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Feindliche Einwirkung auf Bürger der DDR

8. Juli 1989
Information und Schlussfolgerungen zu einigen Fragen der feindlichen Einwirkung auf Bürger der DDR [Bericht K 1/206]

Wie auf der 7. Tagung des Zentralkomitees festgestellt wurde, verstärken die Feinde des Sozialismus ihre Angriffe auf die politische Stabilität und die Ausstrahlungskraft der DDR.1 Das zeigt sich unter anderem in der Tätigkeit feindlicher, oppositioneller Gruppen, in der Existenz von jugendlichen Gruppierungen nach westlichen Verhaltensmustern und in Erscheinungen des Missbrauchs von Reisen nach dem Ausland.

1. Zu feindlichen, oppositionellen und anderen negativen Gruppen und deren Publikationen

Die Aktivitäten des Gegners sind zunehmend darauf gerichtet, insbesondere unter Missbrauch des KSZE-Prozesses2 und unter Berufung auf bestimmte Entwicklungen in einigen sozialistischen Staaten3 feindliche, oppositionelle Zusammenschlüsse zu organisieren.

In der DDR bestehen ca. 160 derartige personelle Zusammenschlüsse, darunter 150 sogenannte kirchliche Basisgruppen,4 mit insgesamt etwa 2 500 Personen. Zunehmend bemühen sich die Initiatoren und Organisatoren, diese Gruppierungen gegen die sozialistische Entwicklung in der DDR zu aktivieren. Das geschieht in Übereinstimmung und im Zusammenwirken vor allem mit reaktionären kirchlichen Kreisen und unter Missbrauch der Strukturen und des Potenzials der Kirchen sowie unter Einschaltung der gegnerischen Medien und ehemaliger Bürger der DDR. In der DDR akkreditierte Korrespondenten wirken eng mit Führungskräften personeller Zusammenschlüsse zusammen, inspirieren diese zu antisozialistischen Aktivitäten, popularisieren ihre Vorhaben und Handlungen vor allem mit dem Ziel, weitere Personen in deren Bestrebungen einzubeziehen und sie unter den Schutz der internationalen Öffentlichkeit zu stellen.

Die Zusammensetzung der Gruppierungen ist differenziert. Der Anteil von im produktiven Bereich Tätigen ist relativ gering. Etwa zwölf Prozent der aktiven Kräfte sind ohne Arbeitsrechtsverhältnis.5 Die Haltung dieser Kräfte wird von politisch indifferenten, labilen, schwankenden bis zu offen feindlichen Einstellungen gegen den Sozialismus in der DDR geprägt.

Folgende Schwerpunkte charakterisieren das Wirken dieser Zusammenschlüsse:

  • Angriffe gegen die verfassungsmäßigen Grundlagen des Staates und gegen unsere Konzeption des sozialistischen Aufbaus;

  • Angriffe auf die Militär- und Sicherheitspolitik, besonders Forderungen zum Verzicht auf die vormilitärische Erziehung und Ausbildung,6 zur Einführung eines zivilen »Friedensdienstes« und zur Abschaffung der Wehrpflicht;7

  • Forderungen zur Aufgabe des »Totalitätsanspruches« der marxistisch-leninistischen Weltanschauung bei der Erziehung der Jugend und zur freien Glaubens- und Religionsausübung an allen Bildungseinrichtungen;

  • Diffamierung der Politik der Partei und des Staates in Umweltfragen unter Nutzung des wachsenden Umweltbewusstseins der Menschen und durch überspitzte Forderungen zur Lösung örtlicher ökologischer Probleme.

Zur Propagierung damit verbundener »alternativer« gesellschaftlicher Auffassungen werden ca. 25 nicht genehmigte Druck- und Vervielfältigungserzeugnisse mit antisozialistischem Inhalt hergestellt und verbreitet. Dazu wird fast ausschließlich kircheneigene oder private Technik verwendet.

Es geht den Herausgebern darum,

  • die konzeptionellen Grundlagen für ihr feindliches, oppositionelles Wirken zu entwickeln, Gleichgesinnte, Sympathisanten und Unzufriedene zu sammeln und eine publizistische Gegenöffentlichkeit zu schaffen;

  • den personellen Zusammenschluss und deren politische Ziele öffentlich und international aufzuwerten, auf eine Legalisierung hinzuwirken und damit als Dialogpartner anerkannt zu werden;

  • Informationsbeziehungen für die feindlichen Kräfte aufzubauen, Solidarisierungseffekte zu erreichen und in westlichen Medien zu publizieren;

  • sich als Interessenvertreter der Bürger zu artikulieren, die staatliche Toleranz zu testen und durch Aufrufe zu »stillen Demonstrationen« und anderen Formen provokatorisch-demonstrativen Handelns und des »gewaltfreien Widerstandes« eine breitere Öffentlichkeitswirksamkeit zu erreichen.

2. Zur Entwicklung sozialismusfremder Positionen unter Jugendlichen

In Durchführung des Beschlusses des Politbüros vom 2.2.19888 haben die Bezirks- und Kreisleitungen umfangreiche Maßnahmen zur Verbesserung der politisch-ideologischen Arbeit mit allen Jugendlichen und zur Unterstützung der FDJ im »FDJ-Aufgebot DDR 40« beschlossen und verwirklicht.

Dennoch ist nicht zu übersehen, dass bestimmte Teile der Jugend den permanent vorgetragenen ideologischen Angriffen des Gegners unterliegen. Die Wirkung seiner Einflussnahme, insbesondere westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen, konnte bisher nicht entscheidend zurückgedrängt werden.

Vor allem Jugendliche in den jüngeren Jahrgängen, besonders Schüler, verfolgen intensiv die Sender RIAS II und 100,6 und in Berlin den Sender Sat 1, nutzen deren Sendungen häufig als einzige Informationsquelle und übernehmen vielfach die dort verbreiteten Argumente.

In höheren Klassen der Oberschulen, in Berufsausbildungseinrichtungen sowie an Universitäten, Hoch- und Fachschulen treten Jugendliche auf, die antisozialistisches Gedankengut verbreiten und westliche Sendungen positiv kommentieren. Die Leistungen in der DDR werden dabei negiert. Die Rolle der Partei wird herabgewürdigt. Demgegenüber werden die Lebensverhältnisse in der BRD und Westberlin verherrlicht. Dem wird nicht mit der erforderlichen Offensive entgegengewirkt. FDJ-Organisationen und Lehrkräfte sind für die Auseinandersetzungen dazu noch nicht ausreichend ideologisch befähigt und zum Teil auch nicht bereit.

Zunehmend gibt es unter Jugendlichen Tendenzen, sich der gesellschaftlichen Einflussnahme bewusst zu entziehen. Ein kleiner Teil nimmt sozialismusfremde Positionen in Form pseudopazifistischer, anarchistischer, neofaschistischer und dekadenter Denk- und Verhaltensweisen ein.

Zur Verfolgung antisozialistischer Interessen schließen sich Jugendliche in Gruppen und Gruppierungen zusammen. Nach westlichen Verhaltensmustern bilden sich insbesondere Gruppierungen der Skinheads, Punks, Heavy-Metals und Gruftis.

Von den Schutz- und Sicherheitsorganen sind gegenwärtig 51 Gruppierungen jugendlicher Skinheads mit durchschnittlich fünf bis zehn Mitgliedern, zehn Gruppierungen von Punks, 32 Gruppierungen von Heavy-Metals und neun Gruppierungen von Gruftis erfasst.

Konzentrationsschwerpunkte bilden bei Skinheads die Bezirke Berlin und Potsdam, bei Punks der Bezirk Halle und bei Gruftis die Bezirke Erfurt, Dresden und Leipzig.

Während bei den sogenannten Punks im Ergebnis des politisch verantwortungsbewussten Wirkens von FDJ-Bezirks- und -Kreisleitungen und weiterer vielfältiger gesellschaftlicher Einflussnahme rückläufige Tendenzen festzustellen sind, konnte bei den Skinheads kein zahlenmäßiger Rückgang erreicht werden (ca. 1 000 in der DDR).

Im Zusammenhang mit Fußball-Oberligaspielen inszenieren Angehörige solcher Gruppierungen – zum Teil unter dem Deckmantel der Zugehörigkeit zu Fanclubs – nach wie vor auch Störungen der öffentlichen Ordnung.

Die o. g. Gruppierungen stehen unter ständiger Kontrolle der Schutz- und Sicherheitsorgane. Verstöße gegen Rechtsvorschriften werden konsequent geahndet.

Seit dem 1. Januar 1988 wurden insgesamt 215 Ermittlungsverfahren gegen Skinheads, davon 170 mit Haft, eingeleitet. Sie waren mit Maßnahmen zur Auflösung von Gruppierungen und zur Wiederherstellung von Ordnung und Sicherheit im Territorium, in Jugendklubs und in gastronomischen Einrichtungen verbunden. Damit konnten bisher neun Gruppierungen aufgelöst und 51 Jugendliche aus solchen Gruppen herausgelöst und zurückgewonnen werden.

Die Identifizierung von Angehörigen solcher Gruppierungen wird dadurch erschwert, dass sie ihr äußeres Erscheinungsbild verändert und ihrer Umwelt zunehmend angepasst haben. Rädelsführer und Inspiratoren konnten bisher nur teilweise identifiziert werden.

3. Zur Durchsetzung der Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland9

Privatreisen

Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1989 wurden 2 885 544 Genehmigungen für Privatreisen nach dem nichtsozialistischen Ausland erteilt. Das ist eine Steigerung um 296 756 (= 11,5 %) gegenüber dem Vorjahr. Abgelehnt wurden 13 731 Anträge (= 0,47 %). In 289 026 Fällen wurden solche Anträge nicht entgegengenommen, weil sie den gesetzlichen Bestimmungen widersprachen. Gegen die getroffenen Entscheidungen erfolgten 3 820 Beschwerden. 860 wurde stattgegeben.

4 249 Bürger der DDR (1. Halbjahr 1988 = 2 754) verblieben widerrechtlich im nichtsozialistischen Ausland. Darunter befinden sich 538 Ehepaare sowie 1 216 Hoch- und Fachschulkader, u. a. 80 Ärzte, 36 Zahnärzte, zwei Tierärzte, 36 Personen aus dem Bereich Forschung und Entwicklung, 85 Lehrer und weitere 232 Personen aus dem Gesundheitswesen.

Die Verordnung über Reisen von Bürgern der DDR nach dem Ausland und die dazu erlassene Erste Durchführungsbestimmung finden allgemeine Zustimmung.10 Gleichzeitig erwarten nicht wenige Bürger eine weitere Ausdehnung des Reiseverkehrs bis hin zur absoluten Reisefreiheit. Teilweise werden ultimativ und zunehmend aggressiv Reiseforderungen gestellt sowie demonstrativ-provokatorische Handlungen angedroht. Vielfach nehmen Bürger dabei auf Ergebnisse des politischen Dialogs zwischen Repräsentanten der DDR und des nichtsozialistischen Auslands Bezug.

Wesentlich angestiegen ist das ungesetzliche Verlassen der DDR unter Ausnutzung von Dienstreisen und Touristenreisen, vor allem Jugendtouristenreisen.

Darüber hinaus haben Bestrebungen erheblich zugenommen, Reisen in sozialistische Staaten zum ungesetzlichen Verlassen der DDR zu missbrauchen (Zunahme um 80 %) bzw. durch Angriffe gegen die Staatsgrenze (Zunahme um 29 %) die DDR ungesetzlich zu verlassen.

Ständige Ausreisen

Die Anzahl der Anträge auf ständige Ausreise nach dem nichtsozialistischen Ausland ist unverändert hoch.11 Trotz vielfältiger Aktivitäten konnte die angestrebte Wirksamkeit bei ihrer Zurückdrängung nicht erreicht werden. Nach wie vor sind illusionäre Vorstellungen über die Lebensverhältnisse im kapitalistischen Ausland, die Ablehnung der gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR und die Lösung persönlicher Konflikte als Motive dominierend.

Seit dem 1. Januar 1989 haben über 18 000 Bürger erstmalig einen solchen Antrag gestellt. Demgegenüber konnte nur bei ca. 1,5 Prozent aller Anträge eine Abstandnahme erzielt werden.

Territoriale Schwerpunkte bilden die Bezirke, Dresden, Karl-Marx-Stadt, Berlin und Leipzig.

Obwohl sich die Mehrzahl der Antragsteller noch sachlich und ruhig verhält, wächst die Anzahl derer, die immer aggressiver auftreten und die staatlichen Regelungen oder Verfahrensweisen nicht akzeptieren. Beispielhaft dafür sind Versuche, mit öffentlichkeitswirksamen Demonstrativhandlungen Druck auf die staatlichen Organe auszuüben und sie zu erpressen. Diesen Personen, die aufgrund ihrer feindlich-negativen Einstellung nicht zurückgewinnbar sind, staatliche Entscheidungen nicht akzeptieren und von denen damit im Zusammenhang ständige Gefahren für die Sicherheit und Ordnung ausgehen, werden in der Regel Genehmigungen zur ständigen Ausreise erteilt. Die Einleitung straf- bzw. ordnungsrechtlicher Maßnahmen ist nur bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen möglich, führt aber im Allgemeinen nicht zur Veränderung des Ausreisewillens der betreffenden Personen. Von ihnen gehen auch danach unverändert Gefahren für die Sicherheit und Ordnung aus; außerdem sind sie ständiger Gegenstand von Aktivitäten zur politischen Diskriminierung und Verleumdung der DDR.

Die große Anzahl der Anträge auf ständige Ausreise und die gesetzlich festgelegte Bearbeitungsfrist von sechs Monaten führen zu einer Konzentration staatlicher Entscheidungen in den Monaten Juli, August und September. Dabei müssen in großem Umfang Ablehnungen ausgesprochen werden, da in vielen Fällen gesetzlich fixierte Anlässe für eine ständige Ausreise nicht vorliegen. Infolgedessen ist damit zu rechnen, dass das fordernde Verhalten dieser Antragsteller sowie Versuche, unter Einbeziehung von Personen und Einrichtungen aus dem nichtsozialistischen Ausland die ständige Ausreise zu erzwingen, zunehmen werden.

Die Kommunikation unter den Antragstellern und ihre Bestrebungen zu überörtlichen Aktivitäten haben sich verstärkt.

Andererseits entzieht sich ein Teil der Antragsteller weitestgehend der gesellschaftlichen Einflussnahme durch Aufgabe des Arbeitsrechtsverhältnisses bzw. durch die Aufnahme einer unterhalb ihrer Qualifikation liegenden Tätigkeit, u. a. auch in Privatbetrieben und in kirchlichen Einrichtungen.

Da Antragstellern, die sich in Missionen nichtsozialistischer Staaten festsetzen bzw. die mit anderen provokatorisch-demonstrativen Handlungen öffentlichkeitswirksam in Erscheinung treten, zur Verhinderung weiteren politischen Schadens bisher kurzfristiger die Genehmigung zur ständige Ausreise erteilt wird, werden Sogwirkungen und Nachahmungseffekt ausgelöst.

Darauf Bezug nehmend werden die staatlichen Organe der willkürlichen Handhabung der Reiseverordnung bezichtigt. Somit entstand ein bestimmter Mechanismus zur Erzwingung ständiger Ausreisen unter Umgehung der Reiseverordnung.

Im Zurückdrängungsprozess wird noch nicht die erforderliche gesellschaftliche Breite erreicht. In Betrieben und Einrichtungen wird teilweise noch eine abwartende Haltung eingenommen. Dabei wird von Auffassungen ausgegangen, dass mit der neuen Verordnung die Antragstellung ein rein administratives und juristisches Problem der staatlichen Organe sei.

Schlussfolgerungen

1. Unter Führung der Bezirks- und Kreisleitungen der SED ist die offensive politisch-ideologische Arbeit in Durchführung der Beschlüsse der 7. und 8. Tagung des Zentralkomitees12 sowie der entsprechenden Beschlüsse des Politbüros13 zu verstärken. Es geht darum, bei allen Bürgern die Verbundenheit mit dem sozialistischen Staat auszuprägen und sie zu befähigen, in den Kämpfen unserer Zeit standhaft für den Sozialismus Partei zu ergreifen und sich mit den ideologischen Positionen antisozialistischer Kräfte erfolgreich auseinanderzusetzen.

Den Grundorganisationen ist zu helfen, offensive Diskussionen gegen feindliche Argumente zu führen sowie sozialismusfremde Lebens- und Verhaltensweisen zurückzudrängen und zu beseitigen.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen

2. Die Bezirks- und Kreisleitungen gewährleisten ein kontinuierliches, mit den zuständigen staatlichen Organen, gesellschaftlichen Organisationen, Kombinaten, Betrieben, Genossenschaften und Einrichtungen abgestimmtes Herangehen an die vorbeugende Verhinderung gesellschaftsgefährdender Erscheinungen. Unter ihrer Anleitung sind Maßnahmen für das weitere Vorgehen, besonders für die Einbeziehung gesellschaftlicher Kräfte, festzulegen.

Die befreundeten Parteien sind in geeigneter Form einzubeziehen.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen

3. Für das weitere Vorgehen staatlicher Organe und gesellschaftlicher Kräfte sind die durch zuständige Diensteinheiten des MfS den 1. Sekretären der Bezirks-und Kreisleitungen der SED übergebenen Informationen zum Wirken feindlicher, oppositioneller und anderer negativer Kräfte im Verantwortungsbereich einschließlich der entsprechenden Vorschläge zum Zusammenwirken bei deren vorbeugenden Bekämpfung zu nutzen.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen, Minister für Staatssicherheit

4. Auf kirchenleitende Personen im Bereich der evangelischen Kirchen der DDR und anderer Religionsgemeinschaften ist auf zentraler und örtlicher Ebene einzuwirken, damit sie ihrer Verantwortung zur Unterbindung des Missbrauchs kirchlicher Räume und des kirchlichen Eigentums, besonders der Druck- und Vervielfältigungstechnik, gerecht werden.

Loyale kirchliche Amtsträger und Gläubige sind bei der Durchführung ihrer theologischen Tätigkeit und in ihrem Bemühen zu unterstützen, sich von jenen Personen zu trennen, die den religiösen Glauben oder den kirchlichen Raum für antisozialistische Ziele missbrauchen.

Verantwortlich: Vorsitzender des Ministerrates, Vorsitzende der Räte der Bezirke und Kreise

5. Um antisozialistische sowie sozialismusfremde Denk- und Verhaltensweisen zu überwinden, ist die personenbezogene individuelle Arbeit zu intensivieren. Gemeinsam mit den betreffenden Bürgern sind Lösungen zu finden, damit sie sich in die Gesellschaft integrieren, individuelle Interessen entsprechend den realen Möglichkeiten verwirklichen und die eigene Persönlichkeit weiter entfalten können. Dabei sind die Arbeits- und Ausbildungskollektive, gesellschaftliche Gremien sowie der Familien- und Freundeskreis mit einzubeziehen.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen

6. Anträgen auf ständige Ausreise und Versuchen, ihre Genehmigung durch Aufsuchen diplomatischer Vertretungen nichtsozialistischer Staaten bzw. durch andere provokatorisch-demonstrative Handlungen zu erzwingen, ist noch entschiedener vorzubeugen und entgegenzuwirken. Die offensive und differenzierte Auseinandersetzung mit Antragstellern, vor allem in den Arbeitskollektiven, ist zu verstärken. Die Gewerkschaften, die FDJ und andere gesellschaftliche Organisationen sind dabei wirkungsvoller einzubeziehen.

Auch bei Vorliegen eines Antrages auf ständige Ausreise sind die verfassungsmäßigen Rechte der Bürger zu garantieren und restriktive Maßnahmen weitestgehend auszuschließen.

Über getroffene Entscheidungen zu Anträgen auf ständige Ausreise, insbesondere über ausgesprochene Ablehnungen, sind durch die dafür Zuständigen die Bezirks- und Kreisleitungen der SED, die staatlichen Leiter bzw. deren Beauftragte der Betriebe, Genossenschaften und Einrichtungen rechtzeitig zu informieren. Gemeinsam sind Festlegungen zur Fortführung der personenbezogenen Arbeit zu treffen.

Rückkehrersuchen kann nach Prüfung des für die DDR zu erwartenden politischen und ökonomischen Nutzens in entsprechendem Umfang stattgegeben werden.

Die Wiedereingliederung zurückgekehrter Bürger ist entsprechend den gesetzlichen Regelungen zu gewährleisten.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen, Vorsitzender des Ministerrates, Vorsitzende der Räte der Bezirke und Kreise, Minister für Staatssicherheit, Minister des Innern

7. Ergebnisse und Erfahrungen bei der Zurückdrängung und vorbeugenden Verhinderung der gegen das Vertrauensverhältnis Partei – Staat – Volk gerichteten Handlungen und Aktivitäten von Personen und Zusammenschlüssen sind öffentlichkeitswirksamer auszuwerten. Die zentralen, territorialen und anderen Medien sind stärker zu nutzen, um die sozialistische Rechtsordnung zu festigen, die sozialistische Lebensweise auszuprägen, Angriffe des Gegners und innerer Feinde des Sozialismus zu entlarven und Einmischungsversuche in die inneren Angelegenheiten der DDR zurückzuweisen.

Verantwortlich: 1. Sekretäre der Bezirks- und Kreisleitungen, Vorsitzender des Ministerrates, Minister für Staatssicherheit, Minister des Innern

Anlage zum Bericht K 1/206

[Überblick zu ständigen Ausreisen aus der DDR im Jahr 1989]

1. Ständige Ausreisen

Mit Stand vom 30. Juni 1989 haben insgesamt 115 997 Bürger der DDR einen Antrag auf ständige Ausreise nach der BRD oder Westberlin gestellt. Darunter befinden sich 97 897 (84,4 %) Bürger, die bereits vor dem Inkrafttreten der Verordnung ein Ersuchen auf Übersiedlung gestellt hatten.

Territoriale Schwerpunkte sind nach der Anzahl der Antragsteller die Bezirke Dresden (24 925), Karl-Marx-Stadt (17 947), Berlin (16 094) und Leipzig (11 945).

Im Jahre 1989 haben bisher 18 100 Bürger der DDR erstmalig einen Antrag auf ständige Ausreise gestellt.

Im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. Juni 1989 sind bisher 38 550 Bürger nach der BRD bzw. Westberlin für ständig ausgereist.

Bei 1 772 (1,5 %) Bürgern konnte eine Abstandnahme erreicht werden. 15 559 (13,4 %) Bürgern wurde der Antrag abgelehnt.

Mit Stand vom 30. Juni 1989 liegen demnach noch Anträge auf ständige Ausreise (einschließlich bereits abgelehnter Anträge) von insgesamt 75 675 Bürgern bei den zuständigen staatlichen Organen der DDR vor.

[2.] Vollendetes und verhindertes ungesetzliches Verlassen der DDR

Im I. Halbjahr 1989 haben insgesamt 6 921 Bürger die DDR ungesetzlich verlassen bzw. diesbezügliche Versuche unternommen.

Das entspricht gegenüber dem I. Halbjahr 1988 (4 663 Bürger) einem Anstieg um 48,4 %.

4 852 Bürger (I. Halbjahr 1988 = 3 050 Bürger) haben das ungesetzliche Verlassen der DDR vollendet, darunter 4 249 Bürger unter Missbrauch genehmigter Privatreisen, 203 Bürger unter Missbrauch der Territorien anderer sozialistischer Staaten, 106 durch Nichtrückkehr von Dienstreisen nach nichtsozialistischen Staaten und Westberlin und 102 unter Ausnutzung von Touristenreisen. 81 Bürger haben die DDR durch Überwindung der Grenzsicherungsanlagen über die Staatsgrenze zur BRD, zu Westberlin bzw. die Seegrenze ungesetzlich verlassen.

Im gleichen Zeitraum wurde das ungesetzliche Verlassen der DDR von 2 069 Bürgern (I. Halbjahr 1988 – 1 613 Bürger) verhindert. Davon hatten 996 Bürger (I. Halbjahr 1988 – 615) diesbezügliche Versuche unter Missbrauch der Territorien anderer sozialistischer Staaten unternommen.

  1. Zum nächsten Dokument Aktivitäten oppositioneller Personen in Leipzig und Dresden

    10. Juli 1989
    Information Nr. 337/89 über Aktivitäten feindlicher, oppositioneller Personen unter Missbrauch kirchlicher Veranstaltungen und Einrichtungen in Leipzig und Dresden

  2. Zum vorherigen Dokument Unterbindung einer Provokation am 7.7. in Berlin

    8. Juli 1989
    Information Nr. 336/89 über die Unterbindung einer von feindlichen, oppositionellen Kräften am 7. Juli 1989 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, geplanten Provokation