Beabsichtigte Gründung einer neuen Partei in der DDR
8. Dezember 1989
Information Nr. 521/89 über die beabsichtigte Gründung einer neuen politischen Partei in der DDR
Nach dem Amt für Nationale Sicherheit1 vorliegenden Hinweisen beabsichtigen politisch interessierte und engagierte Personen aus den drei Nordbezirken der DDR (Rostock, Schwerin, Neubrandenburg), eine neue »ideologiefreie nationalkonservative« Partei mit dem Namen »Freie Deutsche Union« (FDU)2 zu gründen. In diesem Sinne wirkt seit geraumer Zeit ein sogenannter Gründerkreis, der demnächst Kontakte mit Politikern auf zentraler Ebene aufzunehmen gedenkt sowie die offizielle Anmeldung als Partei vornehmen wolle. Mitglieder dieses Kreises sind vorwiegend Studenten, Hochschulkader verschiedenster Ausbildungsrichtungen und Theologen.
Die FDU wolle – vorliegenden Gründungspapieren und politischen Konzeptionen zufolge – als eine »Partei von Experten« vor allem auf Staatserhaltung orientierte nationaldenkende Bürger der DDR sammeln und an der Seite einer sich erneuernden SED für die Existenz der DDR als humanistischer Staat eintreten. (In einem Papier zur aktuellen Position stellt die FDU fest: »Unter Rückstellung aller weltanschaulich-ideologischen Divergenzen halten wir eine sachliche Zusammenarbeit – mit der SED –, unaufschiebbare politische Veränderungen betreffend, für möglich. Nicht nur aus unserer politisch-geistigen Position des bürgerlichen Humanismus, sondern vor allem aus einer nüchternen Analyse der realpolitischen Verhältnisse in der DDR heraus bestätigen wir das Unvermögen der Reform-Marxisten …, der Lage in der DDR auch langfristig allein Herr zu werden. An dieser Stelle sehen wir den geeigneten Ausgangspunkt, um mit unserer Partei zu einem erfolgreichen politischen Wirken zu kommen.«)
In der gegenwärtigen innenpolitischen Situation in der DDR sehen Mitglieder des sogenannten Gründerkreises die reale Gefahr von Chaos und Anarchie, dem man auf der Grundlage der Verfassung der DDR entgegentreten wolle. Dabei werden u. a. folgende Positionen vertreten:
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In der DDR sind neue gesellschaftliche Strukturen zu schaffen, wobei die SED ihren Führungsanspruch aufgeben muss.
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Um den Staat zu erhalten, ist es notwendig, eine Koalition der Vernunft aller nationaldenkenden Kräfte herbeizuführen (die Frage des Sozialismus sei dabei zweitrangig).
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Das System des Demokratischen Blocks sei überlebt.3
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Es bestehe die Gefahr der Zersetzung des Staates, da der Umgestaltungsprozess gegenwärtig von oppositionellen Bewegungen geführt werde; die SED müsse radikale Schritte einleiten, um die politische Initiative zurückzugewinnen.
Nach vorliegenden Hinweisen unterhalten Mitglieder des sogenannten Gründerkreises der FDU Kontakte zu politischen und anderen Kräften in der BRD und Westberlin (u. a. CDU und Managerberatungsfirmen), die genutzt werden sollen, um materielle, finanzielle und logistische Unterstützung für den Aufbau der Partei zu erhalten.
Die Information ist nur zur persönlichen Kenntnisnahme gestimmt.