Geplantes landesweites Treffen des »Neuen Forums«
13. Oktober 1989
Information Nr. 455/89 über ein geplantes DDR-weites Treffen von Vertretern des »Neuen Forums« in der Hauptstadt der DDR, Berlin
Wie bereits in der Information des MfS Nr. 451/89 vom 9. Oktober 1989 berichtet, planen – internen Hinweisen zufolge – die Inspiratoren/Organisatoren des »Neuen Forums«1 am 14. Oktober 1989, 10.00 Uhr, in Räumlichkeiten der evangelischen Sophienkirchengemeinde (Berlin-Mitte) nach erfolgter Abstimmung mit Pfarrer Passauer2 (Berlin) ein DDR-weites Treffen mit Erstunterzeichnern des »Gründungsaufrufes«3 sowie mit den als sogenannte Kontaktadressen wirkenden Personen durchzuführen. (Nach noch unbestätigten Hinweisen ist eine kurzfristige Verlegung dieses Treffens in ein anderes Objekt nicht auszuschließen.)
Es wird mit einer Teilnehmerzahl von ca. 120 Personen aus allen Bezirken der DDR, darunter zahlreichen kirchlichen Amtsträgern und in kirchlichen Einrichtungen tätigen Personen, gerechnet. Die Teilnehmer sind bisher nur teilweise bekannt; sie wurden sowohl mündlich als auch schriftlich eingeladen.
Auf der Zusammenkunft sollen Materialien konzeptionellen Charakters, Probleme der künftigen Organisationsstruktur und der Öffentlichkeitsarbeit sowie der zentralen Erfassung der Mitglieder und Sympathisanten beraten werden.
Die Zusammenkunft ist bisher nicht öffentlich angekündigt.
Es wird vorgeschlagen, dass durch den Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Löffler,4 mit Konsistorialpräsident Stolpe5 und durch den Stellvertreter des Stadtbezirksbürgermeisters des Rates des Stadtbezirkes Berlin-Mitte für Inneres, Genossen Jugl,6 mit Superintendent Koppehl7 Gespräche geführt werden.
In Anknüpfung an das Gespräch des Oberbürgermeisters, Genossen Krack,8 mit Bischof Forck9 zu den bekannten Problemen sollte nachdrücklich gefordert werden, dafür zu sorgen, dass kirchliche Räume für die Formierung nicht zugelassener Vereinigungen bzw. Gruppen antisozialistischen Charakters und die Organisierung ihrer Tätigkeit nicht zur Verfügung gestellt werden. Darüber hinaus ist erneut die generelle Erwartung auszusprechen, den Missbrauch kirchlicher Einrichtungen zu unterbinden.
Weiter wird vorgeschlagen, durch die jeweiligen Abteilungen Inneres der Räte der Kreise unverzüglich mit bereits bekannten bzw. möglichen Teilnehmern an diesem Treffen Aussprachen zu führen und zu fordern, jegliche Aktivitäten zur Gründung, Förderung und Organisierung der angestrebten Vereinigung unter Berufung auf die dazu bestehenden Rechtsvorschriften zu unterlassen.
Gleichzeitig ist diesen Personen zu erklären, dass davon ausgehend eine eventuell beabsichtigte Teilnahme an einem in Berlin am 14. Oktober 1989 geplanten Treffen, das der Bildung einer nicht zugelassenen Vereinigung dienen soll, zu unterbleiben hat.
Es wäre zweckmäßig, nach Abgabe dieser Erklärung mit diesen Personen durch geeignete und entsprechend vorbereitete gesellschaftliche Kräfte sofort eine offensive politische Auseinandersetzung zu beginnen. Dabei sollte jedoch darauf geachtet werden, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, dass damit ein offizieller Dialog mit »Neues Forum« aufgenommen wurde.
Durch die zuständigen Diensteinheiten des MfS werden den 1. Sekretären der Bezirks- und Kreisleitungen der SED entsprechende Angaben zu den Personen übermittelt.
Zu den Personen, die entgegen den erteilten Auflagen an dem geplanten Treffen teilnehmen, müssten danach durch die zuständigen staatlichen Organe an ihrem Wohnsitz differenzierte ordnungsstrafrechtliche Maßnahmen eingeleitet werden. Dabei wäre jedoch zu beachten, dass es bei Durchsetzung dieser Maßnahmen zu öffentlichkeitswirksamen Sympathiebekundungen und anderen demonstrativen Handlungen kommen kann. Das ist auch bereits im Zusammenhang mit der Vorladung zu Inneres einzukalkulieren.
Für den Fall, dass im Ergebnis der vorgenannten Gespräche mit kirchlichen Amtsträgern kirchlicherseits keine Maßnahmen zur Unterbindung dieser Zusammenkunft erfolgen, würde eine Verhinderung derselben nur mit polizeilichen Maßnahmen möglich sein. Dabei wäre jedoch zu beachten, dass das Gelände der Sophienkirchengemeinde von mehreren Straßen aus zugänglich ist, mehrere Räumlichkeiten mit unterschiedlichem Fassungsvermögen vorhanden sind und auf dem Freigelände größere Personenansammlungen möglich sind. Aus diesen Gründen wäre eine rechtzeitige Absperrung des gesamten Geländes mit starken Polizeikräften erforderlich, um den Zutritt zu verhindern.
Bei der Durchführung entsprechender polizeilicher Maßnahmen wäre eine Konfrontation mit den damit verbundenen Gefahren der Ausweitung und des Entstehens größerer Personenansammlungen kaum zu vermeiden.
Außerdem wären damit republikweite Solidarisierungsbekundungen und andere provokatorisch-demonstrative Handlungen in Rechnung zu stellen.
Es wird um Entscheidung gebeten.