Montagsdemonstration am 2.10. in Leipzig
3. Oktober 1989
Information Nr. 435/89 über eine erneute öffentlichkeitswirksame provokatorisch-demonstrative Aktion im Anschluss an das sogenannte Montagsgebet in der Nikolaikirche in Leipzig
Am 2. Oktober 1989 fand in der Zeit von 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr in der Nikolaikirche in Leipzig das sogenannte Montagsgebet statt,1 an dem ca. 2 000 Personen, darunter eine größere Anzahl gesellschaftlicher Kräfte, teilnahmen.
(Bereits vor Beginn war die Kirche wegen Überfüllung geschlossen und durch Aushang auf das Stattfinden einer Parallelveranstaltung in der Reformierten Kirche (ca. 800 m entfernt) hingewiesen worden. Die Parallelveranstaltung wurde von ca. 300 bis 400 Personen besucht; sie verlief ohne Vorkommnisse.)
Vor und in der Umgebung der Nikolaikirche hielten sich zu diesem Zeitpunkt ca. 3 000 Personen auf, darunter eine beträchtliche Anzahl von Neugierigen. In der Nikolaikirche wurde nach einem Gebet ein Brief der Studentengemeinde der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens verlesen, in dem gegen die Inhaftierung von Personen, die verhängten Sanktionen und den Einsatz von Sicherungskräften nach dem sogenannten Montagsgebet am 11. September 1989 protestiert wurde.2
Außerdem erfolgte eine Orientierung auf ein geplantes »Fasten für die politischen Häftlinge« vom 2. bis 8. Oktober 1989 in der Versöhnungskirche in Leipzig-Gohlis.
Anschließend wurde darauf verwiesen, dass »Ausreise keine Alternative«3 ist und »Demonstrationen kein Mittel« in der gegenwärtigen Zeit seien. Man sollte sich »hier in den Kampf einreihen«. Nach dem Abschluss der Veranstaltung verblieben die Teilnehmer und die dort vorher bereits Anwesenden auf dem Vorplatz und riefen Parolen wie z. B. »Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit«, »Wir bleiben hier«, »Neues Forum zulassen«,4 »Jetzt oder nie«, »Gorbi, Gorbi«, »Freiheit für die Inhaftierten«. Es wurde die Internationale gesungen.
Gegen 18.25 Uhr setzte sich die Personenansammlung demonstrativ in Richtung Grimmaische Straße, Karl-Marx-Platz in Bewegung und zog dann weiter über den Georgiring in Richtung Hauptbahnhof/Tröndlinring.
Durch konzentrierten Einsatz der Kräfte der Schutz- und Sicherheitsorgane sowie der Kampfgruppen5 konnte gegen 19.15 Uhr die Personenbewegung auf dem Tröndlinring/Ecke Nordstraße zunächst gestoppt werden.
Dabei wurden wiederum Parolen gerufen. Insbesondere durch Gruppen Jugendlicher kam es zu tätlichen Angriffen auf VP-Angehörige, verbunden mit verleumderischen Beschimpfungen. Teilweise gelang es diesen Kräften, die Sperrketten der Volkspolizei zu durchbrechen.
Gegen 20.20 Uhr versuchten sich in Höhe Thomaskirchhof erneut ca. 1 500 Personen zu formieren und in Richtung Innenstadt/Markt zu marschieren. Zur Verhinderung dieses Vorhabens, insbesondere zur Abwehr der von diesen Kräften ausgehenden tätlichen Angriffe und zur Gewährleistung der Sicherheit der eingesetzten Kräfte der Volkspolizei, war der Einsatz des Schlagstockes und von Diensthundeführern mit Diensthunden (mit Korb) erforderlich.
21.25 Uhr war die Personenkonzentration aufgelöst. Es wurden insgesamt 20 Personen zugeführt, zu denen nach Aufklärung der konkreten Tatbeteiligung die erforderlichen rechtlichen Maßnahmen veranlasst werden.
Während der gesamten Provokation kam es zu erheblichen Behinderungen des Straßenverkehrs.
In den Handlungsräumen wurde der ständig akkreditierte Korrespondent der »Rheinischen Post«, Kern,6 in Begleitung des Presseattachés der französischen Botschaft in der DDR, Rousseau, Christiane,7 festgestellt.
Techniker der ARD wurden im Ergebnis der eingeleiteten Maßnahmen wegen fehlender Arbeitsgenehmigung und Abmeldung abgewiesen.