Geplante Demonstration am 7.6. in Berlin
1. Juni 1989
Information Nr. 271/89 über eine beabsichtigte öffentlichkeitswirksame Demonstration feindlicher, oppositioneller Kräfte am 7. Juni 1989 in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Nach dem MfS streng intern vorliegenden Hinweisen beabsichtigen feindliche, oppositionelle Kräfte aus der Hauptstadt Berlin, am 7. Juni 19891 zu einem bisher noch nicht näher bekannten Zeitpunkt, einen sogenannten Schweigemarsch vom Gebäude des Konsistoriums der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Stadtbezirk Berlin-Mitte, Neue Grünstraße zum Gebäude des Staatsrates der DDR durchzuführen.
Ziel dieser provokatorisch-demonstrativen und auf Öffentlichkeitswirksamkeit ausgerichteten Aktion, zu deren Inspiratoren und Organisatoren u. a. Kräfte des »Friedenskreises Weißensee«,2 darunter der bekannte Diakon der evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Hohenschönhausen, Mario Schatta,3 zählen, ist es, im Gebäude des Staatsrates ein als Eingabe4 deklariertes Schreiben zu übergeben, dessen Inhalt sich auf angebliche Manipulationen und Fälschungen im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen am 7. Mai 19895 beziehen soll.6 (Im Falle einer Unterbindung dieses Vorhabens durch die Sicherheitsorgane ist beabsichtigt, das Schreiben durch eine instruierte zuverlässige Einzelperson übergeben zu lassen.)
In Vorbereitung auf die geplante provokatorisch-demonstrative Aktion ist vorgesehen, gleichlautende schriftliche Einladungen (Klappkarten im Format A6) herzustellen. Aus dem Text solle erkennbar sein, dass staatlicherseits auf eine Eingabe zum »offensichtlichen Wahlbetrug am 7. Mai 1989« bisher keine Reaktion erfolgt sei und deshalb ein »Schweigemarsch« durchgeführt werden soll, mit dem man dem bisherigen Vorgehen Nachdruck verleihen wolle. Als Unterschrift ist der Text »Betroffene Bürger« vorgesehen. Mittels Linoldrucktechnik sollen Vorder- und Rückseite »künstlerisch« gestaltet werden, u. a. mit der Darstellung eines Polizisten mit Helm, Schutzschild und Knüppel.
Eingeladen werden sollen von den Organisatoren vor allem Mitglieder personeller Zusammenschlüsse aus der Hauptstadt Berlin, insbesondere solche Kräfte, die aktiv an der »Kontrolle« der Stimmenauszählung zu den Kommunalwahlen beteiligt waren.
Nach weiter intern vorliegenden Hinweisen sollen westliche Medien vom genannten Vorhaben bereits unterrichtet worden sein.
Zur Unterbindung der geplanten Provokation ist vorgesehen
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die Durchführung differenzierter Vorbeugungsgespräche mit den Inspiratoren und Organisatoren der geplanten Provokation, in denen diesen auf der Grundlage des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei § 11 (1)7 die Auflage erteilt wird, sich daran nicht zu beteiligen, andernfalls gegen sie ordnungsstrafrechtliche Maßnahmen durchgeführt werden.
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die Durchführung von Gesprächen durch leitende Mitarbeiter der Abteilung Inneres beim Magistrat der Hauptstadt der DDR, Berlin, mit verantwortlichen kirchenleitenden Kräften der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg, in denen diesen die staatliche Erwartungshaltung zur Verhinderung des geplanten »Schweigemarsches« unterbreitet und konkrete selbstständige Aktivitäten abverlangt werden.
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die verstärkte Kontrolle potenzieller Teilnehmer zur Verhinderung ihrer Annäherung an den Handlungsort, ihre Zurückweisung und Zuführung im Weigerungsfalle.
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die Durchführung verstärkter Schutz- und Sicherungsmaßnahmen am Gebäudekomplex des Staatsrates der DDR.
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