Entwicklung digitaler Vermittlungstechnik in DDR
19. Mai 1989
Information Nr. 251/89 über einige Aspekte im Zusammenhang mit der Entwicklung einer digitalen Vermittlungstechnik in der DDR
Mit der Direktive des XI. Parteitages der SED zum Fünfjahrplan für die Entwicklung der Volkswirtschaft der DDR in den Jahren 1986 bis 1990 wurde die Aufgabe gestellt, schrittweise die Voraussetzungen für die Errichtung eines integrierten digitalen Fernmeldenetzes zu schaffen.1
Im Ergebnis der auf der Grundlage entsprechender Beschlüsse auf diesem Gebiet eingeleiteten Maßnahmen sind die erforderlichen Unterlagen des »Systems 021«2 einschließlich der für dieses System zugehörigen elektronischen Bauelementebasis erarbeitet worden. Auch die Fertigstellung eines Forschungsgebäudes am Standort (Berlin) des Zentrums für Forschung und Technologie der Nachrichtenelektronik trug zu bisher erreichten Fortschritten in der Entwicklung des »Systems 021« bei.
Mit der Zurverfügungstellung von Originalentwicklungsdokumentationen eines den Welthöchststand bestimmenden digitalen Vermittlungssystems aus dem NSW (verkörpert praktisch ein Forschungs- und Entwicklungspotenzial von etwa 8 000 bis 10 000 Mannjahren3 und einem Entwicklungsaufwand von rund einer Milliarde DM) durch das MfS konnten wesentliche Voraussetzungen zur Überleitung dieses digitalen Vermittlungssystems in die Produktion geschaffen und bisher betriebene Parallelentwicklungen beendet werden.
Insgesamt ist eine Konzentration von etwa 600 Kadern der Forschung und Entwicklung auf dieses perspektivreiche digitale Vermittlungssystem möglich geworden. Mit den bisher realisierten Leistungen wird dem internationalen Trend entsprochen, wonach die moderne Nachrichtentechnik den Charakter einer Schlüsseltechnologie erhält und mit der Einführung von Hochtechnologien, wie z. B. der rechnergestützten Projektierung und Fertigung, Kommunikationsbedürfnisse auch unter den Bedingungen der DDR überproportional anwachsen.
Trotz der im Mikroelektronikprogramm bereits realisierten guten Ergebnisse besteht allerdings bei ihrer Anwendung in der Kommunikationstechnik der DDR ebenso wie in anderen sozialistischen Ländern ein erheblicher Rückstand zu führenden kapitalistischen Industrieländern.
Während in den führenden kapitalistischen Industrieländern eine immer stärkere Digitalisierung der Nachrichtennetze und damit eine immer größere Effektivität im gesamtvolkswirtschaftlichen Sinne durch Schaffung völlig neuer Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologien nutzbar wird, setzt sich die bei der Deutschen Post der DDR zzt. im Einsatz befindliche Vermittlungstechnik aus elektromechanischen Systemen zusammen und hat einen Entwicklungsstand von 1950/60 und älter (teilweise werden auch noch Anlagen aus den 1920er Jahren betrieben).
Nach vorliegenden Experteneinschätzungen bestünden zum gegenwärtigen Zeitpunkt günstige Voraussetzungen, die im VEB Kombinat Nachrichtenelektronik vorhandenen Kapazitäten zur Entwicklung und Produktion von kompletten digitalen Vermittlungs- und Übertragungssystemen durch ihren gezielten weiteren Ausbau prinzipiell zur selbstständigen Realisierung der gerätetechnischen Voraussetzungen für die Errichtung eines den Anforderungen der DDR entsprechenden integrierten digitalen Fernmeldenetzes weiter zu entwickeln.
Mit der angestrebten Systemlösung zur digitalen Vermittlungstechnik werde zugleich das Fundament für ihren Export in die anderen Mitgliedsländer des RGW in den 1990er Jahren geschaffen.
Erforderlich sei deshalb, die zur Profilierung des VEB Kombinat Nachrichtenelektronik vorgesehene Erweiterung der Produktionskapazitäten in der Hauptstadt der DDR in den Staatsplan Investitionen einzuordnen, wie es der entsprechende Beschluss vorsieht (Beschluss des Ministerrates der DDR vom 12. November 1987 über die Konzeption zur weiteren Profilierung des VEB Kombinat Nachrichtenelektronik durch Wissenschaft und Technik einschließlich der materiell-technischen Sicherung der Produktion bis 1990).4
Ein Abweichen von dieser im Beschluss enthaltenen Zielstellung zur Profilierung des VEB Kombinat Nachrichtenelektronik in seiner Gesamtheit hätte zur Folge, dass der in den nächsten Jahren überproportional wachsende Kommunikationsbedarf von Staat, Wirtschaft und Bevölkerung nicht erfüllt werden könnte, ein weiterer Rückstand zu den führenden kapitalistischen Industrieländern eintritt und die ökonomische Verwertung der bisher erbrachten Leistungen in Forschung und Entwicklung negativ beeinflusst wird.
In Anbetracht des bisher erreichten Standes der Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der digitalen Vermittlungstechnik in der DDR sollten – nach Prüfung aller volkswirtschaftlichen Möglichkeiten – in absehbarer Zeit Entscheidungen herbeigeführt werden, mit denen die zur Profilierung des VEB Kombinat Nachrichtenelektronik durch Wissenschaft und Technik, einschließlich der materiell-technischen Sicherung der Produktion bis 1990 und in seinen Wirkungen bis 1995 und darüber hinaus festgelegten Zielstellungen, Maßnahmen und Vorhaben in den Fünfjahrplan 1991 bis 1995 eingeordnet werden.
Gewährleistet werden sollte Expertenauffassungen zufolge zugleich die konzentrierte Fortsetzung der Arbeit auf der Grundlage der Verfügung des Vorsitzenden des Ministerrates der DDR Nr. 57/85 vom 22. Mai 1985 zur Beschleunigung der Entwicklung der digitalen Nachrichtentechnik der DDR.5 Zur Lösung dieser Aufgabe sollten unter Leitung des Ministeriums für Elektrotechnik/Elektronik alle beteiligten zentralen Staatsorgane, die Teilaufgaben der Digitalisierung des Fernmeldenetzes im volkswirtschaftlichen Sinne zu realisieren haben, in Abstimmung mit der Staatlichen Plankommission das weitere Vorgehen koordinieren.