Beabsichtigte Provokationen in Berlin am 7.7.
3. Juli 1989
Hinweis auf die beabsichtigte provokatorisch-demonstrative Handlung feindlicher, oppositioneller Kräfte am 7. Juli 1989 in der Hauptstadt der DDR, Berlin [Bericht K 3/102]
Nach vorliegenden Hinweisen beabsichtigen hinlänglich bekannte feindliche, oppositionelle Kräfte – in Fortsetzung bisheriger provokatorisch-demonstrativer Aktivitäten im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen im Mai1 – am 7. Juli 1989, um 17.00 Uhr, auf dem Alexanderplatz (Weltzeituhr) eine »Sitzdemonstration« durchzuführen. Diese Provokation, zu deren Organisatoren der in jüngster Zeit wiederholt in Erscheinung getretene Diakon Mario Schatta2 und Personen aus seinem Umfeld gehören, wird seit etwa zehn Tagen durch »Einladungsschreiben« (Postweg und persönliche Weitergabe) an »potenzielle Teilnehmer von Aktionen ähnlichen Charakters«, durch Informationen im Rahmen kirchlicher Veranstaltungen und durch Flüsterpropaganda bekannt gemacht. Kenntnis haben auch bereits Kreise der »Kirche von Unten«,3 des Sprachenkonvikts Berlin und eine Reihe personeller Zusammenschlüsse. Aktuellen Hinweisen zufolge soll im Zusammenhang mit der geplanten Provokation die Elisabethkirchengemeinde als möglicher »Anlaufpunkt« von Teilnehmern dienen.
Mit dem Ziel der Unterbindung der geplanten Provokation wurden am 28. Juni 1989 ein Gespräch durch den Stellvertreter des Oberbürgermeisters für Inneres der Hauptstadt der DDR, Berlin, Genossen Hoffmann,4 mit Konsistorialpräsident Stolpe5 und Oberkirchenrat Pettelkau6 und am 29. Juni 1989 ein Gespräch des Hauptabteilungsleiters im Staatssekretariat für Kirchenfragen, Genossen Heinrich,7 mit dem Direktor der Inneren Mission und des Evangelischen Hilfswerkes, Oberkirchenrat Petzold,8 und dem Leiter der Stephanus-Stiftung Berlin, Pfarrer Braune,9 geführt. Die kirchlichen Amtsträger wurden – unter Verweis auf fortgesetzte diesbezügliche provokatorisch-demonstrative Aktivitäten – auf die geplante Provokation am 7. Juli 1989 hingewiesen, wobei ihnen Angaben über die Vorbereitung, den vorgesehenen Ablauf und zu beteiligten Personen gegeben wurden. Ausgehend davon wurden ihnen die staatliche Erwartungshaltung zur Verhinderung der »Sitzdemonstration« unterbreitet und konkrete selbstständige Aktivitäten dazu verlangt. Stolpe ließ insgesamt in seiner Reaktion erkennen, dass die Kirchenleitung der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg das provokatorisch-demonstrative öffentlichkeitswirksame Auftreten feindlicher, oppositioneller und anderer negativer Kräfte, darunter im kirchlichen Dienst stehender Personen, toleriere. Er sicherte jedoch zu, dass die ihm übermittelten Hinweise und die im Gespräch dargelegte staatliche Erwartungshaltung durch die Kirchenleitung geprüft und beraten würden. Bezüglich des Diakons Schatta erklärte er, prüfen zu wollen, inwieweit dessen Verhalten mit den Dienstpflichten eines Jugenddiakons in Übereinstimmung stehe. Oberkirchenrat Petzold und Pfarrer Braune versicherten, ihrer Verantwortung (besonders bezogen auf in kirchlicher Ausbildung stehende Personen) künftig besser gerecht werden zu wollen; sie verwiesen jedoch darauf, dass ihren Bemühungen um eine Disziplinierung solcher Personen objektiv Grenzen gesetzt seien.
Zur Unterbindung der geplanten Provokation ist vorgesehen
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das gegenüber dem Diakon Schatta im Zusammenhang mit den Provokationen am 7. (Konsistorium)10 und 22. Juni 1989 (Botschaft der VR China)11 eingeleitete Ordnungsstrafverfahren am 4. Juli 1989 mit dem Aussprechen einer Ordnungsstrafe in Höhe von 1 000 Mark abzuschließen, ihn zu belehren und im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Provokation am 7. Juli 1989 gegen ihn erneut Verdachtsprüfungshandlungen einzuleiten; Schatta wird unter ständige operative Kontrolle gestellt;
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gegenüber weiteren 20 als Initiatoren/Organisatoren der geplanten Provokation bekannt gewordenen Personen am gleichen Tage Vorbeugungsgespräche zu führen, sie zu belehren und sie zu beauflagen, dem Handlungsort fernzubleiben;
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gegenüber den vorgenannten sowie weiteren 30 potenziellen Teilnehmern ab 6. Juli 1989 durchgängige Personenkontrollen durchzuführen mit dem Ziel, ihre Annäherung an den Handlungsart zu verhindern, sie zurückzuweisen und im Weigerungsfall zuzuführen;
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weitere ca. 150 als Teilnehmer an zurückliegenden Provokationen bekannt gewordene Personen verstärkt unter Kontrolle zu nehmen, um sie vorbeugend an einer möglichen Beteiligung zu hindern, des Weiteren Einleitung von Maßnahmen, um eine mögliche Anreise und damit Teilnahme von Personen aus anderen Bezirken, vor allem der Bezirke Frankfurt/O. und Potsdam, am Ausgangsort zu verhindern;
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am 7. Juli 1989 einen Sicherungseinsatz im Bereich des Alexanderplatzes und angrenzender Gebiete des Zentrums – einschließlich unter Einbeziehung des Territoriums der Elisabethkirchengemeinde – zur sofortigen Unterbindung von Versuchen zur Durchführung provokatorisch-demonstrativer Handlungen und damit zur Verhinderung der geplanten Provokation sowie zur Gewährleistung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durchzuführen. (Der Einsatz gesellschaftlicher Kräfte erfolgt in Abstimmung mit der Bezirksleitung der SED.)