Geplantes Treffen kirchlicher Basisgruppen Königswalde
3. April 1989
Information Nr. 155/89 über ein geplantes Treffen von Vertretern sogenannter kirchlicher Basisgruppen in der DDR mit Laienchristen aus verschiedenen Ländern in der Zeit vom 6. bis 9. April 1989 in Königswalde, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt
In Fortsetzung seit dem Jahre 1987 durchgeführter gleichartiger Zusammenkünfte ist in der Zeit vom 6. bis 9. April 1989 in der St.-Jakobi-Kirche in Königswalde erneut ein als »Kleines Konzil« deklariertes Treffen von Vertretern sogenannter kirchlicher Basisgruppen in der DDR mit Laienchristen u. a. aus der Ungarischen Volksrepublik, der ČSSR, der BRD, den USA und den Niederlanden geplant. Dieses Vorhaben ordnet sich u. a. ein in Bestrebungen der Suche nach neuen Möglichkeiten des »blockübergreifenden« Zusammenwirkens kirchlicher Gruppen verschiedener Staaten und Gesellschaftssysteme.
Die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung dieses Treffens obliegt dem wegen seiner politisch negativen Haltung hinlänglich bekannten Organisator des jährlich zweimal stattfindenden sogenannten Friedensseminars Königswalde, Weigel,1 der dabei eng mit dem Vertreter des »Interkirchlichen Friedensrates der Niederlande«2 (IKV), Hans Dijkman,3 und dem Mitglied der BRD-Gruppe »Ohne Rüstung leben«, Rose Dierlamm,4 zusammenwirkt. (Das enge Zusammenwirken von Weigel mit Kräften aus nichtsozialistischen Staaten, die Langfristigkeit der Vorbereitung des sogenannten Kleinen Konzils sowie die damit angestrebte Zielstellung beweist u. a. ein im November 1988 in dem Informationsblatt der niederländischen Friedensbewegung »IFOR-FORUM«5 publizierter Beitrag – vgl. Anlage 1 der Information.)
Das in Königswalde vorgesehene Treffen soll sich inhaltlich mit Themenstellungen des »Konziliaren Prozesses für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung« beschäftigen. Als Grundlage dafür dienen erneut die im Ergebnis des Treffens im Jahre 1987 erarbeiteten und in der Folgezeit diskutierten »Königswalder Fragen auf dem Weg zur Ökumenischen Weltversammlung« (vgl. Anlage 2). Diese Themen fanden bisher wenig Resonanz. Hinweise auf die Verabschiedung von Beschlüssen und Resolutionen im Ergebnis des sognannten Kleinen Konzils liegen bisher nicht vor.
Nach dem MfS vorliegenden streng internen Informationen liegen den Organisatoren acht namentliche Meldungen von Personen aus der BRD, den USA, den Niederlanden und der ČSSR zur Teilnahme an der genannten Veranstaltung vor. Zur Täuschung staatlicher Organe der DDR waren von Mitgliedern des Vorbereitungskreises dieses Treffens Privateinladungen an Personen in nichtsozialistischen Staaten verschickt worden.
Mit dem Ziel der Verhinderung des politischen Missbrauchs dieser Veranstaltung wurden bereits staatlicherseits gegenüber verantwortlichen kirchenleitenden Kräften die staatliche Erwartungshaltung zum Ausdruck gebracht und entsprechende Forderungen erhoben, auf die seitens der Kirchenleitung der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens bisher nicht entsprechend reagiert wurde.
Mit Nachdruck wurde die Kirchenleitung darauf hingewiesen, dass derartige Versuche der Internationalisierung bestimmter kirchlicher Veranstaltungen in der DDR der positiven Entwicklung des Verhältnisses Staat – Kirche nachträglich sind.
Gegenüber der Person Dijkman wurde eine zeitweilige Sperre der Einreise in die DDR verfügt.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.
Anlage 1 zur Information Nr. 155/89
GFBS6 – Internationale Konferenz der Friedensaktivisten in Ostdeutschland
Kurz zur Geschichte:
Königswalde ist eine kleine Ortschaft im Süden der DDR zwischen Zwickau und Werdau. Seit 1972 werden durch eine Gruppe, die zum größten Teil aus Wehrdienstverweigerern besteht (in der DDR als »Bausoldaten« bekannt), in der Gemeindekirche Friedensseminare organisiert. Diese Friedensseminare – zweimal im Jahr (Mai und Oktober) durchgeführt – beschäftigten sich von Anfang an mit allen möglichen Fragen und die Teilnehmerzahl wuchs von 25 auf 300. Ausländer werden als Gäste geladen.
Als die neue Idee des Konziliaren Prozesses in den Kirchen Fuß fasste, wurde – im März 1987 – in Königswalde ein spezielles Treffen mit Vertretern aus der DDR, der BRD und den Niederlanden abgehalten. In dessen Ergebnis wurden elf Fragen formuliert und auf einem zweiten Treffen im Februar 1988 die wenigen darauf eingegangenen Antworten diskutiert. Um mehr Menschen aus verschiedenen Ländern in Ost und West zu interessieren, wurden Pläne für das nächste Treffen im April 1989 ausgearbeitet.
Die kommende Konferenz:
Die Organisationsgruppe richtete an IFOR die Bitte, eine Einladung zu verbreiten, damit alle (beteiligten?) Länder eine kleine Gruppe von zwei bis vier Personen entsenden. Da die Einladung an all jene gerichtet ist, die an einem Zusammentreffen mit Leuten interessiert sind, die auf irgendeine Weise in der Friedensbewegung aktiv sind und die mit anderen die Themen des Konziliaren Prozesses – Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung – diskutieren wollen, muss es sich bei den Teilnehmern nicht um offizielle Delegationen handeln.
Das Zusammensein als Menschen aus Ost und West, aus unterschiedlichen Ebenen und Bereichen der Gesellschaft, das gegenseitige Anerkennen der Probleme des anderen im Kampf für den Frieden kann eine gute und stimulierende Erfahrung sein.
Besuche in der DDR sollten im Vorhinein gut organisiert werden. Visaanträge sollten mindestens zwei Monate vor dem Besuch beantragt werden (nicht später als Ende Januar 1989). Weitere Details können im Dezember/Januar geklärt werden. Teilnehmer werden in Privatwohnungen untergebracht. Kenntnis der deutschen Sprache ist für die Teilnehmer nützlich, aber nicht unabdingbar.
Visagebühren und Aufenthaltskosten belaufen sich auf ca. 150 DM – ohne Reisekosten.
Kontaktadresse: | Hans Dijkman | [Straße, Nr.] Nunspeet/Niederlande | oder | Rose Dierlamm | [Straße, Nr.] 7012 Fellbach/BRD
Anlage 2 zur Information Nr. 155/89
Königswalder Fragen auf dem Weg zur Ökumenischen Weltversammlung
Wir, katholische und evangelische Christen aus der Deutschen Demokratischen Republik, den Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland, trafen uns vom 6. bis 8. März 1987 in Königswalde. Bei diesem Treffen überlegten wir gemeinsame Schritte, die der Bewahrung der Schöpfung, der Gerechtigkeit und dem Frieden in der Welt dienen.
Dabei erarbeiteten wir folgende Fragen:
- 1.
Ist die Bewahrung der Schöpfung nicht Voraussetzung für Gerechtigkeit und Frieden?
- 2.
Wie groß muss die Zerstörung der Umwelt noch werden, bevor weltweit wirksame Maßnahmen ergriffen werden?
- 3.
Wie können wir in unserer Umgebung und in unserem Land für den Umweltschutz tätig werden?
- 4.
Wie verwirkliche ich in meinem persönlichen Verhalten Verantwortung für die Umwelt?
- 5.
Sind die gegenwärtigen Wirtschaftssysteme in der Lage, Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen?
- 6.
Welches sind unsere Anteile an den herrschenden Ungerechtigkeiten?
- 7.
Wie können wir zu mehr Gerechtigkeit in unseren Kirchen, in unseren gesellschaftlichen Bezügen und in der Welt beitragen?
- 8.
Wie verwirkliche ich Gerechtigkeit in meinem persönlichen Lebensstil?
- 9.
Ist nicht die Wehrdienstverweigerung das deutlichere Zeichen christlichen Friedenshandelns unserer Zeit?
- 10.
Ist diese Frage nur ein Problem der Wehrpflichtigen?
- 11.
Was bedeuten uns die Wehrdienstverweigerer im anderen Bündnissystem?
Wir laden alle Christen, Gruppen, Gemeinden und kirchenleitende Gremien ein, mit uns diese Fragen weiter zu bewegen, bedenken und zu beraten.