Meinungsäußerung zur Berliner Bischofskonferenz
12. April 1989
Information Nr. 169/89 über interne Meinungsäußerungen zur turnusmäßigen Tagung der Berliner Bischofskonferenz (BBK) vom 6. bis 8. März 1989 in Berlin
Nach dem MfS streng intern vorliegenden Hinweisen nahmen an der Tagung der BBK, außer dem erkrankten Bischof Braun,1 Magdeburg, alle Bischöfe aus der DDR teil.
Unter der Leitung des amtierenden Vorsitzenden der BBK wurden vornehmlich innerkirchliche Fragen behandelt, wie die Vorbereitung des 7. Symposiums der katholischen Bischöfe aus den europäischen Ländern im Oktober 1989 in Rom, die Tätigkeit der Internationalen Arbeitsgemeinschaft der Liturgischen Kommission, die Arbeit des katholischen Priesterseminars in Erfurt und die Bestätigung für den Einsatz katholischer Geistlicher in verschiedenste Funktionen.
Streng vertraulich wurde bekannt, dass im Verlauf der Tagung einige Bischöfe Positionen zu gesellschaftspolitischen Problemen und zum Verhältnis Staat – Kirche bezogen.
Bischof Wanke,2 Erfurt, der die Tagung nach dem Weggang Kardinal Meisners3 erstmalig als amtierender Vorsitzender der BBK leitete, erklärte eingangs, er habe sich nicht nach diesem Amt gedrängt, werde es jedoch in der bisherigen Form weiterführen.
Wanke hob hervor, dass beim Staatssekretär für Kirchenfragen mit Kardinal Meisner ein Abschiedsgespräch stattgefunden habe, bei dem Meisner Gelegenheit gehabt hätte, u. a. folgende Punkte anzusprechen:
Der Kardinal hätte dem Staatssekretär gegenüber betont, dass er bei ihm eine gute Dialogbereitschaft vorgefunden habe und Fragen offen ansprechen konnte, auch wenn nicht alle Wünsche erfüllt worden seien.
Maßstab für die weitere Arbeit – so Meisner – werde stets das Erreichte sein, wobei er beispielhaft die Wallfahrten innerhalb der DDR, die Pilgerreisen von Katholiken u. a. nach Lourdes/Frankreich (Krankenwallfahrt) und nach Rom sowie das Katholikentreffen in Dresden (Juli 1987)4 erwähnt habe. Meisner habe dazu seine Position dahingehend formuliert, man müsse gegenwärtig danach trachten, sich nicht zu überfordern.
Kardinal Meisner habe dem Staatssekretär aber auch unverhohlen zu verstehen gegeben, dass für seinen Nachfolger weitere Fragen offenblieben, die ebenfalls einer Lösung zugeführt werden müssten.
Genannt habe er das Jugendweiheproblem, wobei er eine bereits zu einem früheren Zeitpunkt gegebene Zusage über eine offizielle Veröffentlichung, in der das Freiwilligkeitsprinzip der Jugendweihe bekräftigt wird, angemahnt hätte.5
Darüber hinaus habe Kardinal Meisner auf das Problemfeld der »Ideologisierung« im Volksbildungssystem und auf notwendige Vorbereitungen eines Papstbesuches in der DDR aufmerksam gemacht.6
Einen breiten Raum hätten in der Aussprache während der turnusmäßigen Tagung Feststellungen eingenommen, wonach eine erhebliche Zunahme kritischer Meinungsäußerungen von Geistlichen und Gläubigen zur Reiseverordnung vom 30. November 19887 zu verzeichnen sei.
Bemängelt worden sei vor allem von den Bischöfen und geistlichen Ordensträgern, dass in der Reiseverordnung keine Regelungen enthalten seien hinsichtlich der Anerkennung von Reisegründen für langjährig bestehende kirchliche Bindungen zwischen Amtsträgern, für Ordensangehörige bzw. zur Teilnahme an Priesterjubiläen, obwohl solche Regelungen durch den Staatssekretär für Kirchenfragen bereits zu einem früheren Zeitpunkt zugesagt worden seien.
Die Bischöfe kamen überein, dieses Problem beim geplanten Gespräch des Staatssekretärs für Kirchenfragen mit Bischof Wanke als amtierenden Vorsitzenden der BBK (vorgemerkt sei der 21. April 1989) vorzubringen.
Bischof Wanke habe sich im Verlaufe der Beratung auch zur Zusammenkunft der katholischen Bischöfe aus der DDR mit leitenden Mitgliedern des Zentralkomitees der deutschen Katholiken der BRD (ZdK) am 8. Februar 1989 in Berlin geäußert.
(Aus der BRD hatten daran teilgenommen:
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Rita Waschbüsch8 – Präsident des ZdK
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Friedrich Kronenberg9 – Generalsekretär des ZdK
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Hans Maier, Prof.10 – ehemaliger Präsident des ZdK
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Bernhard Vogel11 – ehemaliger Ministerpräsident Rheinland/Pfalz
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Klaus Hemmerle12 – Bischof von Aachen
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Wilhelm Schätzler13 – Generalsekretär der »Deutschen Bischofskonferenz«
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Klaus Dick14 – Weihbischof in Köln
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Paul Bocklet15 – Prälat, Leiter des katholischen Büros in Bonn
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Heinz Thiel16 – Leiter des Caritasverbandes WB).
Obwohl diese Zusammenkunft vornehmlich der Verabschiedung von Kardinal Meisner gegolten habe, wäre sie wiederum sehr nützlich für gegenseitige Informationen und Meinungsaustausche gewesen.
Bischof Wanke soll hervorgehoben haben, dass die diesmal behandelten Themen – »Weitergabe des Glaubens«, »Vorbereitung des 7. Bischofssymposiums im Oktober 1989 in Rom zur Geburt und zum Tod als Herausforderung für die Kirche«, die Informationen zur Vorbereitung des 90. Katholikentages in Westberlin 199017 und zur weiteren Durchführung der Ökumenischen Versammlung18 in beiden deutschen Staaten – sehr praktische und nützliche Fragen für die eigene Arbeit beinhaltet hätten.
Es sei vorgesehen, diese Treffen zweimal im Jahr beizubehalten und dort außer vorher längerfristig festgelegten Diskussionsthemen zusätzlich kurzfristig aktuelle und für die gegenseitige Verständigung bedeutsame Fragen aufzunehmen.
Wie weiter bekannt wurde, habe sich die BBK eingehend mit der Situation innerhalb der katholischen Kirche in der DDR befasst. Sie habe dazu zwei vorbereitete Vorträge entgegengenommen, die u. a. statistische Angaben zur Mitgliederbewegung in der katholischen Kirche in der DDR in den letzten zehn bis zwanzig Jahren enthielten.
In der sich anschließenden Beratung seien erste Überlegungen angestellt worden, wie die innerkirchliche Tätigkeit aktiviert werden müsse, um keinen weiteren Rückgang der Mitgliederzahlen zuzulassen. Danach wolle man in der katholischen Seelsorge vom sogenannten flächendeckenden Betreuungssystem der Pfarrer abgehen und die Tätigkeit der katholischen Kirche mehr in die Ballungsgebiete der Städte verlagern. Damit solle der sich angeblich vollzogenen Entwicklung der »Abwanderung« von katholischen Gläubigen aus den Dörfern in die Städte Rechnung getragen werden.
Im Ausgleich dafür sollen neue Formen der Betreuung katholischer Christen in den ländlichen Gebieten, z. B. durch eine Verstärkung der Laienarbeit, gefunden werden.
Die BBK wolle darauf orientieren, in der nächsten Zeit generell die Tätigkeit der Laienarbeit in den Gemeindekirchenräten und anderen kirchlichen Gremien zu aktivieren. Bemängelt worden sei durch die Bischöfe das Fehlen einer »Laienorganisation« nach dem Beispiel des ZdK in der BRD.19
Darüber hinaus habe die BBK Berichte zum Stand der Vorbereitungen für die 3. Ökumenische Versammlung der Christen und Kirchen in der DDR (26. bis 30. April 1989 in Dresden) entgegengenommen.
Die Tagung habe in Übereinstimmung mit früheren Festlegungen bekräftigt, dass mit der Teilnahme von Vertretern der katholischen Kirche an dieser Vollversammlung das Mandat der Delegierten der katholischen Kirche ende.
Auf einen Vorschlag seitens der evangelischen Kirche in der DDR eingehend, wonach Kirchenpräsident Natho20 im Namen aller Kirchen auf der Vollversammlung das Schlusswort halten solle, habe man festgelegt, dass die katholische Kirche mit einem eigenen Schlusswort, vorgetragen durch Bischof Huhn,21 auftritt. Die BBK wolle dies der evangelischen Kirche gegenüber damit begründen, dass sie im Gremium der Arbeitsgruppe Christliche Kirchen (AGCK) nur eine beratende Funktion ausübe und deshalb Präsident Natho nicht mit für die katholische Kirche sprechen könne.
Es sei entschieden worden, eine Auswertung der Ökumenischen Versammlung in der katholischen Kirche der DDR durch die katholischen Pfarrer in den Gemeinden vorzunehmen.
Eine Debatte habe sich zur Position der Berliner Bischofskonferenz gegenüber der »Berliner Konferenz Europäischer Katholiken«22 (BK) und der Zeitschrift »begegnung«23 entwickelt. Erneut sei deutlich geworden, dass durch die Bischöfe Tätigkeit und Verlautbarungen der BK und Veröffentlichungen in der »begegnung« interessiert verfolgt werden.
Die BBK wäre wiederum davon ausgegangen, dass die Arbeit der BK und der »begegnung« – die sie fälschlicherweise als Organ der BK wertete – gegen die Bischofskonferenz gerichtet sei. Die Bischöfe wären übereinstimmend der Ansicht gewesen, die Haltung der BBK gegenüber der BK könne sich ändern, wenn erkennbar wäre, dass deren Tätigkeit nur noch auf Gruppen konzentriert werde.
Übereinstimmung sei erzielt worden, alles zu unternehmen, damit Vertreter der »Berliner Konferenz Europäischer Katholiken« und der »begegnung« auf der »Europäischen Ökumenischen Versammlung« in Basel24 (15. bis 21. Mai 1989) nicht anwesend sind. Deshalb wolle man das Sekretariat des »Rates der Europäischen Bischofskonferenz«25 in geeigneter Form über die Positionen der BBK zur BK und »begegnung« informieren und es auffordern, deren Teilnahme zu verhindern.
Die Bischöfe stellten ferner übereinstimmend fest, dass die Ausländerseelsorge in der DDR immer größere Beachtung erfordere, da die zu betreuenden katholischen Christen aus anderen Ländern zahlenmäßig bedeutend angewachsen seien (z. B. aus Vietnam). Bischof Wanke hätte die anderen Bischöfe darüber informiert, dass er den Leiter seines Seelsorgeamtes Erfurt-Meiningen bereits als Verantwortlichen für die Ausländerseelsorge eingesetzt habe. Allen anderen Bischöfen empfahl er, in ihren Amtsbereichen ebenfalls einen Geistlichen mit dieser Tätigkeit zu beauftragen.
Des Weiteren habe Bischof Wanke darüber informiert, dass der Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR und Vorsitzende der CDU, Gerald Götting,26 der BBK sein Interesse signalisiert habe, dem Raphaelsheim in Heiligenstadt (katholisches Heim für geistig behinderte Kinder) einen Besuch abzustatten. Die Bischöfe hätten diesem Ansinnen unter der Voraussetzung zugestimmt, dass Gerald Götting diesen Besuch in seiner Funktion als Stellvertreter des Vorsitzenden des Staatsrates der DDR durchführt.
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