Geplante Konstituierung des »Demokratischen Aufbruchs«
29. September 1989
Information Nr. 432/89 über eine geplante Zusammenkunft zur Konstituierung einer oppositionellen Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch«
Dem MfS wurde streng vertraulich bekannt, dass auf maßgebliche Initiative des hinlänglich bekannten Pfarrers Eppelmann1 am 1. Oktober 1989 in der Hauptstadt der DDR, Berlin, eine Zusammenkunft von Personen zur Bildung einer DDR-weiten oppositionellen Sammlungs-bewegung »Demokratischer Aufbruch«2 durchgeführt werden soll.
Bei den Inspiratoren/Organisatoren dieser Sammlungsbewegung (dazu wurde bereits in der Information des MfS Nr. 416/89 vom 19. September 1989, Seiten 6 bis 8 informiert) handelt es sich um eine Gruppe reaktionärer kirchlicher Amtsträger, in der Mehrzahl langjährige Organisatoren feindlich-negativer Aktivitäten, darunter – neben Eppelmann – die Pfarrer Richter3 (Erfurt), Schorlemmer4 (Wittenberg), Pahnke5 (Borgsdorf) und Wagner6 (Leipzig).
Entsprechende konzeptionelle Überlegungen dieses Personenkreises zu einem in diesem Zusammenhang zu erarbeitenden Programmentwurf lassen teilweise übereinstimmende Grundpositionen mit dem »Gründungsaufruf« der Sammlungsbewegung »Neues Forum« erkennen.7 Als Zielstellung wird die Schaffung einer »demokratischen sozialen und ökologischen Gesellschaft« genannt. Voraussetzung hierfür seien u. a. eine strikte Trennung von Partei und Staat, die Entwicklung einer freien Öffentlichkeit und freier Willensbildung, die Gewährleistung aller individuellen Menschenrechte im Sinne des KSZE-Prozesses8 und entsprechende Alternativen zur Überwindung von »Fehlentwicklungen in der DDR«.
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen propagierte Pfarrer Richter, der sich als Sprecher des »Demokratischen Aufbruchs« ausgibt, wiederholt in der Öffentlichkeit – so auch in der BRD – Ziele und Anliegen dieser oppositionellen Sammlungsbewegung. Unter anderem erläuterte er am 26. September 1989 in der Augustinerkirche in Erfurt vor ca. 1 000 vorwiegend jugendlichen Personen während eines sogenannten Informationsabends Inhalte des Programmentwurfs der zu bildenden Bewegung. In diesem Zusammenhang hob er hervor, dass der »Demokratische Aufbruch« im Gegensatz zum »Neuen Forum« stärker das »politische Handeln« in den Vordergrund stellen wolle, um den »Alleinvertretungsanspruch« der SED zu brechen.
An der ab 14.00 Uhr in der Samariterkirche in Berlin-Friedrichshain geplanten Zusammenkunft – sie könne nach Vorstellung der Organisatoren möglicherweise an einer anderen Örtlichkeit in der Hauptstadt Berlin fortgesetzt werden – sollen ca. 100 Personen aus allen Bezirken der DDR teilnehmen, mehrheitlich kirchliche Amtsträger und im kirchlichen Bereich Tätige. Darunter befinden sich die Pfarrer Meckel9 (Magdeburg), Wonneberger10 (Leipzig), Gutzeit11 (Potsdam), Albani12 (Karl-Marx-Stadt) sowie der Diakon Schatta13 (Berlin). Als Teilnehmer wurden darüber hinaus bekannt die Führungskräfte des »Neuen Forums« Bärbel Bohley,14 der ehemalige Rechtsanwalt Henrich,15 der Student Arnold16 (Leipzig), der kirchliche Angestellte Eigenfeld17 (Halle) und die Ärztin Drees18 (Stendal).
Auf der Zusammenkunft sollen ein sogenannter Programmentwurf der Sammlungsbewegung »Demokratischer Aufbruch« bekannt gegeben und beraten werden sowie ihre Konstituierung erfolgen. Nach Ende der Veranstaltung ist gegen 22.00 Uhr eine »Pressekonferenz« geplant. (Die Durchführung einer »Pressekonferenz« wurde bisher nicht beantragt und wird nicht genehmigt.)
Es ist vorgesehen, dass der Staatssekretär für Kirchenfragen, Genosse Löffler,19 mit Bischof Forck20 ein Gespräch führt, in dem diesem mitgeteilt und erläutert wird, dass es sich bei der geplanten Zusammenkunft um keine Veranstaltung religiösen, sondern ausschließlich politischen Charakters handelt und diese demzufolge einen politischen Missbrauch kirchlicher Einrichtungen darstellt. Unmissverständlich sollte Bischof Forck dazu aufgefordert werden, alle kirchlicherseits gegebenen Möglichkeiten auszuschöpfen, um die gegen den sozialistischen Staat gerichtete Veranstaltung zu unterbinden.
Ein analoges Gespräch ist vorgesehen zwischen dem Stellvertreter des Stadtbezirksbürgermeisters des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Friedrichshain für Inneres mit Superintendentin Laudien.21
Durch die Stellvertreter der Vorsitzenden für Inneres derjenigen Räte der Bezirke und Kreise, aus denen bisherigen Feststellungen zufolge Teilnehmerhinweise für die geplante Veranstaltung zur Konstituierung des »Demokratischen Aufbruchs« vorliegen, sollten ebenfalls unverzüglich Gespräche mit zuständigen kirchenleitenden Personen geführt werden, in denen diese auf die Zielstellung der in der Hauptstadt Berlin vorgesehenen Veranstaltung hingewiesen werden. Sie sollten aufgefordert werden, ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass die Teilnahme von Personen aus ihrem Verantwortungsbereich an der vorgesehenen Zusammenkunft unterbleibt.
Durch das MfS sind komplexe Sicherungsmaßnahmen im Umfeld ausgewählter kirchlicher Objekte in der Hauptstadt der DDR, Berlin, eingeleitet.
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