Gespräche mit kirchenleitenden Personen
2. Oktober 1989
Hinweis auf Gespräche mit kirchenleitenden Personen [Bericht K 3/109]
Auf der Grundlage der Information des MfS Nr. 428/89 vom 26. September 1989 über die öffentlichkeitswirksame provokatorisch-demonstrative Aktion im Anschluss an das sogenannte Montagsgebet in der Nikolaikirche in Leipzig1 am 25. September 1989 wurde durch den Staatssekretär für Kirchenfragen, Genossen Löffler,2 mit Bischof Hempel/Dresden3 am 28. September 1989 ein Gespräch geführt.
Bischof Hempel wurde mitgeteilt, dass sich die montäglichen Friedensgebete unwiderlegbar zum ständigen Ausgangspunkt für fortgesetzte und sich ausweitende Provokationen gegen den sozialistischen Staat entwickelt haben und eine bewiesene eklatante Verletzung des Artikels 39 der Verfassung der DDR4 sowie anderer Gesetze und Rechtsvorschriften durch Personen, die im Namen der Kirche zu handeln vorgeben, darstellen. Er wurde nachdrücklich aufgefordert, die Organisatoren und Gestalter der Veranstaltungen in der Nikolaikirche, die Pfarrer Führer5 und Wonneberger,6 zu disziplinieren und die Friedensgebete in der jetzigen Form einzustellen.
Bischof Hempel erwiderte, er habe »von seinen Leuten« eine andere Darstellung des Verlaufes des Montagsgebetes erhalten, er werde aber in Absprache mit dem Landeskirchenrat notwendige Schritte überdenken und auf die Leipziger Pfarrer Einfluss nehmen. Er sei überzeugt, Führer und Wonneberger hätten keine staatsfeindlichen Absichten; sie hätten ihm in die Hand versprochen, den Boden der Verfassung nicht zu verlassen.
Über die ihm vorgehaltene Ausdehnung der Friedensgebete auf andere Kirchen zeigte er sich bestürzt und versprach, auch in diesem Falle Einfluss zu nehmen.
Bischof Hempel äußerte weiter ziemlich erregt, die Demonstrationen in Leipzig seien nur »Symptome für tiefer liegende Ursachen und sind so nur Randerscheinungen«. Er nannte seine bekannten Auffassungen in Bezug auf notwendige Veränderungen der Informationspolitik, die Aufnahme eines offenen Dialogs Staat – Kirche, die Entwicklung der Demokratie usw., damit »die Ursachen für die Krise, die zum Abwandern vieler Menschen7 und zum weitverbreiteten Entstehen von Resignation geführt« hätten, beseitigt werden. Er betonte, dass seine Meinung der Regierung übermittelt werden solle und führte weiter aus, er habe dieses Land geliebt und es für die menschlichste Lösung einer Gesellschaftsordnung gehalten; nunmehr werde er aber müde, weil er keine Bereitschaft spüre, »offen und aufrichtig auf die Nöte unzähliger Menschen in den Städten und Gemeinden einzugehen«.
Entsprechend der zentral abgestimmten Festlegung erfolgte am 28. September 1989 durch Vertreter staatlicher Organe (Leiter der Abteilung I a der Bezirksstaatsanwaltschaft Leipzig, Leiter des Sektors Kirchenfragen des Rates des Bezirkes Leipzig) ein Gespräch mit Oberlandeskirchenrat Auerbach/Dresden8 und den Leipziger Pfarrern Führer und Wonneberger, in dem die staatliche Erwartungshaltung hinsichtlich der Verantwortlichkeit kirchlicher Amtsträger für die wiederholten Rechtsverletzungen im Anschluss an die sogenannten Montagsgebete dargelegt und zum Ausdruck gebracht wurde, dass dieses Gespräch als eine ernst zu nehmende Ermahnung und Belehrung gewertet werden sollte. Eine Diskussion zu diesen Problemen wurde nicht zugelassen.