leich begründete seine Haltung u. a. damit, der Empfang sollte genutzt werden, um führenden Vertretern die Position, die Kirche wolle kein »Neues Forum«,23 mitzuteilen. Oberkonsistorialrat Harder vertrat die Meinung, bei einer Absage der Teilnahme würde auch zukünftig in den Bezirken »nichts laufen«. Konsistorialpräsident Stolpe verwies darauf, diese Absage wäre eine Demonstration, mit der die »staatliche Stimmungsmache« nur verstärkt würde.
Für eine Nichtteilnahme am Empfang sprachen sich insbesondere die Bischöfe Forck24 und Stier,25 Oberkirchenrat Große und Pfarrer Passauer26 aus. Als »Argumente« führten sie an, bei Teilnahme könne fälschlicherweise der Eindruck entstehen, die Kirchen hätten engen Kontakt zum Staat (Forck); man müsse die Straßenschlachten in Dresden27 und die Abgrenzung zur ČSSR28 berücksichtigen (Stier); man könne keine Einheitlichkeit demonstrieren in einer Zeit, in der die »Aufbruchstimmung« nicht nur in der Kirche, sondern unter der gesamten Bevölkerung der DDR eine neue Qualität erreicht habe (Passauer); wer für Sachgespräche nicht akzeptabel sei, könne auch nicht zum Empfang gehen (Große).
Auf Initiative von Konsistorialpräsident Stolpe und Oberkirchenrat Ziegler,29 beide Berlin, fand nach der bereits erfolgten Beschlussfassung zur Nichtteilnahme am Empfang eine außerordentliche Tagung des Vorstandes der KKL statt. Im Ergebnis dieser Tagung beantragte der Vorstand, diesen Beschluss aufzuheben.
Bischof Leich erklärte dazu, der Vorstand der KKL fühle sich von diesem Beschluss bedrängt, da er nicht durchführbar sei. Er müsse ständig vom Staat etwas erbitten, man könne ihn nicht vor den Kopf stoßen; Absage und Bitte um Gespräche gleichzeitig seien nicht zu vereinbaren. Bischof Demke führte an, bei Nichtteilnahme werde die Auffassung des Staates bestärkt, die Kirche sei gegen den Staat. »Es ist nicht möglich zu erklären: Ich beleidige Sie, aber ich möchte mit Ihnen ein Gespräch führen.« Konsistorialpräsident Kramer betonte, der Staat müsse bei Nichtteilnahme der Delegation der evangelischen Kirchen den Eindruck haben, dass diese jetzt auf der Seite des Klassenfeindes stünden.
Ihre ablehnende Haltung bekräftigten erneut Bischof Forck, Oberkirchenrat Große, Oberkirchenratspräsident Müller30 (Schwerin) und Oberlandeskirchenrat Schlichter31 (Dresden). Sie erklärten übereinstimmend, die Kirche sollte mit der Nichtteilnahme dem Staat ihren Unwillen über die ständige Praxis zentraler staatlicher Stellen bekunden, z. B. gegebene Zusagen über Sachgespräche wieder abzusagen. Außerdem habe die Rede des Staatsratsvorsitzenden am 6.10.1989 »kein Fünkchen Hoffnung gegeben«.32
Im Ergebnis der nach dieser Diskussion erfolgten Abstimmung wurde der Antrag des Vorstandes der KKL mit neun Zustimmungen, sechs Gegenstimmen und fünf Stimmenthaltungen angenommen.
Im Rahmen der Berichte aus den Landeskirchen informierte Kirchenpräsident Natho über seine Teilnahme am Empfang des Rates des Bezirkes Halle anlässlich des 40. Jahrestages der DDR am 5.10.1989.
Er hob hervor, in einem persönlichen Gespräch mit dem 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, Genossen Böhme,33 habe er den Eindruck gewonnen, dass Repräsentanten von Partei und Staat die von der Kirche aufgeworfenen Fragen nicht verstehen würden; ein neues Denken sei nicht sichtbar. Natho führte aus, Genosse Böhme habe sogar erklärt, dass man diejenigen, die im Sinne des Beschluss der Bundessynode auftreten,34 »einsperren« müsse.
Konsistorialpräsident Stolpe informierte über einen Brief von Propst Furian35 an alle Gemeinden der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg zur Problematik neuer oppositioneller Gruppierungen und ihrer Unterstützung durch die Kirche (»Begleitung« oder Mitarbeit durch Pfarrer, Bereitstellung kirchlicher Räume) und empfahl der KKL, diesen Brief an alle Landeskirchen zwecks Kenntnisnahme zu übersenden. Darauf aufbauend solle auf der nächsten Tagung der KKL eine sachbezogene Diskussion geführt und ein entsprechender Beschluss als Orientierungshilfe für kirchliches Handeln gefasst werden. (Wortlaut des Briefes siehe Anlage)
Oberkirchenratspräsident Müller (Schwerin) gab der KKL zur Kenntnis, dass am 2.10.1989 in Schwerin eine Versammlung des »Neuen Forums« in Räumen der Kirchengemeinde Schwerin stattgefunden habe. Da die Veranstaltungsverordnung der DDR damit verletzt worden wäre, werde durch die staatlichen Organe ein Ordnungsstrafverfahren angestrebt.36
Bischof Demke berichtete über den Verlauf des »Friedensgebetes« am 5.10.1989 in Magdeburg. Die »Demonstration« von ca. 100 Personen, bei der auch mit Steinen geworfen wurde, charakterisierte er als »Provokation von Rechtskräften«.
Oberlandeskirchenrat Schlichter informierte über die beiden Kirchenbesetzungen (Drei-Königs-Kirche, Kreuzkirche) in Dresden durch Antragsteller auf ständige Ausreise.37 Diesen Personen sei im Ergebnis von Gesprächen Kirche – Staatsapparat die Ausreise gestattet worden. In der Diskussion wurde die Befürchtung zum Ausdruck gebracht, durch die jetzt erschwerten Bedingungen bei der Besetzung von BRD-Botschaften38 könne sich »der Druck in Form von neuen Kirchenbesetzungen erhöhen«.
Oberkirchenrat Ziegler wurde beauftragt, diese Befürchtung dem Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Löffler,39 mitzuteilen. Gleichzeitig soll er das Problem der »Rückkehrer in die DDR« ansprechen und die hier beabsichtigte Verfahrensweise (Wohnraum, Einrichtung, Arbeitsplatz u. Ä.) erfragen.
Bischof Leich teilte mit, in Absprache mit der »Evangelischen Kirche in Deutschland«/BRD sei beabsichtigt, die jährlich stattfindenden Zusammenkünfte von Vertretern der Vorstände der Leitungsgremien der Kirchenbünde beider deutscher Staaten künftig auch in der BRD oder in Westberlin durchzuführen. Bereits für das nächste Treffen sei die Johannesstiftung in Westberlin (Thema: »Wie soll die besondere Gemeinschaft zwischen BRD und DDR weitergeführt werden?«) vorgesehen.
Den KKL-Mitgliedern wurde eine von Pfarrer Pahnke40 (Borgsdorf) erarbeitete »Studie« zum Thema »Neonazistische Tendenzen unter Jugendlichen in der DDR« (Unbehagen, Protest, Provokationen, Gewaltaktivitäten von Jugendlichen in neofaschistischer Gestalt) zur Kenntnisnahme ausgehändigt.41
Die KKL beschloss ihre Mitarbeit im Kuratorium des Centrums Judaicum in der Neuen Synagoge Berlin.42
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage zur Information Nr. 453/89
[Abschrift eines Schreibens der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg an die Gemeindekirchenräte und Mitarbeiter v. 2.10.1989]
Evangelische Kirche in Berlin-Brandenburg | Konsistorium | Der Propst | K. Ia Nr. 2384/89
1020 Berlin, den 2.10.1989 | Neue Grünstraße 19–22 | Tel.: 27 80 20
An die | Gemeindekirchenräte, | die Mitarbeiter im Verkündigungs- | und Verwaltungsdienst
Liebe Schwestern und Brüder,
Sie haben von der Bildung »unabhängiger Gruppen« wie »Neues Forum«, »Demokratie Jetzt«,43 einer Initiative zur Gründung einer sozialdemokratischen Partei44 u. a. gehört. Das Eigenschaftswort »unabhängig« soll die Unabhängigkeit dieser Gruppen von Partei, Staat und Kirche signalisieren.
Die Tatsache, dass zu den Unterzeichnern der verschiedenen Erklärungen zwar nach wie vor eine ganze Anzahl uns bekannter Namen gehört, zugleich aber mehr und mehr uns Unbekannte auftauchen, spricht ebenfalls für eine andere Qualität dieser sich jetzt organisierenden Gruppen. Ich denke, diese neuen sich bildenden Gruppen haben für die Kirche durchaus eine positiv zu wertende Entlastungsfunktion, wenn – das ist allerdings die Voraussetzung – die Partei- und Staatsorgane eine freie Entfaltung dieser Gruppen tolerieren. Das ist aber eine zurzeit noch offene Frage.
Deshalb kann durchaus die Folge sein, dass sich Vertreter der einen oder anderen dieser sich zurzeit bildenden Gruppen doch wieder – eigentlich gegen ihre Intention – mit der Bitte um Raum an Kirchengemeinden wenden. Nach unserer Grundordnung hat dann der Gemeindekirchenrat »über die Nutzung gemeindlicher Räume zu entscheiden« (Art. 17, 11).45 Aber welche Kriterien sollen der Entscheidung zugrunde liegen? Ich denke, die Kriterien können aus der Grundordnung Art. 64, 4 und 5,46 und der »Theologischen Grundlegung der Ökumenischen Versammlung« (Text 1, 16)47 entnommen werden.
Was in Artikel 64 GO von der Synode gesagt ist: »Sie fördert das Bemühen der Gemeinden und ihrer Glieder … Verantwortung für die Gesellschaft wahrzunehmen« (vgl. auch Art. 64, 5), gilt ebenso von einem Gemeindekirchenrat als synodalem Organ. Der Einwand, dieser Artikel könne nicht auf die »unabhängigen Gruppen« bezogen werden, trifft m. E. nicht, da in diesen Gruppen ja auch Gemeindeglieder aktiv sind.
In dem Text der Ökumenischen Versammlung wird unter 1, 16 gesagt, »die Umkehr, die der Glaube im Hören auf Gottes Ruf vollzieht, hat weltliche Entsprechungen in den Veränderungsbewegungen, die aus vernünftiger Einsicht erwachsen. Zu nennen sind hier die ökologische Bewegung, die Friedensbewegung, die Dritte-Welt-Bewegung, politische Aufbrüche … Die umkehrende Gemeinde lässt sich von diesen Veränderungsbewegungen anregen und findet in ihnen Verbündete«. Die Raumfrage sollte von diesen Kriterien und nicht aus opportunistischen Überlegungen angegangen und entschieden werden.
Ein zweites Problem ist mit der Entstehung dieser unabhängigen Gruppen verbunden: Voraussichtlich werden auch Ordinierte (Pastorinnen, Pfarrer und Gemeindepädagogen) Mitglied einer solchen Gruppe werden bzw. sind es schon. Wie ist solche Mitgliedschaft zu bewerten?
Lassen Sie mich zunächst auch hier auf die Rechtslage hinweisen: Das Pfarrerdienstrecht untersagt keinen Parteieintritt, ist ihm gegenüber aber ausgesprochen zurückhaltend. Denn der Pfarrer (Pastorin/Gemeindepädagoge) wird in der »Öffentlichkeit« als »Vertreter der Kirche« angesehen (§ 22 Pfarrerdienstrecht).48 Den Hinweis eines Ordinierten, er trete als Staatsbürger oder als Privatmann einer solchen Partei-Gruppe bei, lässt das Pfarrerdienstrecht so nicht gelten.
Es kann die Situation eintreten, dass ein Ordinierter bei der Gründung einer unabhängigen Gruppe mitwirkt. Das war z. B. nach dem Zweiten Weltkrieg in ländlichen Gegenden häufiger der Fall, dass der Pfarrer gebeten wurde, bei der Bildung von Ortsgruppen einer bürgerlichen Partei, die damals ja noch keine Blockparteien waren, Hilfestellung zu leisten. Aber nicht jeder Pfarrer, der dieser Bitte folgte, war dann auch Mitglied dieser Partei; die meisten wurden es um ihres Amtes willen nicht.
Anzumerken ist natürlich, dass – wenn man um Hilfestellung bei der Gründung einer Gruppe oder Partei gebeten wird – man nur dann tätig werden kann, wenn die Ziele einer solchen Gruppe nicht »Schrift und Bekenntnis« widersprechen; eine politische Gruppierung, die z. B. antisemitische Tendenzen vertritt oder eine totalitäre Verpflichtung ihrer Mitglieder fordert, kann von einem Christen, erst recht von einem Pfarrer, überhaupt nicht unterstützt werden.
Um es noch einmal im Klartext zu sagen: Eine zeitlich befristete Hilfestellung eines Ordinierten bei der Bildung politischer Bewegungen halte ich für möglich, einen Eintritt in eine politische Gruppierung/Partei dagegen nicht für gut. Warum?
- 1.
Das Ordinationsversprechen bindet denjenigen, der öffentlich das Predigtamt/Lehramt wahrnimmt, in besonderer Weise. Die Pastorinnen, Pfarrer und Gemeindepädagogen sind u. a. auf Barmen II49 ordiniert; sie bekennen sich zu dem Anspruch Gottes auf ihr ganzes Leben! Sie mögen einwenden, das gelte doch für jeden evangelischen Christen: Im Konfliktfall ist das Wort Gottes jeder golitischen Bindung vorzuordnen. Richtig! Ich meine nur, bei einem ordinierten Vertreter der Kirche sollte diese Tatsache schon durch die Nicht-Mitgliedschaft in politischen Organisationen deutlich machen, wo er gebunden ist.
- 2.
Amt und Parteimitgliedschaft können jederzeit zu einem Loyalitätskonflikt führen.
- 3.
Der Zusammenhalt der Konvente kann durch eine Parteizugehörigkeit einzelner Konventsmitglieder belastet werden.
- 4.
Parteipolitische Bindung ist etwas anderes, als wenn ein Ordinierter sich kritisch gegen bestimmte Entscheidungen eines Staatsorgans oder des Staates wendet bzw. bestimmte Maßnahmen eines Staatsorgans, die er für gut hält, unterstützt.
Auch ein Vertreter der führenden Partei oder der Staatsgewalt muss wissen können, jeder Ordinierte ist verpflichtet, auch für ihn da zu sein, wenn er sich in Not oder mit der Bitte um Hilfe an ihn wendet. Eine parteipolitische Bindung kann diese Verpflichtung verdunkeln.
- 5.
Der Auftrag weist an die ganze Gemeinde (§ 22, 2 Pfarrerdienstrecht). Wir sollten keinen Anstoß an einer falschen Stelle anregen!
Schließlich hat unser Dienst, das Wort Gottes an alle auszurichten, den absoluten, auch zeitlichen Vorrang. Wie viele Hausbesuche, Besuche bei Kranken und Einsamen, wie viele Unterrichtsstunden könnten der »Parteiarbeit« zum Opfer fallen?!
Liebe Schwestern und Brüder, verstehen Sie diesen Brief bitte nicht falsch. Ich will niemand gängeln; ich bin auch kein Parteigänger des realen Sozialismus. Aber ich habe einfach die Sorge, dass manch einer/eine in der Gefahr steht, eine Nebensache, die je und dann auch einmal zur Hauptsache werden kann, prinzipiell zur Hauptsache werden zu lassen, und das darf nicht sein!
Ich erinnere an unsere Ordinationsversprechen: Lesen Sie es betend durch, dann wissen Sie, was ich sagen will.
Mit herzlichem Gruß | Ihr gez. Hans-Otto Furian