Gründung Vereinigung zur Förderung des KSZE-Prozesses
16. Februar 1989
Information Nr. 79/89 über die Beantragung der Gründung einer »Vereinigung zur Beobachtung und Förderung des KSZE-Prozesses in der Deutschen Demokratischen Republik« durch einen kirchlichen Mitarbeiter
Wie bekannt wurde, beantragte der Diakon Krüger, Jürgen (28),1 wohnhaft Berlin-Lichtenberg, Kreisjugendwart bei der Superintendentur des Evangelischen Kirchenkreises Berlin-Stadt I, unter Bezugnahme auf Artikel 29 der Verfassung der DDR und der Abschlusserklärung des KSZE-Folgetreffens in Wien sowie andere einschlägige internationale Konventionen beim Ministerium des Innern/Hauptabteilung Innere Angelegenheiten die Gründung einer »Vereinigung zur Beobachtung und Förderung des KSZE-Prozesses in der Deutschen Demokratischen Republik«.2
Zur Person des Krüger liegen folgende Hinweise vor:
Krüger erlernte nach Abschluss der 10. Klasse der POS den Beruf eines Facharbeiters für Fertigungstechnik. Danach nahm er eine Tätigkeit als Pfleger in der Stephanus-Stiftung Berlin-Weißensee auf, wo er 1985 eine dreijährige Ausbildung als Sozialdiakon abschloss. In diesem Zeitraum kam er mit den dort als Dozenten tätigen hinlänglich bekannten Pfarrern Pahnke3 und Eppelmann4 (beide Berlin) in Kontakt. Von 1985 bis 1988 war Krüger als Sozialdiakon in der St.-Marien-Domgemeinde Fürstenwalde tätig. Seit 30. April 1988 ist er als Kreisjugendwart bei der Superintendentur des Kirchenkreises Berlin-Stadt I tätig.
Krüger initiierte in der St.-Marien-Domgemeinde Fürstenwalde die Bildung eines Personenzusammenschlusses mit der Bezeichnung »Arbeitsgruppe Frieden und Gerechtigkeit« (AGF).5 Internen Hinweisen zufolge beabsichtigte er die Herausgabe einer nichtlizenzierten Zeitschrift mit der Bezeichnung »Friedensdienst der Gemeinde«, die u. a. zur Veröffentlichung von angeblichen Menschenrechtsverletzungen in der DDR sowie aktuell-politischen Fragen aus politisch negativer Sicht genutzt werden sollte. Diesbezügliche Aktivitäten wurden, bedingt durch den Zerfall der genannten Gruppierung, wieder eingestellt.
Krüger beteiligte sich aktiv an sogenannten Solidarisierungsaktionen für die Personen Stephan Krawczyk6 und Freya Klier7 und ermöglichte ihnen in den Jahren 1986/87 Auftritte in Fürstenwalde.
Weiter beteiligte er sich an der öffentlichkeitswirksamen Zusammenrottung feindlich-negativer Kräfte am 10. Oktober 1988 vor dem Konsistorium der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg im Zusammenhang mit staatlichen Maßnahmen hinsichtlich des Erscheinens von Kirchenzeitungen.8
Krüger gehört auch dem im Bereich der evangelischen Kirchen in der DDR tätigen »Arbeitskreis für Wehrdiensttotalverweigerer«9 an.
Es wird vorgeschlagen, Krüger zur Hauptabteilung Innere Angelegenheiten des Ministeriums des Innern vorzuladen, von ihm eine Begründung seines Antrages zu fordern und eine entsprechende Prüfung zuzusagen. Das sollte mit der Zielsetzung erfolgen, ihm in einem weiteren Gespräch rechtlich begründet einen abschlägigen Bescheid zu erteilen.
Diese Verfahrensweise wird deshalb für zweckmäßig erachtet, da mit hoher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass Krüger durch reaktionäre kirchliche Kreise inspiriert wurde, die Reaktion der staatlichen Organe der DDR kurz nach Abschluss des Wiener KSZE-Treffens zur Frage sogenannter Helsinki-Überwachungsgruppen zu testen.10
Des Weiteren könnten die im Gespräch bei der Hauptabteilung Innere Angelegenheiten des Ministeriums des Innern vorgebrachten Argumente hinsichtlich des Zweckes, der Ziele und der Aufgaben der angestrebten Vereinigung genutzt werden, um auf der Grundlage der bestehenden Rechtsvorschriften die beabsichtigte Gründung einer Vereinigung zu versagen. Gleichzeitig würde die Möglichkeit bestehen, weitere Prüfungshandlungen durchzuführen mit dem Ziel, die Versagung beweiskräftiger begründen zu können.